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Der neue Mercedes-AMG GT 4-Türer im Fahrbericht

Vermutlich der beste, kompletteste Performance-Viertürer auf Gottes Erdboden.

10/01/2018, 05:00 PM

Der Regen stürzt die Windschutzscheibe hinunter und macht mich förmlich blind, als ich mit keinen 40 km/h auf irgendeiner Straße im Hill Country bei Austin, Texas vor mich hin dümple. Forrest Gump würde das hier den „big, ol fat rain" nennen und die Wischer des Mercedes-AMG GT 53 4-Türers (was für ein sperriger Name) geben alles, mühen sich aber weitgehend vergeblich.

Es sind nicht wirklich ideale Bedingungen, um das neueste Produkt der verrückten Jungs aus Affalterbach zu testen. Aber es hilft ja nichts. Ein Boot wäre wohl gerade die bessere Wahl, aber auch mit dem 4-Türer-GT kann ich ziemlich gut leben. Tatsächlich fällt mir im Moment kein Fahrzeug ein, in dem ich lieber sitzen würde. Der Mercedes-AMG GT 4-Türer ist vermutlich die beste Performance-Limousine, die ich je fahren durfte.

Er verwöhnt dich ja nicht nur mit seiner Fahrerei, es geht schon damit los, wie du drin sitzt. Wobei sitzen vielleicht nicht das richtige Wort ist. Na gut, hier drin wirkt es schon noch mehr wie in einer E-Klasse als im Sportwagen-Bruder AMG GT. Mit dem hohen Getriebetunnel, der den Innenraum förmlich halbiert, den fast schon Rennauto-esken Sitzen, die Körperteile packen, von denen du gar nicht wußtest, dass du sie hast und dem fetten Lenkrad, das fast auf deinem Schoß pflunzt, umschließt dich der GT 4-Türer wie das weltschnellste Cape.

Apropos Lenkrad: Auf dem Alcantara-Rundling haben sich ein paar neue, sehr nützliche Funktionen eingenistet. Auf 5 und 7 Uhr ragen winzige Stege unter der Airbagabdeckung hervor - auf der linken Seite befinden sich zwei TFT-Displays mit Tasten für die Steuerung der Dämpfer und des Auspuffs. Auf der rechten Seite befinden sich ein TFT-Display und ein Drehregler für schnelleres Umschalten zwischen den Fahrmodi.

Erst mal „klein“ anfangen mit dem GT 53

Als der Himmel aufklart, kann ich den GT 53 und seinen innovativen Antriebsstrang endlich besser kennenlernen. Den neuen 3,0-Liter-Turbo-Reihensechszylinder kennen wir bereits aus dem CLS. Er kombiniert seinen klassischen Verbrenner mit EQ Boost - dem neuen Mild-Hybrid-System von Mercedes. Im Wesentlichen ein Starter-Generator, der zwischen Motor und Getriebe geschoben wird und bis zu 22 PS und 250 Nm extra freilässt . EQ Boost liefert auch Strom für ein 48-Volt-Batteriepaket, das die Scheinwerfer sowie Infotainment- und Cockpitsysteme des GT antreibt.

Lassen Sie sich nicht vom Begriff „Hybrid“ einschüchtern, liebe Sportwagen-Fans - der GT 53 ist reichlich schnell. 435 PS und 520 Nm Drehmoment befördern ihn in 4,4 Sekunden von 0-100 km/h und auf maximal 280 Sachen. Das hier ist definitiv kein Prius. Der GT53 fährt und klingt fantastisch.

Der Reihensechser geht seiner Arbeit wunderbar geschmeidig und stimmungsvoll nach. Der Dreiliter ist sonor, kann aber auch ziemlich eindringlich. Unter hartem Gaseinsatz und im aggressivsten der sechs Fahrmodi knallt und krakeelt er schon sehr ordentlich.

Die tatsächlichen Auswirkungen von EQ Boost sind in der Tat recht schwer zu erkennen. Der GT53 hat mehr als genug Leistung, es mangelt ihm nie an Drehmoment, und dank des beschriebenen Klangbilds ist es eine Freude, ihn schön auszuwringen. Der GT53 fühlt sich nicht an wie ein Hybrid; er fühlt an sich wie ein AMG an, der zufällig ein (kleines) Hybridsystem an Bord hat.

Der GT 63 S ist schwer, aber haarsträubend gut

Aber seien Sie ehrlich, Sie haben nicht wirklich diesen Artikel angeklickt, um zu lesen, wie der 53er fährt. Ein beeindruckendes Auto klar, aber der Star der GT-Show ist der GT 63 mit dem bekannt irren 4,0-Liter-Biturbo-V8. Wie im E 63 gibt es eine „Basisversion“ mit 585 PS und 800 Nm, die in 3,3 Sekunden von 0-100 km/h stürmt. Sie werden dieses Auto nicht wollen. Nicht weil es nicht gut ist. Bestimmt nicht. Aber der GT 63 S macht noch so viel mehr her.

Er bringt es auf 639 PS und 900 Newtonmeter. Damit ist er der stärkste AMG, der derzeit angeboten wird. Von 0-100 km/h geht es in irren 3,1 Sekunden. Damit ist er schneller als eine Corvette Z06 (3,2 Sekunden), ein McLaren 570S (3,4 Sekunden) und er ist auch schneller als sein zweisitziger Bruder AMG GT R, der im Vergleich fast schon behäbige 3,6 Sekunden braucht.

Allrad macht es möglich. Da spielt selbst die Leibesfülle des GT 4-Türers keine Rolle mehr. Im Prinzip basiert er auf der MRA-Plattform, die auch E-Klasse und CLS nutzen. Technisch ist er weitgehend ein E 63. Allerdings wurde er deutlich steifer gemacht. Und er nutzt Leichtbau-Materialien wie Carbon, hochfeste Stähle oder mehr Aluminium im Chassis. Nichtsdestotrotz ist der GT 63 S mit 2.045 Kilo (leer) ein ganz schöner Panzer.

Was ihn übrigens nicht davon abhält, Ihnen das Hirn aus dem Schädel zu beschleunigen. Zusammen mit den typischen AMG-Weltuntergangs-Röhren unter Volllast ein mehr als eindringliches Erlebnis.

Verantwortlich für all diese Sensationen sind natürlich auch der 4Matic-Allrad (wie beim E 63 lässt sich vortrefflicherweise auch hier die Vorderachse abschalten und in den hemmungslosen Driftmode wechseln) sowie die gloriose Neungang-Automatik. Die Automatik reagiert mit nullkommanull Verzögerung und knallt Ihnen die Gänge mit selten gesehener Geschwindigkeit um die Ohren. Viel besser kannst du so eine Box nicht abstimmen.

Tja, und mit dem Allrad hast du trotz der Übermacht des Achtzylinders natürlich wenig Sorgen. Die Griplevels sind wirklich verblüffend hoch, was im Umkehrschluss bedeutet: Das einzige Drama, dass du beim Beschleunigen oder am Kurvenausgang erlebst, ist der Anschlag der G-Kräfte auf deine Anatomie.

Die Annäherung an genannte Kurven, sei es auf der Strecke oder auf der Straße, ist dank der Hinterachslenkung des GT 63 S ebenso bemerkenswert. Die mitlenkenden Hinterräder dynamisieren das Auto schon arg.

 

"Das Auto lässt genug Schlupf zu, damit Sie sich heldenhaft fühlen können, rettet Sie aber, wenn Sie mal wieder zu viel Unsinn im Sinn hatten."

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Was sicher auch dazu beiträgt, dass der GT 63 Kurven mit fast schon beängstigender Aggressivität angreift. Vor allem, wenn Sie bedenken, in was für einem Riesenkerl Sie da gerade sitzen. Er lenkt schärfer und schneller ein als jede andere Groß-Limousine, die ich bisher erlebt habe. Mit viel Biss und Gefühl auf der Vorderachse. Untersteuern ist kein Thema, auch nicht auf einem eher heißen Circuit of the Americas in Austin. Zumindest nicht, wenn Sie es mit der Kurveneinfahr-Geschwindigkeit nicht völlig übertreiben. Aber das wäre dann eher Ihre Schuld und nicht die des Autos.

Aber klar, der GT 4-Türer kann auch anders. Er wird schon recht – ähem – munter, wenn Sie es wollen. Mercedes installiert gleich sechs Fahrmodi – Komfort, Sport, Sport +, Individual, Race und Regen – und fügt ein neues AMG Dynamics System hinzu, das so ziemlich alles von der Stabilitätskontrolle über den Allradantrieb bis hin zur Hinterachslenkung und dem hinteren Sperrdifferenzial verwaltet. Es gibt hier vier Einstellungen - Basic, Advanced, Pro und Master -, mit denen Sie Ihr Fahrerlebnis tunen können, ohne dass Sie gleich den ESP-Rettungsanker über Bord werfen müssen.

In einem der aggressivsten Setups (Race-Modus, Dynamik auf „Master“, ESP nicht ganz aus) können Sie den GT 63 bedenkenlos um die Ecke werfen. Das Auto lässt genug Schlupf zu, damit Sie sich heldenhaft fühlen können, rettet Sie aber, wenn Sie mal wieder zu viel Unsinn im Sinn hatten. Naja, und wenn Sie völlig durchdrehen wollen, gibt es ja immer noch den Driftmode.

Sie sehen schon, es ist nicht all zu schwer, den GT 4-Türer mit reichlich Lob zu überschütten. Schwieriger ist es da schon, herauszufinden, wo genau sein Platz auf dem Markt ist. Die erste eigene Limousine von AMG ist beileibe kein kleines Fahrzeug, allerdings fühlt sie sich aggressiver und enger an als ein Porsche Panamera. Gleiches gilt im Vergleich zum BMW M5. Fahrspaß- und Drama-technisch überflügelt der AMG die beiden Platzhirsche meiner Meinung nach. Da ist er schon fast näher am AMG GT, seinem zweitürigen Bruder. Allerdings können Sie den 4-Türer problemlos jeden Tag fahren. Auch wenn Sie oft mehrere Menschen und Dinge transportierten. Mit einem AMG GT R wird das eher schwierig.

Preise

Fehlen noch die Preise: Der 585 PS starke AMG GT 63 ist in Österreich ab 187.340 Euro zu haben, die 639 PS starke S-Variante kostet mindestens 204.190 Euro.

Ich bin mir aber relativ sicher, dass der GT 4-Türer auf meiner Shortlist stehen würde, wenn ich das nötige Kleingeld hätte. Die vernünftige Alternative ist natürlich der GT 53: das weniger hektische, weniger aggressive und deutlich günstigere Auto (das immer noch stolze 138.170 Euro kostet). Und dann gibt es ja noch den GT 43 mit 367 PS, der für erfreulichere 111.600 Euro den Besitzer wechselt. Wie auch immer Sie sich letztlich entscheiden mögen, Sie kriegen mit dem neuen Mercedes-AMG GT 4-Türer – zumindest meiner Meinung nach – den aktuellen König der Performance-Limousinen.

 

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