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Auto und Reise

Routen für Genießer: Weinstraße einmal auf vulkanisch

Nach Sizilien wegen des Weins – ein eher neuer Zugang zum Reisen auf der sonst vor allem für ihre reichhaltigen Spuren der Antike bekannten Insel.

von Horst Bauer

02/11/2019, 10:02 AM

So viele Kulturvölker können nicht geirrt haben. Dass sich die antiken Griechen, die Römer und  später  die Araber Sizilien als Eroberungs- und Besiedelungsgebiet ausgesucht haben, hat handfeste Gründe.

Diese  kann  auch der heutige Genussreisende nachvollziehen, bei dem sich das Interesse an Kunst und Kultur mit einer gesunden Portion Hedonismus die Waage hält. Das  Angebot reicht von vielen „alten Steinen“ (mehr griechische Theater als in Griechenland) bis zu kulinarischen Hinterlassenschaften etwa der Araber. Diese haben den Schnee des Ätna mit Fruchtsäften versetzt und damit  die Granita geschaffen.

Eine vergleichsweise junge Entwicklung dagegen ist Sizilien als Hort für Spitzenweine. Noch gegen Ende  des vorigen Jahrhunderts  war hier nicht viel mehr als ein halbwegs solider, bevorzugt offen ausgeschenkter Hauswein die Regel. Dann entdeckte die Weinwelt den Nero d’Avola und eine neue  Winzergeneration wusste  den Trend zu nutzen. Das machte  sizilianische Rotweine erstmals international  begehrt.

Da aber auch Wein-Bibeln immer wieder neu geschrieben werden müssen, (spätestens wenn sich die einstigen Geheimtipps  in  jedem Supermarktregal finden), hat die Genießer-Avantgarde das Thema vertieft. Und so geht es seit Kurzem in einschlägigen  Kreisen nur mehr um die in einem begrenzten Anbaugebiet an den Flanken des Ätna wachsenden Weine.

Wer sich selbst ein Bild machen will  über die Qualität des „Vino dell’ Etna“, die Winzer, die sich ihm verschrieben haben, und die Gegend, aus der er stammt  (und dies vor dem Eintreffen der ersten Reisegruppen im Bus-Verband),  sollte schauen, wie er möglichst bald nach Catania kommt. Ob in der Kombination Flugzeug und Mietauto oder gleich mit dem eigenen Wagen, hängt vom individuellen Zeitbudget ab.

Die zweite Variante hat nicht nur den Vorteil einer längeren Anreise mit hohem Genusspotenzial entlang der Strecke, es erleichtert auch den direkten Heimtransport der flüssigen Schätze, die man entlang der „Strada del Vino dell’ Etna“ gehoben hat.

 

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Aber auch die wohl häufiger gewählte Flugzeug-Variante lässt Spielraum für entsprechende Mitbringsel, sind die Winzer rund um den Ätna doch an ihre internationale Randposition gewöhnt und bieten daher alle problemlosen weltweiten Versand an.

Nach dem Einschweben in Catania und der Übernahme des Leihwagens bietet sich zum Eingewöhnen die kurze Fahrt in eine der an den Abhängen des Ätna gelegenen empfehlenswerten Unterkünfte  in der Nähe an. So etwa das Country Boutique Hotel  mit dem eigentümlichen Namen ZASH in der Nähe von Riposto (mehr dazu in „Leben entlang der Route“). Es liegt inmitten weitläufiger Zitrusplantagen und ist um einen alten Bauernhof gebaut. Die Original-Wände des Hauptgebäudes sind erhalten geblieben und in den Zimmern und auch im Restaurant  zu sehen.

Alle modernen Strukturen sind in die historischen Räume hineingestellt (mit Abstand zu den alten Wänden) und können jederzeit wieder herausgenommen werden, ohne die alte Struktur zu schädigen.
Das moderne Leben zieht zwar auch in Form der unmittelbar dahinter liegenden Bahnstrecke vorbei, in der Nacht hält sich der Zugverkehr zwischen Messina und Catania aber in  Grenzen.
Ist das Gepäck einmal ausgeladen und das Zimmer bezogen  (Tipp: Wer mit den olfaktorischen Spuren des darunterliegenden Spa nichts am Hut hat, sollte das Zimmer Nr. 5 meiden), steht der ersten Erkundung nichts mehr im Weg. Soll es nicht gleich in medias res gehen, bietet sich eine Tour nach Aci Trezza unten am Meer an, wo Odysseus den Zyklopen Polyphem überlistet hat. Die Felsen, die der Riese dem flüchtenden Helden nachgeschleudert hat, sind heute noch  vor dem Hafen zu sehen – zumindest nach der geltenden Tourismus-Saga.

In der malerischen kleinen Marina und an der angrenzenden Uferpromenade ist im Sommer abends der Bär los. Aber in der Saison der Genussreisenden (also Frühjahr/Herbst) dominiert die Beschaulichkeit. Im Café an der Promenade gibt’s eine mächtige Granita Caffè con Panna um 2,50 Euro plus ein XL-Brioche um 1 Euro – eigentlich bereits ein Abendessen vom Kaloriengehalt her.

Aber das Restaurant des ZASH sollte man nicht nur für das exzellente Frühstück nutzen.  Der junge, doch bereits hochdekorierte Chefkoch Giuseppe Raciti aus Acireale kocht auf Michelin-Stern-Niveau  mit kreativer Karte und besten lokalen Produkten. Untergebracht ist das Lokal (das auch für Nicht-Hotelgäste offen ist) in jenem Raum, in dem früher die spezielle Weinpresse der Gegend  namens Palmento stand, deren mächtige Holzkonstruktion gut erhalten ist.

 

Fragt man sich danach, wie so ein Palmento funktioniert hat, wird man  darauf beim Besuch des nahe gelegenen Weinguts Terra Costantino Antwort erhalten. Zumindest, wenn man  dabei Fabio Costantino in die Arme laufen sollte, der den von seinem Vater gegründeten Betrieb heute führt und die Funktionsweise an einem gut erhaltenen Palmento im Weingarten anschaulich erklären kann.

Die Azienda Agricola Terra Costantino ist  ein professionell ausgestattetes Hobby der Familie, die ihr Geld eigentlich im Baugeschäft verdient. Mit 10 Hektar Anbaufläche international ein Zwerg, ist man lokal einer der drei Großen im DOC-Gebiet Ätna. Gekeltert werden ausschließlich lokale Traubensorten und der Wein (Rot, Weiß,  Rosé)  wird biologisch angebaut.  Man beliefert  die internationale Spitzengastronomie, aber auch Ab-Hof-Verkauf ist möglich – einfach hinkommen, kosten und mitnehmen. Oder eben schicken lassen.

Die Einzigartigkeit der Weine vom Ätna hängt von der jeweiligen Lage am Berg ab und variiert oft schon nach wenigen Metern, weil es nicht nur auf die Beschaffenheit des Bodens ankommt, sondern auch auf den Einfluss der ständigen Winde vom Meer herauf (auf circa 500 Meter Seehöhe) und die Sonneneinstrahlung, die von unterschiedlich hohen Vulkankegeln zwischen den Weingärten beeinflusst wird.Daher zahlt es sich aus, das DOC-Gebiet, das sich von der Höhe von Catania bis auf die nordöstliche Seite bei Castiglione di Sicilia hinzieht, abzugrasen, um die Unterschiede nicht nur zu erschmecken, sondern sich auch ein Bild von deren Herkunft zu machen.

Ätna

Als Gegenpol zu Terra Costantino am anderen Ende der DOC-Zone empfiehlt sich ein Besuch bei Cottanera, dem inzwischen größten Weingut des Ätna-Gebiets.
Auf dem  Weg dorthin sollte bei entsprechendem Wetter natürlich auch dem Vulkan selbst ein Besuch abgestattet werden. Wer die Auffahrt bis zu den Skiliften knapp unterhalb des Gipfels über die Nordrampe wählt, kann davor in Linguaglossa in der Pasticceria Alhambra für eine standesgemäße Wegzehrung sorgen.

Schließlich sollte man trotz allen aktuellen Hypes um den Ätna-Wein Sizilien nicht verlassen, ohne ein Cannolo Siciliano genossen zu haben. Die mit Ricotta gefüllten süßen Teigrollen verändern zudem ebenfalls ihren Geschmack je nach Herkunftsgebiet (im Alhambra wird z. B. mit Zimt gearbeitet), was eine gute Entschuldigung für mehrere Verkostungen entlang der Route bietet.

Von Linguaglossa führt die Straße über zahlreiche Kurven hinauf auf den Ätna, wobei die  Szenerie wechselt zwischen üppig sprießender Flora und weitläufigen schwarzen Lavafeldern, ohne auch nur die kleinste Spur von lebenden Pflanzen.  Oben vom Parkplatz unter dem Sessellift, der im Winter eine Skipiste  erschließt, starten   geführte Touren (die vorher gebucht werden sollten) über das Lavafeld bis zu den rauchenden Kratern.
Sollte sich der Ätna jedoch in Wolken hüllen (oder gerade wieder selbst welche produzieren, kann man sich den Abstecher sparen und von Linguaglossa gleicht weiter in Richtung Castiglione di Sicilia fahren. Der auf einem Felsen über der Ebene thronende kleine Ort ist ebenfalls einen Zwischenstopp wert, bis man beim  bekanntesten Weingut des Ätna-DOC-Gebietes  eincheckt.  Die Azienda Agricola Cottanera hat sich mit den Jahren zum größten Produzenten der Gegend hochgearbeitet, was man auch an der großzügigen Anlage des Hofes merkt. Allein  der gediegen eingerichtete Degustations-Saal mit dem atemberaubenden Blick über die Weinreben hinauf auf den rauchenden Ätna wäre einen Besuch wert. Selbst ohne Wein.

Den zu verkosten sollte man jedoch  nicht auslassen. Neben einem ab Hof Verkauf (ebenfalls mit Spedition für Reisende) ist gegen Voranmeldung sogar eine Weinverkostung mit mehrgängigem Menü  möglich. Und das nicht nur für große Gruppen, sondern  auch schon ab  zwei Personen.

Wer nicht zurück bis ins ZASH fahren, sondern seine Ätna-Runde mit einer Nacht direkt am Meer anreichern will, fährt via Novara di Sicilia (ebenfalls einen Stopp wert) nach Milazzo. Hier legen die Fähren auf die Äolischen Inseln ab (aber das ist eine andere Geschichte) und die  Altstadt ist nicht so überlaufen wie das von Touristen gestürmte Taormina.Hat  man genug Zeit, um seine Kreise auch in die andere Richtung auszudehnen, bietet sich als Stützpunkt neben dem ZASH unter anderem das Relais Monaci delle Terre Nere in Zafferana Etnea als Stützpunkt an. Die weitläufig auf einem Ausläufer des Ätna liegende Anlage bietet  20 Zimmer   verstreut in mehreren Häusern am Gelände. Dazwischen finden sich die Weinreben des Hauses, die Olivenbäume,  Gemüse- und Obstanbauflächen, über die man sich weitgehend selbst versorgt. Auch ein großes Freigehege für Hühner (samt Hahn) ist Teil der Anlage. Dort können sich die Kinder der Gäste unter Anleitung  selbst die Eier holen, die dann mit ihnen in der Küche des Lokals zubereitet werden. Alles steht unter dem Motto „eco-friendly“, das Essen ist bio und das Lokal Teil der Slow-Food-Bewegung. Trumpf  im Vergleich zum ZASH ist weniger das Restaurant (nicht um so viel besser, als es teurer ist), als viel mehr die Ruhelage mit weit voneinander entfernten Wohneinheiten.

Jochen Rindt

Von hier empfiehlt sich als Abwechslung zur Weinroute eine Schleife ins Landesinnere, um Caltagirone, die Keramikhauptstadt der Insel mit ihrer einzigartigen langen Stiege in der  renovierten Altstadt, zu besuchen. Die Rückfahrt sollte man über  Enna anlegen. Unterwegs wartet nämlich nicht nur bei Piazza Armerina eine hervorragend erhaltene römische Villa auf Besichtigung.  Autofans werden auch die Gelegenheit nicht auslassen, in Pergusa jener Rennstrecke einen Besuch abzustatten, auf der Jochen Rindt legendäre Formel-2-Siege gefeiert hat.

Zurück an der Küste bietet sich als  günstigere Alternative zum Monaci   das an der Auffahrt von der Autobahnausfahrt Fiumefreddo zum Ort  Piedimonte Etneo gelegene Talè-Hotel an.  Inmitten  eines Obstgartens mit Mandel- und Zitrusbäumen,  dominiert von Terrassen entlang des Hauptgebäudes mit schönem Blick aufs Meer und den  Ätna ist es der ideale Schlusspunkt der Genuss-Route zu den Wurzeln des Vino dell’Etna. Hier auf der Terrasse des gediegenen Restaurants, versorgt von ebenso kompetenten wie freundlichen Gastgebern, lassen sich die Eindrücke der vergangenen Tage in idealem Rahmen verarbeiten. 
Und mit dem einen oder anderen Glas von bis dahin noch nicht probierten Vertretern des DOC-Ätna-Gebietes  entspannt abrunden.

Leben entlang der Route

Nach der Ankunft in Catania das Navi des Leihautos auf die Strada Privinciale 2 in Riposto einstellen und dort auf Höhe der Nummer 60 langsamer werden, um die Einfahrt zum Country Boutique Hotel ZASH nicht zu verpassen (beim Einfahrtstor links die Gegensprechanlage betätigen).  Die weitere Anfahrt führt durch den weitläufigen Wein- und Obstgarten des Anwesens bis zum Haupthaus. Den Abend kann man getrost dort verbringen, bietet es doch auch ein sehr empfehlenswertes Restaurant.
ZASH Agriturismo, Strada Provinciale 2/I-II n. 60, 95018 Archi-Riposto, CT
www.zash.it

Sollte das ZASH ausgebucht sein, steht als Alternative in unmittelbarer Nähe das von denselben Eigentümern geführte Country Hotel Ramo d’Aria bereit. Die Verköstigung dort ist bewusst eher als einfachere Trattoria ausgelegt – aber    immer auf Basis biologischer Produkte aus dem eigenen Garten bzw. der näheren Umgebung.
Ramo d’Aria Country Hotel
Viale delle Province 261, int. 38 95014 Altarello-Giarre, CT

www.ramodaria.it

Ebenfalls immer den Ätna im Blick (sofern er sich zeigt) hat man in der  auf rustikale Noblesse  setzenden weitläufigen Anlage des  Monaci delle Terre Nere.  Angelegt als einen dem Slow-Food-Gedanken verpflichtetes Relais, bietet man  Unterkunft von Zimmern bis hin zu Suiten und eigenständigen kleinen Häusern, verstreut am Abhang eines Ätna-Ausläufers. Gekocht wird im eigenen Restaurant „Locanda Nerello“, womit ausgedehnten abendlichen Weinverkostungen auch für den Fahrer nichts im Wege steht.
Relais Monaci delle Terre Nere
Via Monaci 95019 Zafferana Etnea, CT

www.monacidelleterrenere.it
Eine nicht so sehr auf die Kombination von altem Gemäuer mit moderner Gastlichkeit setzende Alternative ist das von seinen herrlichen Terrassen mit Meerblick geprägte,  erst vor drei Jahren eröffnete Talè-Hotel. Einmal eingecheckt, hat man ebenfalls wenig Grund, am Abend auf Restaurantsuche außer Haus zu gehen.
Talè Hotel, Via Bellini 186, 95017 Piedimonte Etneo, CT
www.talehotel.it

Wer auf der Runde um den Ätna auch einmal am Meer wohnen will, sollte im kleinen,  feinen Hotel Esperia in Milazzo direkt an der Strandstraße Station machen.
Albergo Esperia
Via Tono 128, 99057 Milazzo, ME

www.albergo-esperia.it

In der Keramik-Hauptstadt  Caltagirone bietet sich im La Scala die seltene Gelegenheit, in einer vermeintlichen Touristenfalle direkt an der berühmten Stiege in der Altstadt   solide und sizilianisch zu essen.
Ristorante Pizzeria La Scala, Piazza Umberto I, 1, 95041 Caltagirone, CT
lascalaristorantepizzeria.it

Weinverkostungen und -verkauf direkt ab Hof bietet das kleine, sehr private  Weingut Terra Costantino .
Terra Constantino, Via Garibaldi 417 95029 Viagrande, CT
www.terraconstantino.it

 Das Gegenstück dazu  ist das am nördlichen Ende der DOCG-Gebietes am Ätna gelegene Weingut Cottanera. Dieses hat sich in den vergangenen Jahren zum Platzhirschen im Anbaugebiet gemausert  und lohnt in jedem Fall einen Besuch  samt Verkostung.
Azienda Agricola Cottanera
Strada Provinciale 89 – Contrada Iannazzo 95030 Castiglione di Sicilia, CT

www.cottanera.it

Weitere Infos: Sicilia Convention & Visitors Bureau und die  Organisation  Strada del Vino dell’Etna.
www.siciliaconvention.com
www.stradadelvinodelletna.it

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