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So fährt sich der elektrische Polestar 2 auf heimischen Straßen

Jetzt ist auch Österreich dran. Wie man bei uns zu einem Polestar 2 kommt - und warum man sein altes Auto nicht eintauschen kann

von Horst Bauer

06/10/2021, 03:00 AM

Das Warten hat ein Ende. Zumindest für jene, die schnell genug waren, um sich auf der Interessenten-Liste für den Polestar 2 einzutragen. Diese potentiellen Kunden des neuen Premium-Elektroautos aus der chinesisch-schwedischen Geely-/Volvo-Familie werden demnächst die Gelegenheit zu einer Probefahrt bekommen.

Laut Tom Hörmann, dem Chef von Polestar-Austria, wird dann im September der offizielle Verkauf (ausschließlich Online) starten und im Oktober sollten die ersten Polestar 2 an ihre neuen Besitzer ausgeliefert werden.

Was sie für ihre (nicht verhandelbaren) 55.900 € bekommen, haben wir uns auf einer ersten ausführlichen Testfahrt auf heimischen Straßen näher angeschaut.

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Erster Eindruck des direkt auf den Tesla 3 angesetzten Polestar 2: Er kann optisch seine Verwandtschaft zu Volvo nicht verleugnen - was kein schlechtes Zeichen ist. Die Designer unter der Führung des Österreichers Max Missoni haben die bei Elektroautos dieses Kalibers (die Batterien im Keller brauchen schließlich Platz) nicht zu umgehende größere Fahrzeughöhe elegant kaschiert. Was ihnen auch mit der riesigen Heckklappe gelungen ist, unter der sich ein sehr geräumiges Gepäckabteil verbirgt. Das noch dazu nicht mit Ladekabel-Ablagen verunstaltet ist. Die hat man unter der ebenfalls nicht gerade kleinen Fronthaube untergebracht.

Der Innenraum des Polestar 2 besticht nicht nur durch sehr solide Verarbeitung und hochwertig wirkende Materialien, er ist auch, was das Bedienkonzept angeht, so etwas wie eine Antithese zu Tesla.

Tablet statt Großbildschirm

Also kein riesiger Bildschirm als einziger Kommunikationszentrale zwischen Fahrer und Auto, sondern ein Monitor in Tablet-Größe. Und davor sogar ein ganz und gar analoger, gut zur Hand liegender Dreh- Drück-Knopf für die Interaktion mit der Bord-Beschallung.

Hat man einmal Platz genommen auf dem Fahrersitz, reicht es, den Fuß auf die Bremse zu stellen und den Fahrtrichtungsgeber auf der Mittelkonsole in die gewünschte Richtung zu schieben. Der Startknopf wurde also eingespart - soviel neue Welt muss schon sein, für eine Marke, die das Motto "digital first" vor sich herträgt.

Setzt sich der Polestar 2 in Bewegung, hat der Fahrer drei Möglichkeiten, die Verzögerung zu gestalten. Bleibt er im Standard-Modus, bietet ihm das System das bei manchen E-Auto-Fahrern so beliebte Ein-Pedal-Fahren (also so starke Bremsrekuperation, dass man die normale Bremse kaum mehr braucht). Allerdings macht Polestar keine Religion daraus, sondern bietet noch zwei weitere Stufen an. Eine lässt den gewohnten Fahrstil zu und verzögert nur leicht, wenn man vom Fahrpedal geht. Und schließlich kann man die Rekuperation auch ganz wegschalten, um im Leerlauf dahinzusegeln.

In 4,7 Sekunden auf Tempo 100

Was die Beschleunigung angeht, so bleibt im Polestar 2 bei Bedarf kein Auge trocken. Die Zahlen (4,7 Sekunden von 0 auf 100 km/h, Spitze 205 km/h) erzählen dabei jedoch nur die halbe Geschichte. Wer es darauf anlegt, kann sich aus dem Stand natürlich so wegkatapultieren, dass ihn die (Volvo-typisch weit nach vorne gebogene) Kopfstütze von hinten anspringt. Kommt es nur auf guten Durchzug und möglichst große Abkürzung von Überholvorgängen an, dann zeigt sich, dass hier Entwicklungsingenieure am Werk waren, die nicht dem schieren Druck der technisch bedingten explosionsartigen Drehmomententfaltung der beiden starken E-Motoren (zusammen 300 kW bzw. 408 PS) erlegen sind. All die Kraft wird so gut dosiert abgerufen, dass es zu keinen Bocksprüngen kommt, wie bei so manchem anderen E-Auto-Novizen. Stetiger, nicht abreißender Zug nach vorne wird via Allradantrieb so effizient abgeliefert, dass es eine Freude ist.

Diese hält sich auch im Kurvengeschlängel, weil der Pilot des Polestar 2 auf ein sehr solides Fahrwerk vertrauen kann, das mit den in Bewegung gesetzten Kräften gut zurande kommt, ohne sich ständig auf die kalmierende Wirkung der elektronischen Fahrhilfen verlassen zu müssen. Dass sich die Lenkung in solchen Fällen per virtuellem Tastendruck auf dem Monitor sportlicher einstellen lässt, trägt ebenfalls zum erfreulich dynamischen Gesamtbild bei. 

Dass man dabei rund 2,2 Tonnen Auto durch die Gegend wuchtet, merkt man nicht nur beim Anbremsen von Kurven. Auch die Dämpfer sind zwangsläufig nicht von der ganz komfortablen Sorte, was sich vor allem bei Fahrbahnunebenheiten zeigt. Kanaldeckeln weicht man schon nach den ersten Kilometern am Steuer des Polestar 2 beinahe intuitiv aus.

Beruhigende Reichweite

Was die Kernkompetenz von Elektroautos angeht, so kann nach einer ersten Ausfahrt auf gemischtem Geläuf von Stadtverkehr über freie Landstraßen bis zu Autobahnkilometern berichtet werden: Auf die beim Start angegebene Reichweite - in unserem Fall bei vollgeladener Batterie 400 km - kann man sich weitgehend verlassen. Nach 138 km Fahrt innerhalb der Limits und mit ein paar stärkeren Beschleunigungs-Strecken standen laut Bordrechner noch 240 km Reichweite zur Verfügung. Dabei lag der Realverbrauch mit einem Schnitt von 21,5 kWh/100 km in überschauberem Abstand vom Normverbrauchswert, der mit 19,3 kWh/100 km abgegeben wird.

Wie man zu einem Polestar 2 kommt

Wer jetzt auf den Geschmack gekommen ist und ernsthaft überlegt, sich einen Polestar 2 in die Garage zu stellen, der muss jedoch einige lieb gewonnene Gewohnheiten über den Haufen werfen. So etwa den Besuch bei einem Händlerbetrieb samt Preisverhandlungsritual. Zwar wird demnächst in Wien ein sogenannter Polestar-Space als Schauraum eingerichtet (pikanterweise an jener Adresse in der Innenstadt, die Tesla vor einiger Zeit aufgegeben hat) und in Graz, Linz, Salzburg und Innsbruck wird es ebenfalls Möglichkeiten geben, einen Polestar 2 ganz analog begutachten zu können. Gekauft kann aber nur vie Polestar-Webpage direkt im Internet werden. Und über die dort angegebenen 55.900 € lässt es sich mit dem Algorithmus nicht verhandeln.

Auch den Eintausch seines bisherigen Autos samt Aufzahlung auf einen neuen Polestar 2 kann der potentielle Kunde vergessen. Entweder selbst privat verkaufen oder auf ein Angebot eines Polestar-Servicepartner (vulgo Volvo-Händler) hoffen, heißt hier die Devise.

An einem Zustellservice für Kunden, die auch nicht zu einem Servicepartner zur Übernahme ihres Schmuckstücks wollen, wird laut Polestar-Österreich-Chef Tom Hörmann gearbeitet. In der Anfangsphase des Vertriebs bei uns sollte man aber nicht damit rechnen.

Apropos rechnen: Das leidige Thema Ladekarten-Wirrwarr versucht Polstar mit einer zentralen Karte des Anbieters Plugsurf (zahlreiche Ladepunkte verschiedener internationaler Betreiber können mit einer einzigen Karte benutzt werden) zu lösen. Was in Österreich aber noch eher überschaubare Durchschlagskraft hat, gehören zwar regionale Anbieter wie etwa Wienenergie dazu, die verbreiteten Smartrics-Stationen bleiben beim Vorzeigen einer Polestar-Karte derzeit jedoch noch finster. Dafür hat man aber aktuell den internationalen Schnellade-Anbieter Ionity an Bord geholt und dort auch gleich eine durchaus herzeigbare Flatrate vereinbart (35 Cent pro kWh, abgerechnet wird nach kWh, nicht nach Zeit).

Glasdach ohne Abdeckmöglichkeit

Was sonst noch aufgefallen ist bei Erstkontakt mit einem Polestar 2 an einem der ersten Sommertage in Wien und Umgebung: Das riesige Glasdach hat zwar einen starken Filter eingebaut (Polestar-CEO Thomas Ingenlath vergleicht dessen Wirkung gerne mit der einer Sonnenbrille), wer aber dennoch nicht ständig Licht und Wärme von oben will, muss sich eine schattigere Strecke aussuchen.

Oder sich später einen Polestar aus den Emiraten organisieren.

Dort wird man laut Ingenlath aufgrund der besonderen klimatischen Bedingungen wohl nicht umhin können, eine Abdeckmöglichkeit einzubauen.

Antrieb: Zwei Elektromnotren, AC synchron, Permanentmagnet von Valeo-Siemens. Leistung 2 x 150 kW = 300 kW (408 PS), Drehmoment 2 x 330 Nm = 660 Nm. Eingang-Getribe, Allradantrieb

Fahrwerk: McPherson-Federbeine vorne, Multi-Link-Aufhängung hinten, vier Scheibenbremsen

Batterie: 400 V Lithium-Ionen, Kapazität 78 kWh, 324 Zellen in 27 Modulen. Ladefähigkeit AC: bis zu 11 kW (1- oder 3-phasig), bordeigenes Ladegerät
DC: bis zu 155 kW. Ladezeiten 35 min DC 10-80 %
Normreichweite nach WLTP: 470 km
Normverbrauch (gewichtet): 19,3 kWh/100 km

Fahrleistungen: Höchstgeschwindigkeit 205 km/h, Beschleunigung von 0-100 km/h in 4,7 Sekunden

Abmessungen:
Länge x Breite x Höhe: 4.606 x 1.479 mm x 1.985 mm (einschließlich Spiegel), Radstand 2.735 mm, Leergewicht 2.123 kg.
Staufach vorne 35 Liter, Kofferraumvolumen 405 Liter, (inkl. 41 unter dem Boden) bis 1.095 l

Kosten:

Einführungspreis mit Vollausstattung abzüglich des Herstelleranteils der heimischen E-Auto-Förderung: 55.900 €

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