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Holzauto

Holz im Automobilbau: Weg von der Oberflächlichkeit

Wie eine Idee aus der Kutschenära durch die E-Mobilität neuen Aufwind erfährt.

von Maria Brandl

03/16/2016, 12:11 PM

Holz ist dabei, in die bisher von Metall und Kunststoff dominierten Autoindustrie einzudringen. Zahlreiche Projekte in Europa rund um den möglichen Einsatz von Holz abseits von Zierleisten und Kleinserienaufbauten wie bei Morgan zeugen von zunehmender Dynamik.

Auch in der Steiermark, der "grünen" Mark, wird das Thema vorangetrieben. Die Autorin sprach darüber mit Werner Schimanofsky, Geschäftsführer der Engineering-Firma Kämmerer GmbH (siehe Zusatzartikel), der mit dem Autocluster Styria in Zusammenarbeit mit dem steirischen Holzcluster und interessierten Betrieben Holz ins Auto bringen will.

Kurier: Wer hat das größte Interesse an Holz im Auto?

Werner Schimanofsky: Einerseits sucht die Holzindustrie ein neues Geschäftsfeld. Anderseits besteht für Autohersteller die Notwendigkeit, die Fahrzeuge zu ökologisieren, vor allem E-Fahrzeuge. (Anm. Sie haben wegen der Batterien einen Gewichts- und zudem einen CO2-Nachteil in der Herstellung). Das Thema ist aber auch "fördergetrieben", auch unser Projekt wird mit öffentlichen Geldern gefördert. Interessiert sind vor allem Länder mit viel Wald wie etwa die skandinavischen.

Wo sind die Vor- und Nachteile von Holz für den Automobilbau?

Holz ist CO2-neutral und ein hervorragendes Leichtbaumaterial. Das sieht man auch bei Skiern, wo die höherwertigen einen Holzkern haben, billigere Ski dagegen aus Kunststoff sind. Es gibt aber auch mehrere Nachteile: Holz ist kein einheitlicher Baustoff, jeder Baum ist anders. Um die in der Autoindustrie geforderte Reproduzierbarkeit über Hunderttausende Stück zu erreichen, kann man ein schichtverleimtes Sperrholz verwenden, durch das die natürlichen Unregelmäßigkeiten des Naturstoffes Holz ausgeglichen werden können. Dadurch werden auch gleich die Festigkeitseigenschaften verbessert. Der Gewichtsnachteil durch den nötigen Leim ist nicht groß.

Wie sieht es mit dem Brandschutz oder Feuchtigkeitsproblemen, Verwitterung durch UV-Strahlen aus?

Das sind schwierige Themen. Holz ohne entsprechende Behandlung kann schimmeln, gegen die Brandgefahr sind flammhemmende Materialien nötig. Aber das Problem ist lösbar, wie Flugzeuge und Schiffe zeigen, wo Holz seit Langem und vielfach eingesetzt wird. Wichtig ist, dass Holz als Holz vom Kunden im Auto wahrgenommen wird. Es soll sich wie Holz anfühlen und auch so riechen. Über die Zeit verwittert es, wird also grau. Die Frage ist, wie weit diese Eigenschaften im Auto zugelassen werden.

Welche Hürden gibt es auf Seiten der Holzindustrie?

Grundsätzlich kommt jeder Holzbetrieb als Autozulieferer in Frage, wenn er die Anforderungen der Autoindustrie erfüllt. Es reicht nicht, wenn ein Holzbetrieb etwa BMW ein schönes Stück Holz zeigt, um daraus etwas zu machen. Autohersteller wollen entsprechende Teile sehen, die serienfähig sind. Es ist ein ganz anderes Geschäft als die Ausstattung teurer Jachten oder der First Class mit Holzeinrichtung, wo Österreich hervorragende Betriebe hat. In der Autoindustrie geht es um viel höhere Stückzahlen, extrem enge Fertigungstoleranzen, Qualitätsansprüche. Das Autogeschäft ist für die Holzindustrie neu. Sie denkt noch in Festmeter, ähnlich wie früher die Stahlindustrie in Tonnen dachte. Die Holzindustrie ist sehr gut auf die Ansprüche der Bauindustrie ausgerichtet, dort gibt es auch sehr intelligente Ideen. Durch Kunststoffummantelung von Verschalungen sind diese etwa wieder einsetzbar, auch wenn sie auf Baustellen auf den Boden geworfen werden. Die Autohersteller werden an Materialkombinationen interessiert sein, etwa Holz mit Karbon, das sieht optisch super aus. Für solche Komponenten braucht es High-End-holzverarbeitende Betriebe, das können aber auch Quereinsteiger sein. Vorreiter bei den nötigen Materialtechnologien ist die Universität für Bodenkultur in Wien.

Erschweren Materialkombinationen nicht das Recyceln von Holz?

Bei Verbundbauteilen ist Recycling ein schwieriges Thema. Abhilfe schafft sogenanntes Recycling-Enginieering, wo die Trennung der Materialien am Ende des Autolebens schon von Anfang an miteinberechnet wird.

Wie gut lassen sich die Eigenschaften von Holz im Auto simulieren?

Über Holz gibt’s noch kaum Eckdaten, in den etablierten Simulationsprogrammen gibt es in den seltensten Fällen Module für Holz. Da braucht es noch spezielle Unternehmen, die die nötigen Eckdaten liefern, um etwa Dauerhaltbarkeit, Verformung, Schwingung oder Bruch eines Holzteils im Auto zu simulieren. Das ist auch für die Crashtestsimulationen nötig. Bevor es diese Voraussetzungen nicht gibt, traut sich kein Autohersteller, Holz als Material im Fahrzeug zu verwenden.

Wann rechnen Sie mit ersten Holzteilen im Auto?

In den nächsten Produktgenerationen im E-Auto-Bereich.

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Warum der Holzweg für die Pkw von morgen viel Potenzial bietet

Ob unzureichendem Rückgang der Umweltbelastungen durch Fahrzeuge verhängen Gesetzgeber immer öfter schärfere Tempolimits und Fahrverbote. Die Autohersteller sind aufgefordert, nicht nur Abgas- und Verbrauchsvorschriften zu erfüllen, sondern auch die Gesamt-CO2-Bilanz samt Recycling und Entsorgung der Autos zu verbessern. Da sehen auch E-Fahrzeuge nicht automatisch gut aus, vor allem, wenn sie Strom von kalorischen Kraftwerken und Materialien wie Karbonfaser verwenden, die schlecht wiederzuverwerten und in der Herstellung auch oft sehr CO2-intensiv sind.

Häufig endet eine oft beworbene Nachhaltigkeit an der Oberfläche. Das sei mit Holz anders, sind vor allem Skandinavien sowie Deutschland, Schweiz und Österreich überzeugt. Holz ist viel leichter als Stahl, hat aber gerade für die Pkw-Großserienproduktion noch etliche Aufgaben zu lösen (siehe Hauptartikel).

Die interessierte Holz- und Papierindustrie arbeitet hier intensiv mit Universitäten zusammen. UPM mit der Uni Metropolia in Helsinki, bei uns gilt das Institut für Holztechnologie und nachwachsende Rohstoffe der BOKU Wien mit Ulrich Müller als Projektleiter als Vorreiter.

Welches Holz sich eignet, hängt vom Einsatz aus. Für Kleinserien wie dem Morgan ist es etwa Eschenholz, viel Potenzial habe auch Buchenholz. Weit entwickelt ist WPC, ein Verbundwerkstoff mit 10 bis fast 100 % Naturfaseranteil. 100 % "natur" ist ein Holzschaum, der aus Holz-, Getreidemehl und Hefe besteht, gut isoliert und dämpft und so sich auch für Crashelemente eignet.

Werner Schimanofsky Der Geschäftsführer der Kämmerer GmbH in Graz mit 65 Mitarbeitern begann nach dem Doktoratsstudium der Technischen Wissenschaften an der TU Graz ’99 im Wiener Büro der Unternehmungsberatung A.T. Kearney, wechselte ’02 zur AVL List in Graz und ’07 zur Kämmerer Group, für die er das Büro in Graz aufbaute. Der gebürtige Grazer, 47, ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Kämmerer Group Das ehemalige Start-up wurde ’00 von Bernd Kämmerer in Stuttgart gegründet. Er ist nach wie vor Mehrheitseigentümer und Vorstand der Firma. Der studierte Luft- und Raumfahrttechniker sieht seine Firma als "technisch hochinnovativen Dienstleister". Sie zählt 350 Spezialisten an 12 Standorten in Deutschland, Österreich und Polen, einer davon befindet sich in Graz.

AC Styria Der Autocluster wurde ’95 gegründet und vertritt derzeit europaweit rund 250 Unternehmen der Mobilitätsbranche mit einem Umsatz von 15 Mrd. €. Aktueller AC-Chef ist Franz Lückler.

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