© Ennstal-Classic/Huber

Oldtimer

Ennstal-Classic: Im Targa durch die Postkarten-Idylle

Als Teil des Werksteams bei der Ennstal-Classic – mit Fahrfreude trotz mehr Ergebnisdruck als erwartet.

von Horst Bauer

08/01/2017, 04:00 AM

Die Voraussetzungen schienen auf ein entspanntes Wochenende hinzudeuten.

Als einer der Piloten des generalstabsmäßig geplanten Porsche-Werkseinsatzes bei der 25. Ennstal-Classic antreten zu dürfen, war schon Ehre genug. Noch dazu mit einem von den Spezialisten des Porsche-Museums in Stuttgart vorbereiten Targa S, Baujahr 1970 – also mit dem komfortabelsten der 8 aufgebotenen Modelle der Werks-Armada. Schließlich kann es im Verlauf einer Ennstal-Classic ebenso oft von Nachteil sein, kein festes Dach über dem Kopf zu haben (Gewitter samt Hagel zählen zum Standardprogramm), wie man sich auch in einer der rollenden Alu-Büchsen mit Renn-Vergangenheit dem Hitzschlag nahe fühlen kann.

Der Targa bot also das beste aus beiden Welten – noch dazu, wo die Service-Crew des Museums stets unauffällig aber effizient bereitstand, um notfalls die Dachmontage zu erledigen.

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Eine erhebende Ausfahrt also durch das von den Veranstaltern nicht zu Unrecht so genannte "letzte Paradies" mit einem Schmuckstück von Auto, das auch genügend Kraft hat, um auf der gefürchteten Stoderzinken-Bergwertung keine fahrerischen Drahtseilakte nötig zu machen. Und ohne groß auf die Ergebnisliste schauen zu müssen.

Schließlich war mit Walter Röhrl ohnehin der Sieger der ersten Ausgabe der Ennstal-Classic im Team. Und den Sieg in der inoffiziellen "Selfie-Wertung" hatte man mit Mr. Dempsey aus Hollywood (Damen), Marc Webber (Mixed) und Le-Mans-Sieger Neel Jani (Herren) breit abgesichert. Und die Eigentümer-Vertreter (Dr. Wolfgang Porsche auf 356 Carrera 2 und sein Sohn Ferdinand auf 911 Carrera 2,7 RS) will man ja schon aus Höflichkeit nicht schlecht aussehen lassen.

Letztlich sind es dann aber immer die internen Absprachen, die Feuer ins Geschehen bringen. So endete die erste Teambesprechung der Besatzung mit der Startnummer 184 damit, dass Co-Pilot Helmut Eggert, seines Zeichens Österreichs Porsche-Chef, nach allerlei taktischen Tricks, die er als Ennstal-Classic-Veteran auf Lager hat, so nebenbei fallen ließ, dass da unter den Teilnehmern des Hauses Porsche-Austria eine markenübergreifende Wette laufen würde. Ohne zu sehr ins Detail zu gehen: Im Endergebnis nicht hinter allen anderen zu stehen, wäre nicht nur aus Gründen der Ehre von Vorteil.

Wettkampf ist eröffnet

Womit der Wettkampf dann doch eröffnet war. Verschärft durch den Umstand, dass erstmals in der bescheidenen Oldtimer-Rallye-Karriere des Piloten der Tripmaster im Cockpit tatsächlich exakt funktionierte und daher nicht als Ausrede herhalten konnte.

Um es kurz zu machen: Die eingesammelten 8377 Punkte hat sich das Team selbst zuzuschreiben. Wobei sowohl Fahrer als auch Beifahrer je einmal für die Höchststrafe von 1000 Punkten verantwortlich waren, was aber das hervorragende Klima im 911-Cockpit nicht weiter belastete.

Zur guten Stimmung trug aber wie immer bei der Ennstal-Classic auch die von den Herrn Zwickl und Glöckner mit Bedacht gewählte Strecke durch Postkarten-Landschaften bei, die neben den Klassikern wie Hengst-Pass, Sölk-Pass, Pyhrn-Pass oder die Nockalm-Straße für viele Teilnehmer immer noch neue Seiten Österreichs zu bieten hatte.Und der Umgang mit dem Targa S sorgte für die entsprechende Erdung der von aktuellen, mit Fahrer-Hilfsprogrammen überzogenen modernen Autos geprägten Fahrer-Reflexe. So toll sich der 70er-Jahre-Porsche auch heute immer noch fährt, zeigte die von sintflutartigem Regen begleitete Überquerung des Tauernpasses auch auf, welch Meisterleistung die Porsche-Ingenieure seit damals abgeliefert haben, um aus dem hecklastigen 911 heute einen auch auf nasser Straße problemlos zu fahrenden Sportwagen zu machen. In anderen Worten: Mit dem 1970er 911-Targa wird jede überflutete Spurrinne zum akuten Aquaplaning-Risiko. Und wie viele es davon zwischen Obertauern, Ramsau und Schladming gibt, zeigte die Regenetappe am Donnerstag-Abend eindrucksvoll auf.

Letztlich brachte der konzentrierte Einsatz des Teams mit der Nummer 184 den 68. Platz unter 209 gewerteten Teilnehmern. Und dem Piloten die große Erleichterung, seinem Co. mit Platz 2 in der internen Teamwertung die Wette nicht verhagelt zu haben.

Der 1970 präsentierte Porsche 911 2,2 S Targa hat das Top-Triebwerk der damaligen Baureihe mit Saugrohr- einspritzung, geschmiedeten Kolben und aus Magnesium gegossenem Kurbelgehäuse im Heck. Der luftgekühlte 6-Zylinder- Boxermotor ist kombiniert mit einem 5-Gang-Getriebe, leistet 180 PS (max. Drehm: 199 Nm bei 5200 U/min) und beschleunigt den nur 1020 kg wiegenden Targa in 7,5 Sekunden auf Tempo 100, die Spitze liegt bei 230 km/h. Der mit dem feststehenden Überrollbügel und der nicht versenkbaren Heckscheibe als "Sicherheitscabrio" vermarktete Targa macht 1970 knapp ein Drittel der 911-Produktion aus.

Zur Legende geworden

Wie in jedem anderen Business auch, waren die Anfänge mühsam. Mussten doch die Veranstalter dem damaligen Bürgermeister der Marktgemeinde Gröbming erst einmal erklären, was die Ennstal überhaupt sein soll: Eine Oldtimer-Rallye, klar, nach dem Vorbild der historischen Mille Miglia. Reaktion: "Mille Miglia? – Kemma net." Stießen erste Gespräche – kurz, aber doch recht intensiv – noch auf die österreichische "Was-brauch-ma-des"-Skepsis, dauerte es aber trotz aller Vorbehalte nicht sehr lang, bis die örtliche Politik begriffen hat, was da heranwachsen könnte. Nach einem Vierteljahrundert denkt niemand mehr über Sinn und Unsinn eines derartigen Termins nach: Die Ennstal ist nicht nur zu einem Event, sondern auch zu einem Wirtschaftsfaktor mit enormen Werbewert für die gesamte Region geworden: 100.000 Fans entlang der annähernd 850 Kilometer langen Strecke und in den Etappenorten, 10 Millionen Euro Umwegrentabilität, 20.000 zusätzliche Nächtigungen in der Dachstein-Tauern-Region reichen als Legitimation. Wenig verwunderlich also, dass Gröbming den Vertrag mit der Ennstal kürzlich für weitere fünf Jahre verlängert hat.

Euphorie und Bitterkeit

Die Rallye ist keine Schnauferlausfahrt, trotz Stars wie Patrick Dempsey auch keine schrille und lollipopbunte Show, sondern beinharter Motorsport – anstrengend, fordernd, kräftezehrend: Wer’s nicht glaubt, muss den Teilnehmern nach 16 Stunden Fahrzeit nur in die Gesichter schauen. Die Ennstal gibt aber auch viel: Pure Euphorie wegen des Erreichten, frustrierende Bitterkeit, wenn aus der anvisierten Platzierung dann im Endeffekt doch nix wird – mit dementsprechender Hornhaut auf der geschundenen Fahrer-Seele. Es soll Teilnehmer geben, die nach der Zweieinhalb-Tages-Tortur vom jugendlichen Wilden zum verzagten Greis mutieren, hin- und hergerissen zwischen großem Drama und der kleinen Poesie des Moments.

Die Ennstal ist über die vielen Jahre zu einem gesellschaftlichen Top-Treffpunkt geworden, bei dem sich Netzwerke und Freundschaften – nicht nur unter Markenkollegen – ergeben, wie sie unter normalen Umständen nie zustande kommen. Hunger, Durst, Hitze, Regen und auch Kälte, wie im Jahr 1995, als am Stoderzinken über Nacht 30 cm Neuschnee gefallen sind, schweißen zusammen, egal ob es sich um eine kleinen Angestellten oder um einen CEO einer großen Firma dreht.

Freudentränen, tosender Applaus – Alexander und Florian Deopito schafften bei der Jubiläumsausgabe die Sensation schlechthin: In dem sie nämlich die Rallye zum ersten Mal in der langen Geschichte überhaupt mit einem Vorkriegswagen, einem aus dem Jahr 1938 stammenden Lagonda LG6-Le Mans Special, gewannen.

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