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Interview

Ferdinand Dudenhöffer: Sie werden größer und größer

Ein Gespräch mit Deutschlands bekanntestem Autoexperten: Ferdinand Dudenhöffer über den Trend zum größeren Auto, über hässliche kleine Entlein und Umbrüche in der Branche

von Sandra Baierl

06/27/2020, 04:00 AM

In Deutschland nennen sie ihn Autopapst: Ferdinand Dudenhöffer analysiert schon sein gesamtes Berufsleben lang die Autobranche. So viel Veränderung wie heute, sagt er, gab es noch nie.

KURIER: Städte werden dichter, der Verkehr nimmt zu. Trotzdem hat man den Eindruck, dass die Autos immer größer werden. Stimmt das?

Ferdinand Dudenhöffer: Es ist idiotisch, aber es ist so. Die Autos werden größer, weil es schick ist und bequem. Es strahlt Mächtigkeit aus, in einem großen Auto zu sitzen. Ich bin auch nicht mehr 18, leider, in ein niedriges Auto einzusteigen ist für mich eine Qual. Also lieber höher sitzen. Und dann sieht so ein SUV auch noch aus, als wäre ich ein sportlicher Typ. Das Ding ist ja sehr dynamisch. Und Einparken tut es automatisch, es ist also nicht einmal schwieriger, damit zu fahren.

Schick ist ein Kaufkriterium?

Ein Großes sogar. Wussten Sie, dass man früher die meisten Porsche 911 Turbo in die USA verkauft hat? Das müssen Sie sich vorstellen: Dort gibt es nur langweilige, gerade Straßen, auf denen Sie 50 Meilen pro Stunde fahren dürfen. Das ist was für die Corvette, aber nicht für den Porsche, der ist ein Kurvenauto. Warum also diese Verkäufe nach Amerika? Der einzige Grund: es war schick. Man war damit der Größte. Die Amerikaner haben mit viel Geld ein Überlegenheitsgefühl gekauft, obwohl sie sich mit ihren dicken Hamburger-Bäuchen hineinzwängen mussten.

Das Größenwachstum am Beispiel Golf GTI

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Die Sicherheit zählt nicht?

Ja, das ist natürlich auch ein Thema. Man selbst und auch die Familie ist darin besser beschützt. Ein SUV ist eben nicht nur dumm, der hat auch massive Vorteile.

Und warum wird jedes Auto von Generation zu Generation größer?

Das ist eine Art Lemming-Effekt. Man will beim ÖAMTC besser getestet werden, da kriegt man dann mehr Punkte für mehr Fußraum und Kofferraumraumvolumen. Man kann dann außerdem mehr Geld dafür verlangen. Wobei es auch hier eine Gegenbewegung gibt.

Und zwar?

Es gibt lässige Kleine. Früher waren Kleinwagen ja Autos für Leute, die arm waren. Dann kam der Mini mit einem bestimmten Fahrverhalten. Das kriegen sie mit einem anderen Auto nicht hin. Der Mini, obwohl klein, hat etwas Besonderes. Darauf stehen die Leute.

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Die E-Autos müssten aus der Logik heraus kleiner sein und damit leichter und sparsamer.

Die waren am Anfang klein, deshalb hat sie auch niemand gekauft. Das waren die Müsliautos, für die Hardliner unter den Grünen. Mit dünnen Reifen, klein, langsam, beschleunigt zwar, sieht aber grauslich aus. Ein totaler Flop. So ein hässliches kleines Entlein wollte niemand haben, außer ein paar Edel-Ökos. Dann kam Elon Musk und hat ein Auto gebaut, das Emotion hat. Es fährt wie verrückt, macht Spaß, hat Reichweite, ist vollgestopft mit Innovationen. Das hat den Weg für die anderen vorgegeben.

Die klassischen Autobauer wollten anfangs keine E-Autos.

Stimmt. Die BMWs, die Daimlers, da hat das am Anfang nicht funktioniert. Die klassischen Autobauer wollten bei ihren starken Verbrennungsmotoren bleiben. Das ist hundert Jahre ausgereifte Technik, die gibt man nicht so leicht auf. Jetzt werden sie von Elon Musk und den Umweltauflagen gezwungen – und müssen aufholen.

Was machen Krisen – wie jetzt Corona – mit den Autogrößen? Werden wir sparsamer und kleiner?

Nach meiner Einschätzung und wenn man sich die Krisen der Vergangenheit ansieht, ändert sich gar nichts. Nach jeder großen Krise, egal, wie teuer Autos und Sprit geworden sind, sind die Autos größer und stärker geworden. Auch die Corona-Krise wird diesen Trend nicht stoppen. Schauen Sie nach China: für den Markt dort hat man immer verlängerte Autos gebaut, weil die kleinen Chinesen die großen Autos lieben. So wird das auch weitergehen.

Wie sehen Sie die großen Umbrüche in der Branche?

Derzeit ist der größte Umbruch aller Zeiten im Gang. Früher wollte man Autos preisgünstiger machen, da waren die Amerikaner stark. Dann kamen die Japaner mit ihrer standardisierten Ware. Aber jetzt machen wir etwas völlig Neues: Bisher waren Auto immer mit dicken Reifen und mit dickem Lenkrad versehen. Mit vielen PS, die man hören und sehen musste. Jetzt werden die Autos leise, müssen aber trotzdem dynamisch sein. Das schafft der Elektromotor. Damit bringen wir die Autos mit den Umweltanforderungen in Einklang. Wegbereitend ist dafür Elon Musk. Er hat den Elektroantrieb gepuscht und auch das selbstfahrende Auto. Das Auto wird damit zum intelligenten Wesen, das viele Probleme des Fahrers löst.

Es gibt aber auch viele, die diese Auto-Autonomie ablehnen.

Ja, weil manche Dinge einfach nicht ausgereift sind. Blinken, piepsen, ganz oft ist die Intelligenz schlecht gemacht. Wir hängen beim Auto noch im Alten, aber das Neue wird kommen. Zum Vergleich: Wir haben die klassischen Zulieferer wie Bosch und Conti, die haben 80 bis 100 Steuergeräte im Auto, die isoliert für sich arbeiten. Elon Musk hat einen einzigen Chip, der alles im Auto steuert. Wie absurd die alte Denke ist, sehen Sie gerade beim Golf 8: da geht der E-Call nicht, die Notfalltaste bei einem Unfall. Deshalb muss man das Auto tausende Male zurückholen, um den Fehler zu beheben. Das ist Steinzeit.

Wie zukunftsgewandt sind die Autokonzerne?

Oft hängen die Autobauer zu lange an Bestehendem oder entwickeln in eine falsche Richtung. Gerade die deutschen Autokonzerne kämpfen für ihr Geschäft, für die Autos, für freie Geschwindigkeit. Wie die Amerikaner für ihr Waffenrecht.

Wie ähnlich sind einander Deutschland und Österreich?

Österreich ist eine große Autonation mit großen Autofamilien, wie Piech von Porsche. Da ist auch viel Industrie. Die Österreicher sind an Technik interessiert, an Mechanik. Sie sind keine klassischen Autobauer, aber Porsche ohne Österreich ist nicht vorstellbar.

Der Auto-Experte Deutschlands studierte Volkswirtschaftslehre  und hat sich „damals überhaupt nicht für Autos interessiert“. Mit 18 war ein VW Käfer sein erstes Auto, „dann musste man nicht mit dem Bus in die Disco“, sagt Dudenhöffer. Er promovierte, ging Anfang der 1980er in die Industrie – zufällig zu  Opel. Seither versucht er, die Autowelt zu verstehen. Weitere Stationen: Porsche , Peugeot und Citroën.  Der Professor für BWL und Automobilwirtschaft gründete das Center Automotive Research (CAR) an der Universität Duisburg-Essen. Selbst fährt er  einen  VW T-Roc und einen 3er-BMW 

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