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Motorsport

50 Jahre Formel V: Mutige Männer in fliegenden Käfern

Damals wie heute mit dem legendären Kaimann-Konstrukteur Kurt Bergmann.

von Ad Raufer

03/29/2014, 06:50 PM

Anfang 1964, Daytona International Speedway, Florida: Bei einem Besuch der legendären Strecke im Süden der USA werden Ferry Porsche und sein damaliger Sportchef Huschke von Hanstein auf kleine einsitzige Rennwagen aufmerksam: Was den beiden dort auffällt, sind einer mobilen Badewanne nicht unähnliche Monoposti auf Basis des VW Käfers: Die Formel Volkswagen war geboren. Porsche und von Hanstein zögern nicht lange und beschließen, die neue Formel nach Europa zu exportieren und dort eine preisgünstige Einstiegs-Alternative zur damals erfolgreichen und gleichermaßen beliebten, aber teureren Formel Junior zu etablieren. Die Vorteile der Käfer-Technik: Sie ist preiswert, die Einsatzkosten sind niedrig – ein fahrfertiges Auto gibt’s in diesen Tagen für rund 10.000 Mark – und überfordert auch nur durchschnittlich begabte Schrauber nicht wirklich.

"Masta" Bergmann

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Was zu diesem Zeitpunkt niemand auch nur ansatzweise ahnen kann – die Formel V entwickelt sich ab 1966 zur wildesten, verrücktesten und auch größten Rennserie, die der europäische Motorsport bis dahin gesehen hat. Wie eine Epidemie verbreiten sich die vierrädrigen Einbäume mit ihren großen und schmalen Radln rund um den Globus, allerorten schießen Hersteller aus dem Boden, insgesamt gut zwei Dutzend, die meisten davon heute allerdings längst vergessen.

Ein Schicksal, das einer der bedeutendsten – wenn nicht der bedeutendsten Konstruktion überhaupt – erspart blieb: Kaimann.

Untrennbar mit der Rennwagenmanufaktur verbunden und längst Legende: Kurt Bergmann, Chef einer damals – für heutige Begriffe – kleinen Quetsch’n in Wien-Essling, gleich neben dem Asperner Flughafen, dort, wo heute die zukünftige Seestadt aus dem Boden wächst. Bergmann, von seinen Mitarbeitern stets nur mit "Masta", Hochdeutsch also "Meister", angeredet, beginnt 1967 mit dem Bau eigener Rennwagen.

Motorisiert sind die zigarrenförmigen Einsitzer, deren wesentliche Komponenten – Motor, Getriebe, Differenzial und Achsen – vom Käfer stammen müssen, zunächst mit 1,2-Liter-Motoren, die kümmerliche 34 PS leisten. Ab 1966 sind 1300er-Motoren mit immerhin 52 PS erlaubt, im Lauf der Jahre wird sogar die 100-PS-Grenze geknackt. Anfangs noch mit modifizierten Rennwagen des US-Herstellers Beach unterwegs (Austro-Beach), träumt Bergmann vom eigenen Team, das er schließlich 1968 etabliert und rasch den Aufstieg zum erfolgreichsten Formel-V-Team Europas schafft.

Talente-Fahrschule

In der Blüte der Formel-V- und später Super-V-Zeit haben Bergmanns Autos das Sagen beim Siegen. Sein Kaimann-Team begründet nicht nur die sportliche Überlegenheit der Österreicher (Jochen Rindt, Peter Peter, Helmut Marko, Erich Breinsberg, Michael Walleczek, Dieter Quester, Helmut Koinigg, Harald Ertl und Günther Huber), sondern sorgt auch für frühen Ruhm zahlreicher späterer Formel-1-Weltmeister wie etwa Niki Lauda, Keke Rosberg, Emerson Fittipaldi oder Nelson Piquet.

Bergmanns Erfolge basierten auf mehreren Pfeilern: Der "Masta" hatte ein sagenhaftes G’spür, aus dem damals breiten Angebot an guten Fahrern nur die wirklich Besten herauszufiltern. Ein anderer Punkt war "sein technisches Verständnis: Die Fähigkeit, das durch die Vorgabe von Serienteilen sehr eng gesteckte Reglement optimal zu nützen" (Erich Breinsberg: "Der Niki, der Keke und das Genie aus der Vorstadt", Verlag Egoth, 2009). Und schließlich die Fähigkeit, immer am Boden zu bleiben, nur so viel Geld auszugeben als da war, keine finanziellen Drahtseilakte einzugehen. Mit dieser Maxime ist Bergmann zwar nicht wirklich reich geworden, zum Leben allerdings hat’s immer gereicht: Insgesamt werden in Essling in den Jahren 1967 bis 1977 rund 200 Rennwagen gebaut und ins In- und Ausland verkauft.

Die große Markenformel boomt: Nirgendwo sonst als in einer – wie man heute sagen würde – Low-Budget-Formel konnte der Nachwuchs mit wenig Geld echten Rennsport betreiben. "Und das bei Geschwindigkeiten, die bisher nur viel teureren Klassen vorbehalten waren", so Erich Breinsberg, 1970 Formel-V-Europapokalsieger.

1971 kommt mit der Formel Super V der große Bruder ins Spiel. Und wieder ist es Breinsberg, der am Ende des Jahres als Sieger des Goldpokals die Kaimann-Farben hochhält. Die luftgekühlten 1,6-Liter-Triebwerke stammen aus dem VW 411/412 und leisten anfangs um die 120 PS. Ab 1. Jänner 1978 kommt der wassergekühlte, 110 PS starke 1,6 Liter aus den Baureihen Golf/Passat/Scirocco zum Einsatz, der im Super V rund 200 PS mobilisiert und den Autos zu einer Spitze von gut 250 km/h verhilft.

Druck aus England

Professionelle Rennställe, Teams und Fahrer übernehmen das Kommando, Amateure haben daher kaum noch Chancen und wechseln wieder in die schwächere Formel-V-1300 zurück. Bergmann fungiert nach wie vor als maßgeblicher Hersteller, gerät aber immer mehr unter Druck der großen britischen Chassis-Produzenten Lola, March und Ralt. Kosten explodieren und als die Super V schneller als die Formel 3 wird, zieht Volkswagen Motorsport notgedrungen die Reißleine. Nach der Formel V einige Jahre zuvor, wird 1982 auch das Kapitel Formel Super V geschlossen.

Den allerletzten Europa-Titel, den Sieg im Super-V-Goldpokal, entführt der Österreicher Walter Lechner noch einmal in jenes Land, das als Mutter aller Formel-V-Nationen in die Geschichte eingeht.

Die Erinnerung an die wilden Jahre hält der Verband Historische Formel V Europa wach. Liebevoll restaurieren und pflegen Nostalgiker wie der Wiener Karl Holzinger die Schätze von einst – aber nicht nur: Es wird wieder rennmäßig gefahren (im September auf dem Salzburg- und Red-Bull-Ring), hobbymäßig, klar, daher unter gänzlich anderen Voraussetzungen als seinerzeit. Holzinger, der auch in die Ferrari-Challenge hineingeschnuppert, sich aber dort nicht wirklich wohl gefühlt hat, präzisiert: "In der historischen Formel V ist das ganz anders. Dort herrschen Freundschaft und ein super Klima, jeder hilft jedem. Wir fahren zwar gegeneinander, aber gefeiert wird viel – und vor allem gemeinsam".

Holzinger fährt einen Kaimann – was sonst. Für die professionelle Vorbereitung sorgt ein Mann, der schon vor knapp 50 Jahren an der Boxenmauer stand: Der eben 85 gewordene Kurt "Masta" Bergmann.

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