Daimler-Boss Dr. Dieter Zetsche
Daimler-Boss Dr. Dieter Zetsche

© Werk/Daimler

Interview

Mehr Durchschlagskraft

Daimler-Vorstandschef Dr. Dieter Zetsche über neue Antriebe, Märkte und Sprit aus Algen.

von Maria Brandl

02/21/2013, 09:38 AM

Kurier: Ist das umfangreiche Facelift bei der Mercedes E-Klasse bereits Teil eines modularen Baukastensystems, um Kosten zu sparen?
Zetsche: Die E-Klasse und die aktuelle C-Klasse sind bereits verblockt und stehen auf einer komplett vernetzten Heckantriebs-Architektur. Bei dem aktuellen Facelift der E-Klasse ist die Architektur, die Plattform, nicht neu gemacht worden. Wir haben bereits heute über viele Baureihen hinweg unseren Mercedes-Modulbaukasten im Einsatz, mit dem so ein umfangreiches Facelift erst möglich wird. Mit der neuen Plattform, die wir mit der neuen S-Klasse einführen, werden wir noch einen deutlichen Schritt weiter gehen und so zusätzliche Effizienz erzielen.

Ist die E-Klasse noch immer so wichtig als Ertragsquelle für Mercedes so wichtig wie früher, etwa bis 2000?
Die E-Klasse ist in der Hinsicht außerordentlich wichtig. Aber wir haben zusätzliche Ertragssäulen gewonnen, etwa die SUV, die zwar einerseits zum Teil auch die Stückzahlen der Limousinen verringert haben. Anderseits sind über die Schwellenländer neue Stückzahlen für Limousinen dazu gekommen, sodass die Gesamtvolumina, die man erreichen kann, wieder wachsen.

Trägt die E-Klasse noch zu mehr als 50% zum Ertrag bei?
Nein, so viel sicher nicht. Wir haben ja die S-Klasse und die Geländewagen, die, was den Ertrag betrifft, auch einen sehr wichtigen Beitrag leisten. Die neuen Kompakten sind dabei ebenfalls ein wichtiger Baustein.

Wie sehr betrifft Sie als Autohersteller der Gasboom in den USA? Viele reden ja bereits davon, dass das billige Schiefergas die Energiewelt auf den Kopf stellen wird.
Auf der einen Seite kann man daraus ableiten, dass die verbleibenden Ölreserven damit gegebenenfalls länger reichen, wenn Öl in gewissen Anwendungen zum Teil durch Gas ersetzt wird. Aber gleichzeitig ist es auch denkbar, dass Gas im Auto selbst verstärkt eingesetzt wird. In einigen Märkten bieten wir entsprechende Modelle bereits seit einiger Zeit an, aber bisher in geringen Stückzahlen. Das mag zum Teil an fehlender Infrastruktur liegen, zum Teil vielleicht aber auch noch an alten Vorbehalten gegenüber möglichen Gefahren beim Einsatz von Gas in Fahrzeugen. Das ist heute zwar kein Thema mehr, aber spielt bei der Wahl des Autos vielleicht noch eine Spur mit. Wir gehen davon aus, dass vor allem in den USA Gas in Fahrzeugen, in Pkw wie Lkw, an Bedeutung gewinnen kann und mit großer Wahrscheinlichkeit gewinnen wird.

Halten Sie es für möglich, dass dieses billige Schiefergas auch Kraftstoffe so billig macht, dass teure spritsparende Maßnahmen für Fahrzeuge verschoben oder ausgesetzt werden? In Deutschland wird inzwischen verstärkt mit Kohle Strom erzeugt, weil Kohle wegen des Überangebots zu Schleuderpreisen angeboten wird.
Wir als Autohersteller werden von zwei Themen getrieben: Das eine ist die Verfügbarkeit und somit Preisentwicklung von Rohöl und das zweite sind die CO2-Emissionen. In beiderlei Hinsicht müssen wir vorankommen. Und letzteres löst sich nicht dadurch, dass das Erdöl länger verfügbar ist. Dem gegenüber steht die Rentabilität. Denn wir haben heute einige Technologien in den Autos, die sich über deren Lebenszyklus nicht wirtschaftlich rechnen, vom Gesetzgeber jedoch gefordert werden. Doch einiges entsteht immer noch aus dem Wettbewerbsdruck heraus. Beides wird weiterhin gültig bleiben.

Sie glauben also nicht, dass es zu einem Aufweichen der Verbrauchs- und CO2-Ziele kommt?
Nein, das glaube ich nicht.

Ein alternatives Konzept, der Brennstoffzellenantrieb, wurde aber gerade um zwei weitere Jahre auf 2017 bis zum großen Serienanlauf verschoben. Wie stark spielt da der eher holprige Start der Elektroautos mit Batterien eine Rolle?
Beides sind Elektroautos, aber die Speicherung der Energie unterscheidet sich. Ein Aspekt, der der stärkeren Verbreitung von Elektroautos mit Batterien bislang entgegensteht, ist ihre begrenzte Reichweite und die relativ lange Aufladezeit. Das ist bei Brennstoffzellenautos nicht so. Allerdings brauchen beide eine Infrastruktur. Bei den Elektroautos mit Batterie kann man mit der Steckdose zu Hause beginnen, aber bei der Brennstoffzelle braucht es eine Wasserstoff-Infrastruktur. Wir müssen dieses Henne-Ei-Problem überwinden und deswegen wollen wir mit Ford und Nissan gemeinsam über das Fahrzeug hinaus dieses Thema der Infrastruktur, der Bereitstellung von Wasserstoff, vorantreiben. Wir versprechen uns so mehr Durchschlagskraft.

Wird Mercedes selbst die Errichtung von Wasserstoff-Tankstellen übernehmen ähnlich wie Hyundai in Korea?
Wir haben uns gemeinsam mit Linde zum Aufbau von 20 Wasserstoff-Tankstellen in Deutschland verpflichtet. Insgesamt brauchen wir für eine flächendeckende Versorgung 1000 Tankstellen in Deutschland. Das kostet unter dem Strich eine halbe Milliarde Euro, viel Geld, aber auch nicht so viel, dass es nicht darstellbar wäre. Die Frage ist nur, wer bezahlt. Wenn Nissan in Japan und Ford in den USA und wir in Europa bei dem Thema gemeinsam an einem Strang ziehen, haben wir eine bessere Chance auf Erfolg. Es liegt jedenfalls nicht an der Technologie der Fahrzeuge. Auch bei den Kosten sehen wir die Möglichkeit, in die Nähe eines Diesel-Hybrid zu kommen.

Wasserstoff im Verbrennungsmotor schließen sie aus?
Das macht einfach keinen Sinn vom energetischen Wirkungsgrad her.

Daimler engagierte sich vor einigen Jahren zusammen mit anderen deutschen Autoherstellern in der Entwicklung synthetischer Kraftstoffe, etwa über das Fischer-Tropsch-Verfahren. Es ist sehr still um dieses Thema geworden, warum?
Wir haben bisher dort keine großen Fortschritte gesehen. Was theoretisch in den USA nun wieder interessant werden könnte, ist Gas-to-liquids. Am Ende steht aber immer das Problem, dass die Herstellung viel teurer kommt als ursprünglich angenommen. Diese Kraftstoffe scheitern bislang nicht an ihrer Performance, sondern daran, dass die kostenmäßig nicht konkurrenzfähig sind.

Ein deutscher Mitbewerber von Ihnen sieht großes Potenzial in Benzin und Diesel aus Mikroorganismen.
Das wäre ideal: Man lässt Sonne auf Salzwasser scheinen und dabei erzeugen Algen Wasserstoff, den man im Auto einsetzt. Rein technisch geht das. Ob das industriell wirtschaftlich darstellbar ist, kann ich heute nicht abschätzen.

Und wie sehen Sie die Zukunft des Diesel? Wird er über 2020 Bestand haben in Pkw?
In Europa sicher. Daneben gibt es durchaus Märkte, wo er auf dem Vormarsch ist. In Südkorea beträgt etwa die Diesel-Rate inzwischen mehr als 50%. In den USA wird es schwierig, das billige Schiefergas senkt die Aussichten für Diesel zusätzlich.

Wo sehen Sie künftig neue Märkte? Ist Afrika so weit, um nach Asien, nach China als neuer Hoffnungsträger aufzutreten?
In dem Premium-Segment, in dem wir tätig sind, noch nicht. Aber einzelne Länder sind attraktive Märkte, die sich gut entwickeln. Allerdings sehen wir dort noch keine Entwicklung wie in China, Indien, Südkorea oder der Türkei.

Apropos Türkei: Einige Pkw-Hersteller sehen ihre großen früheren Erwartungen nicht erfüllt und ziehen sich zumindest teilweise wieder zurück. Wie ist Ihre Position?
Wir haben in der Türkei ein Nfz-Werk und unsere größte Bus-Produktion weltweit. Das läuft sehr, sehr gut. Wir sind im Pkw-Bereich dabei, den dortigen Zulieferbereich stärker zu erschließen und dort verstärkt einzukaufen. Das sind vor allem mechanische Teile, weniger Elektronik. Um dort Produktionen zu installieren, bräuchten wir entsprechende Stückzahlen, die wir im Moment nicht erkennen können für einen Premiumhersteller. Aber längerfristig ist dies durchaus eine realistische Perspektive.

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