Didier Leroy, Toyota
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Didier Leroy: "Große Veränderung für Toyota."

Der Franzose Didier Leroy wurde von der Haupversammlung der Toyota Motor Corporation als erster nicht-japanischer Executive Vice President von Toyota bestellt. Das Motor-KURIER-Interview mit dem bisherigen Toyota Europa-Chef im Wortlaut.

von Horst Bauer

06/17/2015, 10:12 AM

Es ist eine Revolution für den größten Autoproduzenten der Welt. Erstmals in der Geschichte von Toyota wurde ein Nicht-Japaner mit einer der wichtigsten Management-Aufgaben des Herstellers weltweit betraut und gleichzeitig in den Vorstand des Mutterkonzerns in Tokio berufen. Trotz seines dadurch noch dichter werdenden Zeitplans nahm sich Didier Leroy in seinem Büro in Brüssel Zeit für ein Exklusiv-Gespräch mit Motor-KURIER-Leiter Horst Bauer.

Motor-KURIER: Toyota war der Pionier bei der Hybrid-Technologie und macht jetzt mit dem Brennstoffzellen-Auto Mirai einen Schritt in die Zukunft. Aber was ist mit dem Plug-in-Hybrid, den viele Hersteller jetzt auf den Markt bringen. Warum hat Toyota da nur ein einziges Modell im Angebot?


Didier Leroy: Es ist schwer für einen Hersteller, all diese Technologien parallel zu entwickeln. Wir haben vom reinen E-Mobil wie dem I-Road über eine volle Palette an Hybridmodellen und einem Plug-in bis zur Brennstoffzelle alles im Angebot. Wenn man sich die meisten unserer Konkurrenten ansieht, die jetzt mit Plug-in-Modellen kommen, dann haben diese nur eine oder zwei dieser Technologien im Angebot. Außerdem muss man bedenken, warum sich manche gerade so stark bei den Plug-in-Modellen engagieren. Der Hauptgrund ist, dass sie die-Limits für 2020 erreichen müssen. Und wenn sie keine Hybrid-Modelle haben und auch keine Brennstoffzelle, dann ist das ein Weg dazu. Durch unsere sparsamen Motoren und die volle Hybrid-Palette glauben wir aber, die -Ziele für 2020 auch so erreichen zu können. Dennoch werden wir Plug-in-Modelle auf den Markt bringen, aber nicht die volle Palette.

Lassen sich die Probleme bei der Einführung der Hybrid-Technologie mit jenen vergleichen, die dem Brennstoffzellen-Auto drohen?


Als wir mit Hybrid-Autos begonnen haben, waren wir allein – und das für viele Jahre. Und wir sind dafür von vielen Konkurrenten kritisiert worden, auch wenn diese inzwischen selbst Hybrid-Modelle anbieten. Wir haben also alleine daran arbeiten müssen, den Kunden die Hybrid-Technik und ihre Vorteile zu erklären. Bei der Brennstoffzelle ist es anders, weil viele Konkurrenten, auch wenn sie derzeit noch nicht bereit dafür sind, werden in den nächsten zwei oder drei Jahren selbst Modelle mit Brennstoffzellen einführen. Ein weiterer entscheidender Unterschied ist, dass wir unsere vielen Patente für die Brennstoffzellen-Entwicklung gerade freigegeben haben. Wir machen das nicht als Geschenk an unsere Konkurrenten. Wir glauben vielmehr, dass diese Technologie, die so positive Auswirkungen auf den Klimawandel und die Luftgüte haben kann, auf weltweitem Niveau weiterentwickelt werden sollte, um viel schneller Ergebnisse zu bekommen, als wenn jeder Hersteller für sich alleine daran arbeiten würde.


Sehen Sie einen Verteilungskampf um die staatlichen Fördergelder zwischen denen, die ein Netz an Ladestationen für Elektro-Autos aufbauen wollen und den Befürwortern eines raschen Ausbaus der Wasserstoff-Infrastruktur?


Sie haben Recht, dass es in beiden Fällen einen starken Bedarf gibt, eine komplett neue Infrastruktur aufzubauen. Am Ende wird der Konsument entscheiden, was für ihn am besten ist, wenn es darum geht, emissionsfreie Autos zu bekommen. Welche Technologie sich durchsetzt, wird von vielen Faktoren abhängen, wie etwa von ihrer Leistbarkeit oder den Unterhaltskosten. Unsere Vision dabei ist, dass es nicht um einen Kampf der Systeme geht. Denn wir glauben an reine Elektromobilität für die urbanen Bereiche. wo es auch eine Infrastruktur dafür geben wird. Und die Wasserstoff-Infrastruktur wird es für die Mittel- und Langstrecken-Mobilität geben. In der Diskussion um den Kampf der Systeme geht es doch zwischen den Staaten hauptsächlich darum, welche Industrie oder welcher Autohersteller soll beschützt werden. Da geht es mehr um Protektionismus als um die Technologie.


Stichwort Politik . Wie sehen Sie die Herausforderung, die auf die Autoindustrie mit den Plänen der EU zukommt, die -Grenzwerte für den Flottenverbrauch nach 2020 weiter zu senken?


Wir haben uns mit den anderen Autoherstellern in der ACEA (Verband der Autohersteller in Europa, Anm. d. Red.) darüber verständigt, dass unser gemeinsames Ziel, bis 2020/2021 die Grenze von 95 Gramm pro Kilometer für den Flottenverbrauch zu erreichen, eine sehr große Herausforderung darstellt. Dafür müssen alle sehr viel Geld in neue Technologien investieren, und es wird sehr schwer, das Ziel zu erreichen. Aber alle akzeptieren das. Gleichzeitig wissen wir auch, dass ein großer Teil der Emissionen von den alten Autos stammt. Durch die Erneuerung des Fuhrparks wird sich also automatisch eine starke Reduzierung der -Emissionen gegenüber dem heutigen Stand ergeben. Wenn wir dann den nächsten Schritt der Reduzierung machen, dürfen wir kein Handicap für die europäischen Hersteller gegenüber denen im Rest der Welt schaffen, wenn wir ein zu ambitioniertes Ziel vorgeben. Die Bitte ist also, gebt uns genügend Vorlaufzeit, um die neuen Grenzwerte erreichen zu können, ohne das Auto für die Konsumenten unerschwinglich zu machen. Überdies muss man auch bedenken, dass wir in der Autoindustrie uns viel schneller verbessern, als die anderen -emittierenden Industriezweige. Wir können nicht die einzigen sein, die für den Klimawandel verantwortlich gemacht werden, wenn wir je nach Weltgegend nur für rund 25 bis 40 % der Emissionen verantwortlich sind. Die für die anderen 60 bis 75 % Zuständigen müssen auch in die Verantwortung genommen werden, nicht nur die viel sichtbarere Autoindustrie.“

Wie wird sich der Automarkt in Europa heuer entwickeln? Gibt es ein stabiles Wachstum?


Vorhersagen werden da immer schwieriger. In Westeuropa ist die Entwicklung der Märkte heuer in einem guten Trend. Im Süden, wie in Italien und Spanien sehen wir nach dem großen Einbruch heuer eine rasche Erholung. Aber von einem sehr niedrigen Niveau aus, das heißt, dass die Prozentzahlen hoch sind, aber die Stückzahlen noch sehr begrenzt. Aber dadurch, dass der russische Markt zu Toyota Motor Europe gehört, haben wir natürlich negative Auswirkungen. Zur Illustrierung: Vor zwei Jahren war der russische Markt 2,9 Millionen Autos schwer, im Vorjahr waren es noch 2,5 Millionen dank eines Verkaufsbooms in den letzten Monaten, weil die Leute der Entwertung des Rubels entgehen wollten. Heuer rechnen wir mit rund 1,5 bis 1,6 Millionen Einheiten, also einem Rückgang von einer Million in einem Jahr.

Alle Hersteller gehen davon aus, in Russland Geld zu verlieren, manche haben sich schon ganz zurückgezogen. Wie viel wird Sie das Russlandgeschäft heuer kosten?


Glauben Sie mir, wir werden kein Geld verlieren. Wir haben die Preise erhöht, weil wir wegen des Rubelverfalls keine andere Wahl hatten. Und es hilft auch, dass wir im Premium-Segment des Marktes vertreten sind, das etwas weniger empfindlich ist. Was nicht heißt, dass nicht auch hier die Stückzahlen zurückgehen. Wir werden Russland nicht verlassen, sondern ab Mitte 2016 mit der Produktion des RAV4 in unserem Werk in Sankt Petersburg beginnen. Wir werden dort also weiter investieren, wo General Motors, genau gegenüber von uns auf der anderen Seite der Straße, beschlossen hat, aufzugeben.

Warum haben Sie Ihre Verkaufsziele für Deutschland vor Kurzem nach unten revidiert?


In Deutschland hat Toyota Jahre hindurch Geld verloren. So kann das nicht auf ewig weitergehen. Wir haben Respekt für unsere Händler und können uns nicht einfach zurückziehen. Aber gleichzeitig müssen wir überlegen, was die richtige Größe für unser Geschäft dort ist, ohne verrückt teure Verkaufs-Stützungen zu geben. Dann können wir von einem niedrigeren Niveau ausgehen und die Dinge neu entwickeln, um Wachstum zu generieren, das für die Händler und uns profitabel ist.

Wie wichtig ist es für Toyota, der größte Autohersteller der Welt zu sein?


Natürlich ist jeder in der Firma stolz darauf, die Nummer 1 zu sein. Da gibt es keinen Zweifel. Das Problem ist nur die Frage, wie haben wir das erreicht? Und wollen wir die Nummer 1 bleiben? Wenn wir das tun, indem wir Geld ausgeben und die Verkäufe in manchen Märkten stark unterstützen, dann führt das zu nichts. Das können wir für ein oder zwei Jahre machen, um am Ende des Rennens vielleicht noch einmal Gas zu geben, aber das ist nicht unsere Mittel- und Langfrist-Strategie. Die lautet, wir wollen weiterhin die Nummer 1 im Herzen des Konsumenten sein. Dass unsere Produkte gekauft werden wegen ihrer Qualität, ihrer Leistung, ihrer Technik, ihrer Dauerhaftigkeit und so weiter. Wenn wir deshalb die Nummer 1 bleiben können, ist das fantastisch. Aber wenn wir uns entscheiden müssten zwischen der Nummer 1 bei den Verkaufszahlen und der Nummer 1 im Herzen des Konsumenten, würden wir die zweite Option wählen. Auch wenn wir den Nummer-1-Platz bei den Stückzahlen verlieren würden. Denn der alleine hat überhaupt keine Bedeutung. Für uns ist klar, dass wir sicher kein Geld im Verkauf verlieren werden, nur um Stückzahlen zu machen.

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Sie haben neue Aufgaben bei Toyota übertragen bekommen. Was genau ist damit verbunden und wie wird das Ihren Job und Ihr Leben verändern?


Das sind zwei Schritte. Seit wenigen Wochen bin ich Präsident des Geschäftsbereichs Toyota 1 und von Mitte Juni an auch Executive Vice President der Toyota Motor Corporation. Das ist eine große Veränderung für den Konzern. Einmal, weil Akio Toyoda beschlossen hat, den Executive Vice Presidents der Toyota Motor Corporation neue weltweite Aufgabenbereiche zu übertragen. Und zusätzlich hat er alle bis auf zwei von ihnen zu Präsidenten einzelner Geschäftsbereiche gemacht. Den größten davon, Toyota 1, hat er mir übertragen. Der umfasst heute Europa mit Russland, Afrika, Nordamerika mit Kanada und Mexiko. Für diesen Bereich umfasst die Aufgabe die Verantwortung für Produktion, Forschung und Entwicklung, Einkauf, Marketing und Verkauf – und Letzteres zusätzlich auch für den japanischen Markt. Dazu kommen noch die Produktplanung, das Design und die Motorsportaktivitäten in dem gesamten Gebiet. Es ist dies das erste Mal, dass ein Nicht-Japaner diesen Job bekommen hat. Und auch das erste Mal, dass ein Executive Vice President nicht in Japan stationiert sein wird, weil mein Hauptbüro wird dieses hier in Brüssel bleiben. Insgesamt ist das also ein starkes Zeichen von Akio Toyoda, dass er dem Pass keine Bedeutung schenkt, wenn er jemanden in eine neue Funktion bestellt. Und dass Toyota immer mehr zu einem globalen Unternehmen wird, weil erstmals ein Executive Vice President nicht durchgehend in Japan ist. Das bedeutet für die Firma etwa, dass alle Dokumente in Englisch sein und die Meetings in der Zentrale auf unsere Reisepläne abgestimmt werden müssen.


Wie muss man sich das in der Praxis vorstellen? Wie werden Sie die Zeit zwischen den Kontinenten aufteilen?


Der theoretische Ablauf sieht so aus: Ich habe vor, eine Woche in Nordamerika zu sein, eine Woche in Japan, eine Woche in Europa und Afrika und eine Woche irgendwo in der Welt, wo es gerade notwendig ist.

Wie viel Zeit bleibt da noch, um zu Hause sein zu können?


Um ganz ehrlich zu sein, weiß ich derzeit selbst noch nicht genau, wie es möglich sein wird, all diese globalen Agenden unter einen Hut zu bringen. Das wird ein Lernprozess für alle Beteiligten. Aber zwei Punkte sind dabei sehr wichtig. Wenn man so eine Aufgabe übernimmt, muss man sich dem voll und ganz widmen. Aber man darf seine Familie dabei nicht vergessen. Wenn du das machst, wirst du irgendwann die Rechnung dafür zahlen müssen und du wirst deinen Job dadurch nicht effizient ausüben können. Die Frage ist, wie man in seinem Job voll aufgehen kann und dennoch, wenn man zu Hause ist – wenn auch nur für eine sehr kurze Zeit – bei seiner Frau, seinen Kindern oder seinen Enkelkindern – und ich habe seit Kurzem einen Enkelsohn – wie kann man sicher sein, diese Zeit maximal zu nützen. Und man muss natürlich von der Familie im Job durch viel Verständnis unterstützt werden. Wenn das nicht der Fall ist, dann hat man ein großes Problem.

Welche Autos interessieren Sie privat am meisten. Haben Sie ein paar Oldtimer in der Garage?


Ich liebe Supersportwagen wie den Lexus LFA, den Ferrari 458, Porsche 911 oder McLaren 650 S. Ich bin kein großer Fan von alten Autos, ich würde nicht stundenlang davor stehen bleiben, um sie mir genau anzusehen. Aber vor einen der erwähnten Sportwagen schon. Und in der Garage habe ich nur ein deutsches Motorrad, eine BMW. Meine Frau hat zwar gesagt, ich soll sie verkaufen, aber das werde ich nicht tun. Ich habe meinen Motorradführerschein erst mit 50 Jahren gemacht. Als ich jung war, hat meine Frau jede Idee in diese Richtung damit abgeblockt, dass sie gesagt hat, so wirst du zu einem Vorbild für deinen Sohn und deine Tochter und die werden auch einen Roller oder ein Motorrad haben wollen. Und wenn ihnen damit etwas passieren sollte, wirst du dir dein Leben lang Vorwürfe machen. Aber jetzt sind beide verheiratet und es besteht keine Gefahr mehr, dass sie mir alles nachmachen.

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