ehem. Postgarage mit E-Paketwagen
ehem. Postgarage mit E-Paketwagen

© Öst. Post AG

Geschichte

Als der Post-Fuchs eine Schnecke war

Das 100-Jahr-Jubiläum feierte die Post auf historischem Boden – in mehrfacher Hinsicht.

von Maria Brandl

12/07/2013, 04:52 PM

Die Hotelgäste bekamen große Ohren, als sie quasi im Vorbeigehen hörten, was sich früher unter ihren Füßen befand. Wo sich heute die Lobby des Imperial Riding School Renaissance Vienna in der Ungargasse in Wien erstreckt, befand sich bis 1982 die Garage, Ladestation und Werkstatt für die E-Paketwagen der Post in Wien. Zum 100-Jahr-Jubiläum der E-Mobilität bei der Post lud diese mit dem Lebensministerium und der Energie-Agentur zu einer Feier. Als Dokumentation liegt bei Postfilialen eine informative Broschüre auf.

Maronibraterstiefel

ein ActiveCampaign Widget Platzhalter.

Wir würden hier gerne ein ActiveCampaign Widget zeigen. Leider haben Sie uns hierfür keine Zustimmung gegeben. Wenn Sie diesen anzeigen wollen, stimmen sie bitte ActiveCampaign zu.

Die Arbeitsbedingungen in der E-Garage setzten eine große Kältefestigkeit voraus, bei Menschen und Fahrzeugen. Wo heute in der Hotel-Lobby gediegenes Licht und wohlige Wärme dominieren, „war es eisig kalt“, so Hans-Peter Drachsler, letzter Leiter der Postgarage in der Ungargasse, zu der nicht nur die E-Wagen, sondern auch hunderte andere Postmobile gehörten. Drachsler lud zur „Werksführung“ durch die wichtigsten Stationen der früheren Postgarage. Sie war nach jener an der Weißgerber Straße die 2. E-Garage der Post in Wien, wurde 1945 zerbombt und danach wieder aufgebaut. Geld war knapp, alles wurde so sparsam wie möglich repariert, auch der Rest der Vorkriegs-E-Wagen sowie einige wenige reichsdeutsche Bergmann-E-Wagen, von denen der letzte erst 1977 aus dem Verkehr gezogen wurde.

Nicht nur die Mechaniker in der Garage mussten kältefest sein, auch die Lenker der E-Fahrzeuge. „Sie hatten sogenannte Maronibraterstiefel und Fellmützen“, so Drachsler. Theoretisch hätte es kleine Heizungen in den E-Paketwagen gegeben, aber darauf verzichteten die Lenker, um die Reichweite zu schonen. Jeder Lenker hatte den Ehrgeiz, auch bei Tiefsttemperaturen die vorgeschriebene Tour mit seinem E-Wagen zu schaffen. Wenn’s knapp wurde, sparten sie lieber beim Licht, als sich dem Spott der Kollegen auszuliefern. Dieser war jedem gewiss, wenn er mit parat stehenden Diesel-Lkw abgeschleppt werden musste. Die Polizei wusste von den „blinden gelben Schnecken“, aber strafte nicht. Unter den Post-Lenkern galten die E-Wagen-Lenker als Sirs. Für die Lenker gab es Alkoholverbot, einmal pro Jahr wurden die Schränke in der Garage inspiziert und die alkoholischen Vorräte entsorgt.

Ein Akkutausch dauerte damals nicht länger als ein Diesel-Tankvorgang, ca. 10 Minuten. „Der Lenker stieg oft nicht einmal aus“, so Drachsler. Und das bei Akkus mit mehr als 1 Tonne.

Möglich machte dies ein ausgeklügeltes System, so der letzte Werkmeister Raimund Bittgen: „Bei der Ankunft der E-Paketwagen in der Garage wurden sie je nach Bedarf zum Laden in den 1. Stock oder zum Batteriewechsel in der Ladestation über den Wechselkanal mit den Hebewagen gefahren. Der Batteriewechsel erfolgte durch ein einfaches manuell-hydraulisches System von auf Schienen gelagerten Rollwagen.“ Also ohne elektronische Hilfe und trotzdem kinderleicht und zuverlässig. Die Garage war ein Lehrbeispiel für intelligenten Umgang mit knappen Ressourcen. Aktuelle Systeme sind aufwendiger. Die Garage hatte vier Akku-Wechselstationen. Aber auch damals war nicht jeder Wagen für den Akkutausch gebaut.

Geladen wurden die Blei-Akkus ca. 8 Stunden, damit kam man bis Purkersdorf und zurück. Gefürchtet waren Touren über den Gürtel und die Mariahilfer Straße ob der Steigungen. Für die Wartung der Akkus war Varta zuständig. Kaputte Batteriezellen konnten einzeln erneuert werden. Die Akkus hielten rund zwei Jahre oder 700 bis 800 Ladezyklen. Sie kosteten 30.000 Schilling, was viel Geld war.

1982 war nicht nur die Zeit der Postgarage am Standort Ungargasse vorbei, sondern auch der E-Paketwagen wie der zuletzt verbliebenen ÖAF 5 ENO und 2 ENO. Nachfolger wurden getestet, aber größere Bestellungen scheiterten an Preis, Zuverlässigkeit und Nutzbarkeit. Erst die jüngste E-Mobilitätswelle erlaubt einen neuen Einstieg.

E-Mobilität startete mit Porsche

Seit ’12 ist die Post eine der acht staatlich geförderten Modellregionen für E-Mobilität (www.klimafonds.gv.at). Die Post hat mit 9200 Fahrzeugen Österreichs größte Firmenflotte. CO2-Ausstoß ’12: 70.800 t (–30 % gegenüber 2008). Zentrum der Modellregion E-Post ist der Großraum Wien. Bis ’15 sollen 300 E-Autos, 300 E-Mopeds und 500 E-Räder angeschafft werden.

Im Postzentrum Wien-Inzersdorf entsteht zudem eine der größten PV-Dachanlagen mit 30.000 für 893.000 kWh Strom/Jahr. Ziel der Post: CO2-neutrale Brief- und Paketzustellung. Bereits 1913 startete der erste E-Paketwagen mit Lohner-Porsche-Radnabenmotoren. Vorteil der E-Lkw: Sie waren um 20 % billiger als Benzin-Lkw und 50 % billiger als Pferde-Fuhrwerke. Die Zäsur brachte der 1. Weltkrieg. Benzin- und Diesel-Lkw hatten bessere Reichweiten. Dennoch waren danach wieder E-Paketwagen unterwegs. Ihre Höchstzahl war 1954 mit 185 E-Wagen erreicht, danach wurden es immer weniger. Zuletzt waren sie gefürchtet ob des Schneckentempos und der Reparaturanfälligkeit.

Kommentare

Kurier.tvMotor.atKurier.atFreizeit.atFilm.atImmmopartnersuchepartnersucheSpieleCreated by Icons Producer from the Noun Project profilkat