BOSCH; Dr Bernd Bohr
BOSCH; Dr Bernd Bohr

© Werk/Bosch

Bernd Bohr

"Das ist nichts für Zaghafte"

Bernd Bohr, Chef der Bosch Kfz-Technik, über teure Akkus, billiges Gas und autonomes Fahren.

von Maria Brandl

04/05/2013, 04:53 AM

KURIER: Der Absatz von Elektroautos ist sehr verhalten. Teilen Sie die Enttäuschung?

Bernd Bohr: Bosch war mit seinen Vorhersagen immer als konservativ verschrien. Wir rechnen für 2020 weiterhin mit einem Marktanteil von 3 % weltweit für reinen Elektroantrieb und 3 % für Plug-in-Hybrid-Antrieb. Diesen hätten wir früher nicht so stark eingeschätzt. Plug-in-Hybrid-Antriebe sind vor allem für europäische Premium-Fahrzeuge sehr interessant. Wir investieren weiter kräftig in diese Technologie, 400 Mio. Euro jährlich.

Können Sie neue Modelle verraten, wo Bosch drinsteckt?

Wir liefern etwa für den Fiat 500 Elektro (Anm. für US-Markt) Leistungselektronik, E-Maschine und Batterietechnik. Auch der Plug-in-Hybrid-Antrieb für den Porsche Panamera wurde mit Bosch entwickelt.

ein ActiveCampaign Widget Platzhalter.

Wir würden hier gerne ein ActiveCampaign Widget zeigen. Leider haben Sie uns hierfür keine Zustimmung gegeben. Wenn Sie diesen anzeigen wollen, stimmen sie bitte ActiveCampaign zu.

Was ist der Hauptgrund, dass E-Autos nicht in größeren Stückzahlen produziert und verkauft werden?

Das Gesamtpaket inklusive Batteriekosten und Reichweite ist noch nicht so rund, dass es massenmarkttauglich ist. Reiner Elektro-Antrieb wird vorerst einem Nischenmarkt, Stadt- und Premiumfahrzeugen wie dem BMW i3, vorbehalten bleiben.

Welche Kostensprünge halten Sie bei Lithium-Akkus bis 2020 für möglich?

Wir glauben, dass ein Faktor zwei bis drei, eher drei mit Kooperationen, gelingen kann.

Wie auch der E-Smart zeigt, dauert das Hochfahren einer eigenen Lithium-Ionen-Batterieproduktion deutlich länger als erwartet. Hat man in Europa diesbezüglich die Schwierigkeiten unterschätzt?

Bei einer neuen Technik ist es wichtig, sie auf dem Markt zu haben, da lernt man wahnsinnig viel. Darüberhinaus braucht es auch ein gewisses Marktvolumen.

Kann Europa den Rückstand bei der Lithium-Ionen-Technologie gegenüber Asien schnell genug aufholen?

Wir sind da zuversichtlich.

Was kann Europa besser?

Bei Leistungselektronik, Batterie und Fahrzyklusabstimmung haben wir noch mehrere Trümpfe im Ärmel.

Für viele war das Joint Venture SB LiMotive von Bosch und Samsung ein Vorzeigeprojekt für die Lithium-Ionen-Batterienentwicklung, auch für Europa. Durch die „Scheidung“ ist nun wieder alles anders.

Bosch hat trotz Trennung Zugriff auf alle Patente, die im Zuge des Joint Ventures entstanden. Auch die Bereiche Batteriemanagement und Packaging gingen an Bosch, die Zellenentwicklung und die Fabrikation dagegen übernahm Samsung.

Wann wird die neue Batterienfertigung von Bosch in Deutschland in Betrieb gehen?

Frühestens 2017, in Europa.

Was kostet ein neues Lithium-Ionen-Batterien-Werk?

Analysten reden von einem 25-Milliarden-Euro-Markt weltweit bei einem Anteil von 3 % für Elektrofahrzeuge am Gesamtmarkt. Nach der allgemeinen Formel sind das 20 Mrd. € Investitionsbedarf für die Produktionswerke. Wer wie wir 10 % Marktanteil haben will, muss 2 Mrd. in die Hand nehmen. Das ist nichts für Zaghafte.

Toyota kündigt bereits die gegenüber der Lithium-Ionen-Batterie deutlich leistungsfähigere Lithium-Luft-Batterie als Nächstes an.

Ich sehe Lithium-Schwefel als nächsten Schritt in der Batterienentwicklung. Viele Themen, die mit Lithium-Schwefel zu lösen sind, gelten auch für Lithium-Luft-Akkus. Wann Lithium-Ionen-Akkus abgelöst werden, hängt von der Zeit ab, die man bis zur Serienreife von Lithium-Schwefel-Akkus noch braucht. Ich rechne mit sechs bis sieben Jahren.

Ändert der neue Brennstoffzellen-Vorstoß von Daimler, Ford und Nissan etwas an der Bosch-Strategie?

Wir haben weiterhin kein großes Interesse daran. Wir sehen ihren Serienstart wieder nach hinten wandern.

Nach wie vor auf sich warten lässt auch der Durchbruch des Diesel in den USA. Bedeutet das billige Schiefergas das endgültige Aus für den Diesel?

Es stimmt, dass der Diesel in den vergangenen Jahren unter unseren Erwartungen blieb. Doch in den nächsten Jahren wird der Dieselanteil auch in den USA steigen. Mit dem Chevrolet Cruze kommt das erste uramerikanische Auto mit einem Dieselmotor. Auch der neue Grand Cherokee wird mit Diesel verkauft. Das ist auch genau die Fahrzeugklasse, wo nach Bosch-Meinung der Diesel hineingehört. Je nach Marktakzeptanz halte ich 10 % Dieselanteil in den USA für möglich, europäische Werte sicher nicht. Sehr gut entwickelt sich der Diesel aber auch in Indien und in Südkorea.

Umweltschützer befürchten, dass das billige US-Gas die Klimaziele aufweichen könnte.

Der Gasboom wird dem Verbrennungsmotor gut tun. Ich sehe die Umstellung auf Gas vorerst nicht für Pkw, da in den USA eine Gas-Tankinfrastruktur erst aufgebaut werden muss. Daher sehe ich den Einsatz zuerst bei schweren Lkw. Oder bei Lokomotiven, die übrigens mit Bosch-Technik aus Hallein unterwegs sind. Mich überrascht eher, wie wenig Gas bei uns gepusht wird. Dabei ist mit Gas mit konventioneller Technik ein Vorteil von 25 % möglich.

Eine andere beliebte und relativ kostengünstige Sparvariante sind verkleinerte Benziner mit Direkteinspritzung und Aufladung, so genannte Downsizing-Motoren. Wie schätzen Sie deren künftiges Potenzial ein?

Wir von Bosch erleben hier Steigerungen von 50 % pro Jahr und machen mit diesen Systemen einen Umsatz von 1,3 Milliarden Euro. 2012 produzierte Bosch 5 Millionen Pumpen sowie 21 Millionen Einspritzventile für Hochdruck-Benzindirekteinspritzer. Und das Geschäft wächst weiter, gerade in den USA ist diese Technologie stark im Kommen. In Europa wird dieses Konzept Diesel-Anteile kosten, vor allem bei kleinen Dieselmotoren nach der Einführung von Euro 6 (Anm. Pflicht ab 2015), da ist die Abgasnachbehandlung doch sehr aufwendig. Für Autos mit geringer Fahrleistung sind die kleinen aufgeladenen Benziner schon heute eine günstige Alternative.

Das scheint für die aufwendigere Sparvariante, Benzindirekteinspritzer mit Magerbetrieb, nicht zu gelten.

Das ist ein Kosten-Nutzen-Problem. Dafür braucht es Piezo-Aktuatoren und eine zusätzliche Entstickung. Die Industrie rechnet da immer nach Aufwand in Euro pro Gramm-Einsparung. Aber diese Motoren könnten trotzdem künftig zunehmen.

Dagegen scheint Start-Stopp in Europa Standard zu werden.

Es ist Standard. Künftige Modelle kommen dann mit der Zusatzfunktion Segeln (Anm. Motor geht aus, sobald Lenker vom Gas geht), was den Spareffekt weiter erhöht. Wir entwickeln derzeit einen elektrischen Kupplungssteller, der dies auch bei handgeschalteten Fahrzeugen ermöglicht.

Nicht nur die Autos in Europa werden sparsamer, sondern auch die Käufer.

Bosch wird trotzdem wachsen, weil die Bereiche Benzindirekteinspritzung, Elektrifizierung des Antriebsstranges, Start-Stopp sowie Fahrerassistenz weiter zulegen.

Apropos Fahrerassistenz. Jüngste Modelle verstärken den Eindruck, dass europäische Autohersteller Geld lieber in neue Fahrerassistenz-Systeme stecken als in den Antrieb.

Das eine, den Antrieb, muss man machen, das andere, die Fahrerassistenz, will man machen, um sich am Markt zu differenzieren. Fahrerassistenzsysteme sind für den Kunden auch im Stau eine erlebbare Funktion. Diese Entwicklung wird sehr spannend werden, denn die Technologie, die dahintersteckt, ist hochkomplex. Dies gilt insbesondere für das automatisierte Fahren, das ab einem gewissen Punkt enorme Datenbanken im Hintergrund und eine dreidimensionale Erfassung der Fahrzeuge benötigt.

Aber der Automarkt insgesamt in Europa wird heuer schrumpfen?

Die Hauptmärkte werden sich weiter Richtung Osten verlagern, Richtung China, Indien. China braucht neue Technologien, um die Smogbelastung in den Griff zu bekommen, das bietet auch Bosch gute Absatzchancen. Auch die USA sind wieder Wachstumsmarkt. Afrika bleibt vorerst für Bosch vor allem ein Nachrüstmarkt. Was Europa betrifft, so muss man differenzieren. Die Schwäche betrifft vor allem Südeuropa mit starkem Diesel-Anteil. Insgesamt werden heuer die Bäume nicht in den Himmel wachsen, aber wir erwarten trotzdem ein gutes Geschäftsjahr.

Raue Gewässer gewöhnt

Bohr wurde 1956 in Mannheim geboren. Er studierte Fertigungstech- nik an der Uni Aachen und promo- vierte 1983 zum Dr.-Ing. Seit 1983 ist er bei Bosch. Zuerst in verschie- denen Funktionen in der Fertigungs- vorbereitung im Werk Reutlingen. 1989 wurde er Assistent der Ge- schäftsführung der R. Bosch GmbH, 1993 Geschäftsleiter Fertigung bei der Bosch-Tochter Nippon ABS Ltd. in Japan, 1996 Fertigungsleiter für Halbleiter und elektronische Steuer- geräte, 1998 globaler Entwicklungs- leiter weltweit für ABS und Bremse, 1999 Geschäftsführer der Robert Bosch GmbH. Vor Kurzem teilte er überraschend mit, Mitte 2013 Bosch aus persönlichen Gründen zu verlassen. Bohr ist verheiratet und begeisterter Segler, auch in rauer See.


Kommentare

Kurier.tvMotor.atKurier.atFreizeit.atFilm.atImmmopartnersuchepartnersucheSpieleCreated by Icons Producer from the Noun Project profilkat