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Mitfahrbericht

Mercedes F 015: Besuch in der Zukunft

Erstmals an Bord des Forschungsautos, das ohne Fahrer auskommt.

von Horst Bauer

09/01/2015, 12:10 PM

Ohne App geht gar nichts. Heute schon nicht, wenn man digital vorne dabei sein will. In der halbwegs absehbaren Zukunft daher schon gar nicht.

Also tippt Thomas Jäger, einer der Väter des Forschungsfahrzeugs von Mercedes, mit dem der Daimler-Konzern zeigen will, wie man sich autonomes Fahren vorstellt, an der richtigen Stelle auf sein Smart-Phone und schon setzt sich der F 015 auf seinem Abstellplatz in Bewegung, um uns abzuholen.

Diese Nummer hat auch schon James Bond mit seinem 7er-BMW beherrscht, aber das war eben Film. Und das hier auf einem alten Flugfeld gegenüber von San Francisco ist Realität. Die Mercedes-Limousine der Zukunft rollt selbsttätig vor, öffnet die Türen und schwenkt die vier Fauteuils in die via App vorgegebene Position. Und die ist natürlich so, dass die Passagiere einander zugewandt zum Sitzen kommen. Denn schließlich geht es darum darzustellen, dass sich im autonom fahrenden Auto der Zukunft niemand an Bord um die Banalität des mechanischen Steuerns kümmern muss. Im F 015 kann man das zwar, wenn einen des Autofahrens mächtigen Passagier der Hafer sticht, man muss aber nicht. Es reicht, das Ziel einzugeben und den Startbefehl zu erteilen. Via Sprache, Wischbewegung auf einem der Bildschirme oder – wir befinden uns in der Zukunft, in der die noch existierenden Probleme gelöst sein werden – via Gestensteuerung.

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Dann fährt der von einem Elektromotor angetriebene F 015 los (die Energie kommt aus Batterien oder von der mit Wasserstoff gespeisten Brennstoffzelle), seinem mit Hindernissen (Attrappen von Autos, Radfahrern und Fußgängern) gespickten Ziel am anderen Ende der Rollbahn entgegen. Die Pappkameraden umkurvt er dank des Zusammenspiels zahlreicher Infrarot-Sensoren und hochauflösender Kameras problemlos. In der luxuriösen Passagierhöhle beschäftigen sich die Mitfahrer unterdessen damit, ihre Sozialkontakte virtuell zu pflegen, sich durch auf den seitlichen Bildschirmen eingespielte Videos von idyllischen Landschaften aus der real durchfahrenen Umgebung zu lösen – oder einfach ganz altmodisch miteinander zu reden. Dabei sind sie von außen durch die abgedunkelten Scheiben praktisch unsichtbar. Denn: "Privatheit wird in der Zukunft der Megastädte ein Luxusgut sein", wie es Herbert Kohler, Direktor Konzernforschung und Nachhaltigkeit der Daimler AG formuliert. Daher habe man den F 015 als rollende Lounge konzipiert, in die man sich so zurückziehen könne wie zu Hause. Zudem habe man hier einmal zeigen wollen, wie das Interieur einer Luxus-Limousine der Zukunft aussehen würde, das durch deren Fähigkeit zum autonomen Fahren vollkommen neu gedacht werden könne.

Vertrauensvorschuss

Dem Passagier von heute fordert gerade diese Fähigkeit noch ein gerüttelt Maß an Vertrauensvorschuss in die autonom agierende Technik ab. Vor allem, wenn man sich – gegen die Fahrtrichtung sitzend – in eine Situation abseits des abgesperrten Flugfeldes hineindenkt.

Aber der F 015 bringt uns selbsttätig wieder heil zurück aus der Zukunft in die Realität der Jetztzeit und verabschiedet sich in Richtung Steckdose. Dass diese Zukunft noch etwas weiter entfernt ist, als man es im derzeitigen Medien-Hype um das Thema autonom fahrende Autos gerne prognostiziert, zeigt sich dann nicht nur an der Tatsache, dass der mit Hightech vollgestopfte rollende Roboter doch eines kundigen Piloten samt altmodischen Einweisers bedarf, um ohne Schrammen seine Strom-Versorgungsstation in der improvisierten Garage zu erreichen.

Auch die Workshops mit den in das Projekt involvierten Entwicklern zeigen ein ganz anderes Bild (siehe Artikel unten).

Vor 2030 ist an autonom fahrende Autos nicht zu denken

Zurück aus der Zukunft autonom fahrender Autos – die freundlich via LED-Lichtbändern mit Fußgängern und Radfahrern kommunizierend durch Begegnungszonen rollen, sich nach Ablieferung ihrer Passagiere selbsttätig in Parkräume am Stadtrand zurückziehen, um in den Innenstädten Raum freigeben zu können, und dann induktiv Solarstrom ladend den nächsten Fahrbefehl abwarten – in der banalen Realität komplizierter Technik und einer noch komplizierteren Rechtslage.Die wichtigsten Hürden auf dem Weg zum autonomen Fahren bestehen laut den Daimler-Entwicklern in neuen technischen Lösungen, deren Zuverlässigkeit, der Akzeptanz solcher Autos durch den Kunden, der Frage der Datensicherheit, der notwendigen Infrastruktur und letztlich der anzupassenden Rechtslage.

Allzu große Erwartungen hinsichtlich des letzten Punktes dämpft Charles Kawashima, bei den Daimler-Vorausdenkern im Silicon Valley für rechtliche Fragen zuständig. In den USA, durch die Vorreiterrolle Kaliforniens bei der Zulassung autonom fahrender Autos gerne als Zukunfts-Musterland genannt, "haben das erst vier Bundesstaaten erlaubt. Zehn prüfen die Frage derzeit und weitere sieben, darunter Texas und Arizona, haben so eine Zulassung nach Prüfung definitiv abgelehnt."

Außerdem muss auch in Kalifornien immer ein "trainierter Fahrer" mit an Bord sein, der im Notfall das Kommando übernehmen könnte und "die letzten 30 Sekunden aller Fahrdaten müssen verpflichtend aufgezeichnet werden." Die Frage, wer im Ernstfall Zugriff auf diese Daten erhalten soll, wirft ein Schlaglicht auf die Hürde "Datensicherheit". Und da ist noch nicht von allfälligen Hacker-Angriffen auf durch Smartphone-Apps gesteuerte Autos die Rede.

Aber auch was die Präzision der Steuerungs-Technik betrifft, sind noch sehr aufwendige Hausaufgaben zu machen. Die gerne als Killerargument für autonome Systeme verwendete Begründung, dem fehleranfälligen menschlichen Piloten müsse zur Erhöhung der Verkehrssicherheit von Computern das Steuer aus der Hand genommen werden, sehen jene, die konkret an solchen Systemen arbeiten, wesentlich nüchterner. "Auf die deutsche Autobahn bezogene Studien belegen, dass die menschlichen Autofahrer nur alle 7,5 Millionen Kilometer einen fatalen Fehler begehen." Stirnrunzelnder Nachsatz: "Autonom fahrende Systeme müssen besser sein, bevor sie eingeführt werden können."

Und das auch bei schlechtem Wetter und eingeschränkter Sicht. Was banal klingt, ist für die aktuelle Sensor- und Kameratechnik eine noch bei Weitem nicht genommene Hürde.

Alles zusammengenommen parkt das autonom fahrende Auto, das ohne im Notfall eingreifenden Fahrer auskommt, trotz des Hypes um das Google-Auto und die Anstrengungen der etablierten Hersteller zeitlich noch nicht gleich um die Ecke. Ernüchternde Einschätzung derer, die daran tatsächlich arbeiten: "Auf keinen Fall vor 2030!"

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