Belén Aranda Colás, Bosch
Belén Aranda Colás, Bosch

© /Werk/Bosch

Interview

Die größte Revolution seit Benz

Die Projektmanagerin und Produktstrategin für Automatisiertes Fahren bei Bosch im KURIER-Interview.

von Maria Brandl

07/01/2015, 08:28 AM

Kurier: Was würden Sie als größte Herausforderungen bei diesem System bezeichnen?

Aranda: Technisch liegt die größte Herausforderung darin, das Umfeld des Fahrzeugs zuverlässig zu erfassen, um daraus Entscheidungen für die konkrete Fahrzeugbewegung ableiten zu können. Das heißt zum Beispiel: Die Sensoren, die das Umfeld erfassen, müssen extrem robust sein und bei jedem Wetter funktionieren – auch bei Starkregen und Schnee. Denn wir werden beim hochautomatisierten Fahren zwar einen Menschen im Fahrersitz haben, aber er ist nicht aktiv.

Bis wann?

Erste hochautomatisierte Funktionen, wie das automatische Fahren auf der Autobahn, erwarten wir zu Beginn der nächsten Dekade. Ob diese Funktion 2020 auch bei Schnee bereits robust funktioniert und aktiviert werden kann, ist noch offen.

Viele Autofahrer können sich das aus heutiger Sicht gar nicht vorstellen. Gleichzeitig behaupten Techniker, dass die Komponenten fürs Automatisierte Fahren bereits fertig sind und nur mehr die rechtlichen Rahmenbedingungen fehlen.

Die Komponenten werden bis 2020 fertig sein. Hier sind wir auf einem sehr guten Weg. Aber zum automatisierten Fahren gehört natürlich noch mehr: Wir reden ja nicht nur von Sensoren, sondern von einer gesamten E/E-Architektur mit technischen Redundanzen. Meint: Wir müssen die Systeme so absichern, dass sie zu jeder Zeit auch ohne Eingriffe des Fahrers sicher funktionieren. Wir werden die Systeme bis 2020 für die Serie fertig haben, aber heute, 2015, sind wir noch nicht ganz so weit.

Wird’s dann spezielle Spuren oder Bereiche für diese Fahrzeuge geben?

Wir sind uns sicher, dass die ersten Funktionen auf der Autobahn kommen werden – auch weltweit gesehen. Die ersten Funktionen des hochautomatisierten Fahrens auf der Autobahn können meines Erachtens ohne extra dafür eingerichtete Spuren auskommen.

Werden zuerst Lkw oder die Pkw automatisch auf der Autobahn fahren?

Momentan konzentrieren wir uns auf Pkw, weil diese schon jetzt über Teilfunktionen des automatisierten Fahrens wie einen Stauassistenten oder automatisches Einparken verfügen. Ausgehend davon sind logische weitere Schritte etwa den Stauassistenten zu einem Staupiloten weiterzuentwickeln, bei dem der Fahrer nichts mehr machen muss. Als nächstes wird dann die Geschwindigkeit erhöht, bei der die automatisierten Fahrfunktionen aktiviert werden können. So kommen wir zu der schrittweisen Einführung des automatisierten Fahrens. Auch für Nutzfahrzeuge ist das Thema nicht zuletzt mit Blick auf die Lenkzeitenregelung extrem interessant, weil heute die Fahrer eine Pause machen müssen und nicht 24 Stunden durchfahren dürfen. Hochautomatisierte Funktionen hätten bei Nutzfahrzeugen den Charme, dass das Fahrzeug während der verordneten Pausen einfach weiterfährt. Für Speditionsfirmen wäre das wirtschaftlich ein riesiger Vorteil.

Immer vorausgesetzt, dass der Gesetzgeber mitspielt.

Genau, das ist die nächste Herausforderung. Die rechtlichen Rahmenbedingungen müssen mit den technischen Möglichkeiten Schritt halten.

Heute ist immer der Fahrer verantwortlich. Was ändert sich bei der Haftung?

Automatisiertes Fahren macht den Straßenverkehr sicherer, das zeigen Untersuchungen. Laut Prognose der Bosch-Unfallforschung kann die zunehmende Automatisierung die Unfallzahlen weiter senken, allein in Deutschland um bis zu ein Drittel. Und auch die Schwere der Unfälle wird gemildert. Davon profitieren nicht nur der Fahrer oder der Besitzer des Fahrzeugs, sondern auch alle anderen Verkehrsteilnehmer. Aber auch die Versicherungen haben weniger Schadensfälle. Aus unserer Sicht hält das derzeitige Haftungsgefüge grundsätzlich auch das automatisierte Fahren aus. Aber das werden primär die Versicherungen zu klären haben.

Aber dann liegt die Beweislast wieder beim Lenker?

Möglich wäre zum Beispiel, dass man sich an der Luftfahrt orientiert. Im Flugzeug wird auch aufgezeichnet, wer wann gesteuert hat, der Mensch oder die Technik. Die USA schreiben für automatisierte Fahrzeuge schon heute einen sogenannten Event Data Recorder vor, also eine Art Blackbox wie in Flugzeugen. In Europa gibt es dazu noch keine Entscheidung. In einem automatisiert fahrenden Fahrzeug muss der Fahrer das System bewusst einschalten. Wir möchten auch, dass der Fahrer in Zukunft die Freiheit hat zu entscheiden, ob er selber fahren will oder ob das Auto übernehmen soll.

Und wie funktioniert es umgekehrt, wenn der Mensch wieder übernehmen soll?

Aktuell geht man davon aus, dass es mindestens zehn Sekunden dauert, bis ein Fahrer die Situation erfasst hat und wieder in der Lage ist, das Steuer zu übernehmen. Das Auto wird ihn also rechtzeitig informieren, bevor eine automatisierte Fahrt endet.

Was passiert, wenn der Lenker nicht schnell genug reagiert?

Für den Fall, dass der Fahrer nicht übernehmen kann, weil er die Situation nicht versteht oder womöglich bewusstlos ist, muss das System das Fahrzeug in einen sicheren Zustand bringen. Das heißt, das Fahrzeug muss automatisch an den Straßenrand fahren und anhalten. Diese Absicherung muss beim hochautomatisierten Fahren unbedingt vorhanden sein, denn wir können nicht davon ausgehen, dass der Fahrer immer sofort in der Lage ist, die Fahraufgabe wieder zu übernehmen. Denkbar wäre in einer weiteren Ausbaustufe auch, dass das Fahrzeug gezielt den nächsten Parkplatz ansteuert und dort das Fahrzeug parkt.

Was ist das schlimmste Szenario, das Sie sich derzeit rund ums hochautomatisierte Fahren vorstellen könnten?

Das Schlimmste wäre, wenn das Auto in einer Situation, die nicht vorhersehbar ist, falsch reagiert.

Schimpfen Sie manchmal mit den Versuchsautos?

Wir arbeiten bei Bosch seit 2011 am automatisierten Fahren, seit Anfang 2013 sind wir mit Erprobungsfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr unterwegs. Im Laufe der Zeit entwickelt man tatsächlich eine Verbindung zum Fahrzeug, eine Art Beziehung. Wir, meine Kollegen und ich, ertappen uns manchmal dabei, dass wir mit dem Auto reden. Es gibt Tage, an denen ich schimpfe: Heute bist du aber eine Diva.

Fallen Sie im Verkehr auf?

Ja, unsere Erprobungsfahrzeuge sind auffällig beklebt und fallen deshalb im Straßenverkehr auf. Fahrer anderer Autos beobachten dann, ob wir die Hände am Lenkrad haben oder nicht. Wir fahren momentan auf der Autobahn im Raum Stuttgart mit maximal 120 Stundenkilometern. Unsere automatisierten Testfahrzeugen fahren sehr defensiv, so wie wir das alle irgendwann auch mal in der Fahrschule gelernt haben.

Wie viele km sind Sie schon gefahren?

Seit Anfang 2013 sind wir inzwischen mehr als 10.000 Kilometer gefahren, in Palo Alto, USA, und in Deutschland zusammen. Zunächst sind wir nur mit unseren automatisierten BMW-Prototypen unterwegs gewesen, künftig fahren wir auch mit unseren neuen Erprobungsfahrzeugen auf Basis Tesla Model S. Aber wir fahren abends nicht mit den Autos nach Hause und in der Früh wieder in die Firma. Die Autos parken nachts sicherer in unserer Firmengarage. Immerhin sind die Prototypen sehr teuer. Wir reden von jeweils fast 250.000 Euro.

Um automatisiertes Fahren zu einem leistbaren Preis anbieten zu können, müssen die Systeme noch viel billiger werden.

Definitiv. Über den endgültigen Preis kann man aus heutiger Sicht allerdings nur spekulieren, dafür ist es noch zu früh. Studien belegen aber, dass eine Mehrheit der Autofahrer bereit ist, für automatisierte Fahrfunktionen mehr zu bezahlen. Wir sprechen da von einem Aufpreis von etwa 3000 Euro. In der Regel sinken die Kosten für Komponenten und Systeme zwischen Prototyp und Serienfertigung. Und mit zunehmender Serienfertigung verringert sich der preisliche Aufwand aufgrund von Skaleneffekten. Vorteil ist auch, dass wir für das automatisierte Fahren dieselben Sensoren nutzen wie heute bereits für Fahrerassistenzsysteme, aber eine neue Generation. Die Anzahl der Sensoren wird steigen, weil wir das komplette 360-Grad-Umfeld des Fahrzeuges abdecken und die Sensoren redundant auslegen müssen. Aber das System muss am Ende bezahlbar sein, ganz klar.

Laut einer Studie von Boston Consulting würden Kunden in den USA 5000 $ Aufpreis für so ein System akzeptieren. Halten Sie das auch in der EU für realistisch?

Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass auch in Europa 3000 bis 5000 Euro Aufpreis akzeptiert werden.

"Für mich ist automatisiertes Fahren die größte Revolution seit dem Umstieg von der Pferdekutsche aufs Auto"

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Was bedeutet dieses System für unsere Mobilität?

Für mich ist automatisiertes Fahren die größte Revolution seit dem Umstieg von der Pferdekutsche aufs Auto. Wir reden nicht mehr nur vom Fahren, sondern wir reden darüber, dass wir im Fahrzeug vieles andere werden machen können. Dass wir also tatsächlich von unserer Fahrzeit profitieren können, dass wir uns entspannen können und – dass wir die Kontrolle dem Fahrzeug überlassen. Bisher hatten wir Menschen beim Fahren alles unter Kontrolle. Es zeigt sich aber, dass die Menschen bereit sind – noch nicht alle, aber viele –, diese Kontrolle abzugeben. Sie sagen, wenn ich will, fahre ich selber, aber wenn nicht, dann ist es gut, wenn ein Auto, ein System auf mich aufpasst und mir Komfort und Sicherheit bietet.

Wo sehen Sie die Zielgruppen? Eher bei den Jüngeren oder bei den Älteren?

Das werden einerseits die Jüngeren sein, die heute schon mit Smartphones und Tablets aufwachsen und es gewohnt sind, ständig und überall vernetzt zu sein. Sie wollen von A nach B kommen, aber nicht unbedingt selbst fahren. Auf der anderen Seite gibt es die ältere Generation, die sich der steigenden Komplexität im Straßenverkehr eventuell nicht mehr gewachsen sieht. Und wir bieten ihnen Technologien, damit sie trotzdem weiter individuell mobil sein können. Wenn wir es schaffen, Vertrauen aufzubauen für das, was das Auto macht, dann wird auch bei den Älteren die Akzeptanz groß sein. Viele Fahrer werden vermutlich froh sein, wenn sie nicht mehr einparken müssen. Oder es gibt auch viele, die sich nicht mehr trauen, auf der Autobahn zu fahren, weil so schnell gefahren wird. Der größte Fan vom automatisierten Fahren und meiner Arbeit ist vermutlich mein Vater. Der treibt mich ständig an, das System schneller in Serie zu bringen, damit er es noch nutzen kann. Es wird aber sicher auch Menschen geben, die automatisiertes Fahren ablehnen, die immer selber fahren wollen, weil sie das als Freiheit verstehen. Das ist auch okay.

Halten Sie eigene Schulungen für die neue Funktion für nötig?

Die Fahrausbildung in der Fahrschule könnte in ein paar Jahren ein wenig anders aussehen. Dennoch wird der Führerschein weiter notwendig sein, weil die Menschen aus unserer Sicht immer die Möglichkeit haben werden, selber zu fahren, wenn sie es wollen. Ich kann mir aber vorstellen, dass die Fahrausbildung an die neuen Technologien angepasst wird. Es wäre auch gut, wenn heute in der Fahrschule die adaptive Abstands- und Geschwindigkeitsregelung ACC oder eine automatische Notbremsung gezeigt würden, damit die angehenden Autofahrer auf solche Situationen vorbereitet sind.

Wie wird überhaupt das Miteinander auf der Straße funktionieren zwischen Autos, die nicht automatisch fahren und jenen, die elektronisch gesteuert werden? 2025 rechnen Optimisten mit einem Anteil von 10 % von Autos mit Selbstfahrfunktion.

Die Übergangszeit mit Mischverkehr aus automatisiert fahrenden und normalen Fahrzeugen wird einige Jahre andauern. Automatisierte Fahrzeuge erfassen alles, was um sie herum passiert und danach entscheiden sie dann über ein Fahrmanöver. Ich glaube nicht, dass automatisierte Fahrzeuge als Raser unterwegs sind. Sie werden defensiv fahren, sich an Gesetze und Regelungen halten. Aber auch das funktioniert. Wenn wir mit unseren Testfahrzeugen fahren, sind wir schließlich auch als einzige weit und breit automatisiert unterwegs – ohne Zwischenfälle.

Wie wird das Zusammenspiel mit Fußgängern und Radfahrern aussehen? Müssen sie mit Chips versehen werden, wie das manche fordern?

Klares Nein. Dafür gibt es andere Möglichkeiten. Wir könnten zum Beispiel Smartphones nutzen, um Informationen zu senden. Jeder Passant hat doch heute ein Smartphone in der Tasche und trägt damit die benötigten Chips mit sich herum. Darüber könnte dem Fahrzeug mitgeteilt werden, ich, der Fußgänger, bin jetzt da, pass auf. Das wäre möglich. Auf der Autobahn gibt es zum Glück wenig Fußgänger und Radfahrer, das erleichtert unsere aktuellen Entwicklungsaktivitäten. Wenn wir über Straßen im urbanen Raum reden, dann wird dies viel komplexer und komplizierter. Denn wir müssen alles erfassen, alles interpretieren, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. Die Herausforderungen dafür sind groß. Die Sicherheitsrisiken auch.

Wo wird die nötige Infrastruktur fürs automatisierte Fahren eingebaut werden? Im Auto oder extern?

Das ist eine spannende Frage: Machen wir die Infrastruktur intelligent und das Fahrzeug dumm? Oder umgekehrt? Oder teils teils? In der Stadt würde es extrem helfen, wenn man sogenannte Smart Cities hätte, in denen die Infrastruktur gewisse Informationen weitergibt, die das Fahrzeug verwerten kann. Etwa Infos von den Ampeln für eine grüne Welle. Ich glaube nicht, dass die Infrastruktur allein den Verkehr wird regeln können, weil uns niemand garantieren wird, dass die Sensoren in der öffentlichen Infrastruktur immer funktionieren werden. Deshalb wird es eine Mischung sein. Das Fahrzeug muss intelligent sein und gewisse Informationen werden von der Infrastruktur kommen.

Ein heikles Thema ist die Datensicherheit.

Wir bei Bosch verfolgen hier ein klares Konzept zum Schutz vor Hackerangriffen. Beispielsweise trennen wir mit der dualen Architektur sicherheitsrelevante fahrzeuginterne Funktionen wie Bremse und Lenkung von fahrzeugexternen Funktionen wie Infotainment. Zudem hat unsere Tochter Escrypt ein sogenanntes Hardware Security Module entwickelt, das die Integrität der Steuergeräte-Software schützt und Daten plausibilisiert. Das Thema persönliche Datensicherheit dreht sich hauptsächlich um die Frage, wem gehören die Daten, dem Fahrer oder beispielsweise dem Autohersteller? Bosch wird dem Nutzer die Entscheidung überlassen, was mit seinen Daten passieren darf.

Mit welchem System wird man die Riesenmengen an Daten austauschen?

Ethernet.

Um welche Datenmengen geht’s?

Wir reden hier sicher über 20.000 DMIPS. Aber keiner kann gegenwärtig die genaue Zahl sagen.

"Super-GAU wäre, wenn die Gesetzgebung nicht entsprechend angepasst wird"

Was könnte die Entwicklung des automatisierten Fahrens noch stoppen?

Super-GAU wäre, wenn die Gesetzgebung nicht entsprechend angepasst wird und damit alle Bemühungen und Anstrengungen, die bereits in das Thema gesteckt wurden, umsonst gewesen wären. Aber wir sind optimistisch, dass Politik und Verbände die Weichen zeitnah richtig stellen.

Und bei der Technik?

Extrem kompliziert ist die Validierung, also die Freigabe der Systeme für die Serie. Da ist der Aufwand nach gängigen Methoden extrem hoch. Wie hoch, können wir heute noch gar nicht genau sagen. Die Anzahl an Kilometern, die man fahren müsste, um die vielen Komponenten zu validieren, entspricht in etwa der Distanz zwischen Erde und Sonne. Das sind Millionen Zeitstunden, Millionen Kilometer, das ist wirtschaftlich so nicht darstellbar. Bosch arbeitet an alternativen Methoden, die stärker auf die Simulation zurückgreifen.

Wie wichtig schätzen Sie automatisiertes Fahren für die Zukunft der europäischen Autohersteller?

Neben der Elektrifizierung und der Vernetzung ist das automatisierte Fahren eines von drei Trendthemen der weltweiten Automobilindustrie. Die deutschen OEM sind dabei die Vorreiter.

Ist es auch ein Schutz gegen Neueinsteiger ins Autogeschäft wie Google oder Apple?

Es ist immer die Frage, welches Geschäftsmodell steckt dahinter? Die traditionellen Hersteller wollen nach wie vor in erster Linie Autos verkaufen – und zusätzlich vielleicht die ein oder andere Dienstleistung. Ich weiß nicht, ob etwa Google alle Fahrzeugsegmente – vom Kleinwagen bis zur Luxuslimousine – bedienen wollen würde. Die Stärken und Interessen des Unternehmens würde ich persönlich dann doch in anderen Bereichen verorten. Ein Auto zu bauen, ist grundsätzlich etwas sehr Komplexes, das die traditionellen Hersteller beherrschen, egal wo auf der Welt. Dieses Wissen kann man auch nicht kurzfristig zukaufen.

Was war für Sie der positive Wendepunkt bei dem Projekt?

Das war, als wir das erste Mal hier in Deutschland auf einer öffentlichen Straße gefahren sind, und dann kam der Moment, als wir den Knopf gedrückt haben und das Auto tatsächlich ganz alleine fuhr. Und es fuhr gleich richtig gut. Sanft, komfortabel, vorausschauend. Dann kam das erste Überholmanöver bei einem Lkw. Es ging super und es war ein „Wow“. In dem Moment war das Gefühl da, ja, es wird.

Wo waren die größten Probleme?

In jeder Entwicklung läuft was schief. Manchmal gibt es auf der Autobahn Bremsmanöver, keine gefährlichen, bei denen das Auto zu früh oder zu ruckartig bremst. Es gab aber bisher nie das Gefühl, etwas sei unmöglich.

Viele meinen, dass sich das automatisierte Fahren vor der E-Mobilität durchsetzt.

Ein Auto, das selbst abbremst, die Spur hält und beschleunigt, und der Fahrer nur mehr überwachen muss, gibt es in Form von einzelnen Fahrerassistenzsystemen ja heute schon. Das ist zugleich die Vorstufe zur Hochautomatisierung. Die Frage ist, wann werden die nötigen Gesetze entsprechend geändert. Die Akzeptanz fürs automatisierte Fahren wird meiner Meinung nach sehr schnell wachsen, wenn die Leute die Vorteile bei Komfort und Sicherheit sehen.

Ihr Vater ist der größte Fan des Projekts, so Belén Aranda Colás, 41, Projektmanagerin und Produktstrategin für Automatisiertes Fahren bei Bosch, an dem neben ihr insgesamt rund 2.000 Bosch-Entwickler arbeiten. Das Kernteam, das für die Koordination und Verbindung zu den diversen Bereichen zuständig ist, umfasst rund 40 Mitarbeiter.

Die gebürtige Spanierin, die seit ihrem Studium in Deutschland lebt, inzwischen hier „glücklich verheiratet“ ist und „zwei wunderbare Stiefkinder“ hat, fasziniert vor allem die Komplexität des Automatisierten Fahrens, das für sie die größte Revolution seit dem Umstieg vom Pferd aufs Auto ist. „Es ist keine Technologie, die es schon gibt, sondern man hat praktisch bei null angefangen.“ Das hochkomplexe System ähnle einem Orchester: „Es gibt viele verschiedene Komponenten, an die man denken muss, auch im Hinblick auf ihre Interaktion.“

Belén Aranda weiß, wovon sie spricht, hat sie doch in Spanien neben Energietechnik (Kraftwerkswesen) auch Musik (Klarinette) studiert und in einem Orchester gespielt. Auch heute spielt sie zur Entspannung gerne Gitarre. Sie genießt jedoch auch Ausfahrten mit ihrem Motorrad (Honda CBF 600) oder dem ihres Mannes (Triumph Speed Triple).

Für Technik interessierte sie sich schon als Kind, als sie ihrer Mutter zusah, die im Elternhaus fürs Reparieren zuständig war. Vom Vater, einem Geografie- und Geschichtelehrer, erbte sie die Musikalität und Freude an der Kommunikation, an Sprachen. Ihre Diplomarbeit schrieb sie über Solar- und regenerative Energien. Zu Bosch kam sie 1999. Zuerst in die Abteilung der Startergeneratoren als Entwicklerin, später war sie technische Verkäuferin in leitender Funktion. 2012 wurde ihr das Projektmanagement fürs Automatisierte Fahren angeboten. Wenn das Projekt abgeschlossen ist, würde sie das Entwerfen von Städten, Smart Cities, reizen. Zurück zu Kraftwerken will sie nicht mehr.

Vorher muss sie ohnehin „Gas geben“. Ihr Vater will, dass das Automatisierte Fahren rechtzeitig in Serie geht, damit er es noch nützen kann.

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