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Fahrbericht

Aiways U5: Das nächste China-SUV für Europa

Wie das chinesische Start-up Aiways mit dem Elektro-SUV U5 die europäische Konkurrenz überholen will und warum man ohne Händler auskommt. Wir konnten mit dem U5 als einziges österreichisches Medium bereits fahren.

von Horst Bauer

03/08/2020, 05:00 AM

Die Eroberung der europäischen E-Auto-Fahrer muss wegen der aktuellen Corona-Krise in China noch etwas warten. Dennoch gibt sich der stellvertretende Vorstandsvorsitzende für das Auslandsgeschäft bei Aiways, der Deutsche Branchen-Veteran Alexander Klose optimistisch: „Der U5 wird das erste Elektroauto eines chinesischen Start-up-Unternehmens sein, das den europäischen Markt erobern wird.“

Dazu muss man wissen, dass Start-up-Konkurrent Nio seine Europa-Pläne nach Problemen auf dem Heimmarkt im Vorjahr zunächst auf Eis gelegt hat. Und das gerade in Österreich startende chinesische Elektro-SUV von MG eben keinem Start-up-Unternehmen entspringt, sondern dem in China etablierten SAIC-Konzern.

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Mit der für die chinesische Start-up-Szene eigenen Rasanz wurde Aiways erst im Jahr 2017 unter anderem von Samuel Fu gegründet, der die Firma heute als Chairman führt. Man holte sich – vorwiegend chinesische – Spezialisten aus der Branche und entschloss sich, nicht nur ein E-Auto zu entwickeln, sondern dieses auch gleich selbst zu produzieren. Anders als Nio, wo man die Produktion an einen etablierten chinesischen Hersteller ausgelagert hat, stellte Aiways eine eigene Fabrik in Shangrao in Südchina auf die grüne Wiese. Die Kapazität ist zu Beginn auf 150.000 Stück pro Jahr ausgelegt, kann aber auf 300.000 ausgeweitet werden.

Derzeit steht die Produktion wegen der Corona-Krise aber still. Was die ambitionierten Pläne für die Eroberung Europas zunächst auf den Herbst verschoben hat. Klose: „Ab Ende August wollen wir in 5 oder 6 Märkten mit dem U5 starten. Und zu Beginn nächsten Jahres kommt der U6 dazu, dessen Studie wir eigentlich auf dem Genfer Salon zeigen wollten.“

Was aber nicht nur daran scheiterte, dass der Salon abgesagt wurde, sondern auch daran, dass man das Auto nicht rechtzeitig aus China herausbekommen hatte.

Bei der Form, wie man den U5 hierzulande an die Kundschaft bringen will, macht man aus der Not eine Tugend. Da Aiways auf kein etabliertes Händlernetz zurückgreifen kann, soll der Vertrieb ausschließlich über das Internet erfolgen. Und das Auto soll man auch nur leasen, nicht kaufen können.

Als Partner für das physische Handling der Autos – und allfällige Reparaturen – hat man in Deutschland etwa den Zubehör-Händler ATU als Partner gewonnen. Man hat aber auch andere Modelle im Auge. Klose: „In Norwegen verhandeln wir gerade mit einer Service-Firma, über die wir etwa die Heimzustellung der Autos direkt an die Kunden regeln können.“

Glaubt man den Ankündigungen bei der improvisierten Präsentation des U5 in Stuttgart am vergangenen Dienstag, dann sollte aber ohnehin kein großer Service-Bedarf bei der Kundschaft bestehen, wenn sie das Auto erst einmal für die Dauer des Leasingvertrages in Händen hat. Als Service-Intervall für den U5 geben die Chinesen nämlich stolze 100.000 km an.

Die Entwicklung der Antriebseinheit stemmte man ganz alleine. Laut Klose habe man bewusst auf Auftragsentwickler wie Magna oder AVL verzichtet, weil „die haben auch noch nicht so viel Erfahrung abseits von Verbrennungsmotoren.“ Außerdem wollte man die Kernkompetenz im Haus behalten. So baut man die 63 kWh leistende Lithium-Ionen-Batterie selbst (die Zellen stammen vom chinesischen Hersteller CATL) in einer neuartigen Sandwich-Bauweise und besorgt auch das Thermomanagement mit einer selbst entwickelten Software.

Nur bei konventionellen Bauteilen setzten die Chinesen auf europäische Expertise. So kommt etwa das Bremssystem von Bosch.

Wie schnell der wirtschaftliche Erfolg eintreten sollte, um die großen Investitionen in das Projekt Aiways nicht in den Wind schreiben zu müssen, wird natürlich nicht offiziell kommuniziert. Allein auf die Frage, wie lange man sich eine geschlossene Fabrik noch leisten könne, runzelt Alexander Klose merkbar die Stirn.

Und verweist darauf, dass der chinesische Staat finanzielle Hilfe für die durch die Corona-Auswirkungen gebeutelte Industrie des Landes versprochen habe.


Am Steuer des Aiways U5

Auf den ersten Blick spricht nichts dafür, dass hier ein Billig-Konkurrent für die kommenden Elektro-SUV der  europäischen Hersteller steht. Doch der Aiways U5, der mit seinen Abmessungen (4.680 mm Länge, 1.865 mm Breite, 1.684 mm Höhe) in der Liga  des kommenden Skoda Enyaq spielt, soll um schlichte 40.000 Euro zu haben sein.

Auf den zweiten Blick zeigt sich zumindest im Vorserienmodell, das hier in Stuttgart für eine erste Schnupper-Runde bereitsteht, dass man als potenzieller Kunde die Latte bei den verarbeiteten Materialien nicht zu hoch hängen sollte.

Gleich nach dem Einsteigen fällt auf, dass es keinen  Startknopf im Cockpit gibt. Es reicht, auf die Bremse zu treten und das vom Funkschlüssel vorgewarnte System stellt sich betriebsbereit ein. Die Fahrtrichtung wird per Druckknopf gewählt. Schnell setzt die Suche nach dem Fahrmodus-Schalter ein, vor allem wenn dieser auf Eco steht. In dem Fall wird die Leistung der E-Maschine (140 kW/190 PS) aus Stromspargründen so stark zurückgeregelt, dass man zunächst an einen Defekt denkt.

Funktioniert das Umschalten in den Normal- bzw. Sport-Modus per Schalter auf der Mittelkonsole, so muss im Menü des zentralen Touchscreens umständlich nach Änderungsmöglichkeiten für den Rekuperationswiderstand gesucht werden. Im Normalfall ist dieser so eingestellt, dass sich das bei  E-Auto-Piloten beliebte Ein-Pedal-Fahren (die Bremse wird kaum gebraucht) moderat praktizieren lässt.

Dass die Reichweitenanzeige beim Start 430 km angibt, unterstützt die Aussage der Aiways-Techniker, man sei sogar bei  Minusgraden um 300 km weit gekommen.

Die Überprüfung der tatsächlichen Reichweite in der Praxis steht zwar noch an, aber nach der ersten Runde mit dem U5 lässt sich sagen, dass hier ein ernsthafter (Billig-)Konkurrent etwa für die E-SUV-Derivate des VW-Konzerns in den Startlöchern steht.

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