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Technik

Auto-Elektronik: Der nächste Rückzieher

Warum Autozulieferer und -entwickler so stark auf 48 Volt gehofft haben.

von Maria Brandl

10/30/2013, 11:58 AM

Wenn’s um Einsparung von Kraftstoff und somit CO2-Reduktion geht, führt an der Elektrifizierung kein Weg vorbei. Immer mehr mechanische und ungeregelte Systeme werden elektrifiziert und so regelbar, von der Servolenkung bis zum Klimakompressor. Dazu kommen Start-Stopp, Bremsenergierückgewinnung, Segeln und sogar einfache Formen der Hybridisierung, die mit dem Generator und der Bleibatterie umgesetzt werden, die „seit den 60er Jahren nahezu unverändert“ geblieben sind, so Andre Radon, Audi, auf dem VDI-Elektronik-Kongress in Baden-Baden.

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Überlastung Unter diesen Rahmenbedingungen „stößt das 12-V-Bordnetz zunehmend an seine Grenzen“, so Radon. Es brauche nicht nur „größere und effizientere Generatoren, sondern auch zyklenfeste und performante Speicher.“ AMG etwa hat im S 63 AMG die Bleibatterie bereits durch einen Lithium-Akku ersetzt. In Vorbereitung ist die Anhebung der Spannung auf 48 V. Als Erstes nur für einen Teilbereich, für Großverbraucher wie Sitzheizung oder Fahrzeugstabilisierung. Für die Mehrheit dagegen soll das 12-V-Netz beibehalten werden, schon aus Kostengründen – man hat aus dem Debakel rund um die abgesagte 42-V-Einführung um 2000 gelernt.

Herausforderungen In Deutschland haben sich Audi, BMW, Daimler, Porsche und VW schon vor Jahren zusammengetan, um gemeinsam eine Spezifikation für 48 V zu erarbeiten und die mit 48 V verbundenen Herausforderungen effizient zu lösen. Großer Aufwand wurde auch bei anderen europäischen Autoherstellern und vor allem den Zulieferern betrieben. Halbleiterspezialisten wie die steirische AMS aus Unterpremstätten stellten auf dem Kongress Lösungen für ein Zweispannungsbordnetz mit 12 und 48 V vor. Gearbeitet wurde zudem intensiv an den Themen Lichtbogen, Kurzschluss zwischen den beiden Spannungen, elektromagnetische Verträglichkeit und Vernetzung, aber auch Koordination beider Spannungen an Bord. 48 V hat für die Techniker den großen Vorteil, dass man ohne zusätzlichen Berührschutz (bei Gleichstrom) auskommt, erst ab 60 V bedarf es auch in Autowerkstätten einer aufwendigeren Ausstattung und speziell geschulter Mitarbeiter.

Möglichkeiten Für die Entwickler bietet die stufenweise Einführung von 48 V eine zukunftsfähige Basis für kommende Innovationen wie etwa dem E-Turbo.

Aber auch bekannte Systeme sparen damit mehr. So ist „Segeln“, das entkoppelte Dahingleiten, auch mit 12 V möglich, aber Bremsenergie kann derzeit bei abgekoppeltem Generator nicht rekuperiert werden. Das geht nur mit getriebegebundenen Generatoren. Auch hängt die Menge der rekuperierbaren Bremsenergie von der Leistungsfähigkeit des Generators sowie der Batterie ab. 48 V und Lithium-Akkus bieten da große Vorteile. Bosch spricht von 7 % Spriteinsparung bei relativ geringen Kosten. Die bessere Bremsenergierückgewinnung wird mit dem neuen Verbrauchszyklus WLTP noch wichtiger. Er ist praxisnäher als der aktuelle Zyklus und hat mehr Verzögerungen.

Mit 48-V-Generatoren kann zudem der Verbrennungsmotor in verbrauchsgünstigere Betriebspunkte „verschoben“ werden, ähnlich wie dies heute nur mit viel aufwendigeren Hybridantrieben möglich ist.

Einen großen Vorteil verspricht 48 V auch für die Waage. Durch die höhere Spannung reichen viel dünnere Leitungen. Selbst mit herkömmlichen Kupferkabeln lässt sich eine Gewichtsreduktion von mehr als 80 % erzielen.

Veto Das Veto der deutschen Kanzlerin, mit dem das CO2-Ziel für 2020 von 95 g/km Durchschnittsverbrauch verschoben und so das Hauptargument für 48 V obsolet wird, enttäuschte Entwickler der Autofirmen wie Zulieferer sichtlich. Sie erfuhren davon auf dem Kongress.

Deutsches Eigentor

Diesmal war man ganz sicher, dass der große Wurf gelingen werde. Nach dem 42-V-Debakel vor 10 Jahren hatte man die Einführung von 48V als zweite Bordspannung für Großverbraucher im Auto besonders gut vorbereitet, auch die Technik erschien ausreichend billig und ausgereift.

Der Umstieg erschien dringend nötig: Das aktuelle Bordnetz stößt in Anbetracht der steigenden Komfort-, Sicherheits- und Infotainment-Ausstattung immer öfter an seine Grenzen. Bereits in einem Mittelklasseauto wiegt das Bordnetz 40 kg, sind 2000 m Kabel verlegt (s. Seite 3). CO2-Sparmaßnahmen wie eine höhere Rückgewinnung von Bremsenergie sind nicht möglich. Mit dem Umstieg auf 48V für Großverbraucher wollte man nicht nur das ermöglichen, sondern auch die Ausfallsicherheit des Bordnetzes erhöhen, zugleich Gewicht senken und so zusätzlich CO2 sparen.

Doch daraus wird nichts. Frau Merkel hat durch ihr Veto die EU-weit geplante Senkung des mittleren Verbrauchs von Pkw auf 95 g CO2 pro km bis 2020 verschoben. Innovationen wie das 48-V-Netz sind damit nicht nötig. Einige deutsche Autobosse freuen sich, aber nicht nur Jean-Marc Gales, Chef der europäischen Autozulieferer, warnt in der Automobilwoche, dass wir so „in Europa unseren technologischen Vorsprung einbüßen.“ Milliarden-Investitionen sind weitgehend umsonst, die asiatische Konkurrenz darf aufatmen. Europa könnte Tausende Jobs verlieren.

Deutschland könnte dieses Eigentor noch teuer kommen.

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