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Fahrbericht

Rolls-Royce Dawn: Eine Frage der Zeit, nicht des Geldes

Die luxuriöseste Möglichkeit, sich einen Schnupfen zu holen, kommt als das leiseste und stärkste Cabrio mit vollwertigen vier Sitzen.

von Horst Bauer

04/06/2016, 01:25 PM

Wer über Geld spricht, hat keines. Heißt es. Daher gleich die zentrale Botschaft: Der neue Rolls-Royce Dawn kostet € 277.000,–. Allerdings ohne österreichischer Steuern und in der Grundausstattung.

Da es bei der nicht bleibt, sondern eine Vielzahl an Möglichkeiten zur individuellen Ausgestaltung angeboten wird, kann man davon ausgehen, dass es dabei nicht bleiben wird. Das sonst üblichen Gejammere über ausgedehnte Aufpreislisten, trifft hier allerdings nicht den Kern der Sache. In diesen Regionen geht es einfach um die individuelle Ausgestaltung, die letztlich keine Frage des Geldes ist – sondern nur eine Frage der Zeit, um die man die Auslieferung durch Sonderwünsche verzögert.

Wie lange das auch dauern mag, die betuchte Kundschaft bekommt praktisch zwei Autos in einem geliefert. Einerseits das stärkste (570 PS) und luxuriöseste Cabrio mit vollwertigen vier Sitzen und anderseits das leiseste Coupé, das sein Dach auch öffnen kann.

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Ob solche Ansagen in der Fahrpraxis haltbar sind, konnte der Motor-KURIER als einziges heimisches Medium in der Vorwoche selbst überprüfen.

Nach 300 km auf den Straßen des südafrikanischen Kaplandes lässt sich sagen, dass der Dawn wohl der insgesamt beste Rolls-Royce ist, der bisher gebaut wurde. Dem nach 14 Jahren Bauzeit in Ehren ergrauten Phantom hat er die technische Ausstattung auf der Höhe der Zeit voraus, dem engen Verwandten Wraith die Fähigkeit, das Dach zu öffnen und dennoch mit geschlossenem Verdeck keine Abstriche bei der Innenraum-Akustik machen zu müssen.

Apropos Verdeck: Wer je erleben durfte, welches Erdbeben einen Rolls-Royce Corniche erzittern ließ, wenn sich das Verdeck zur Öffnung hochgestemmt hat, wird es nicht für möglich halten, in welcher Ruhe und Unaufgeregtheit dies heute bei einem Dawn vonstattengeht. Die Übung ist in rund 22 Sekunden erledigt und kann bis Tempo 50 durchgeführt werden.

Ist das Verdeck aufgezogen, fährt sich der Dawn tatsächlich wie ein Coupé mit fix verlötetem Dach – so wenig ist von Antriebs- oder Windgeräuschen im Passagierabteil zu hören. Und die beiden Plätze im Fond haben langstreckentaugliche Qualitäten, so viel Bein- und Kopffreiheit bleibt selbst Großgewachsenen.

Leichtfüßige 2,6 Tonnen

Bei geöffnetem Verdeck beeindruckt die Verwindungssteifigkeit der immerhin rund 2,6 Tonnen schweren und 5,2 m langen exklusiven Fuhre.

Dass der 6,6-Liter-Biturbo-V12 genügend Leistung für äußerst souveräne Fortbewegung anbietet, ist ja keine Überraschung. Dennoch staunt man, dass 4,9 Sekunden reichen, um sich aus dem Stand auf Tempo 100 zu wuchten. Was ja in der Praxis kaum je der Fall sein wird, verführt der Dawn doch wie jeder Rolls-Royce schon allein durch seine Masse zu eher gelassener Gangart.

Da die mächtige Drehmomentwelle des Zwölfzylinders (780 Nm) schon ab 1500 Touren zur Verfügung steht und die 8-Gang-Automatik ohne Zutun des Piloten immer die optimale Leistungsstufe anliegen hat, weil sie durch die Bordnavigation über den Straßenverlauf vorinformiert wird, ist man dann meist doch überrascht, wie leichtfüßig sich der Dawn über gewundene Passstraßen scheuchen lässt.

Dass die Physik dennoch nicht aufgehoben ist, merkt man erst beim Auswurf des Ankers. Über 2,6 Tonnen Lebendgewicht wollen erst einmal wieder eingebremst werden.

Natürlich stehen, den Zeichen der modernen Zeiten folgend, auch allerlei elektronische Knechte (Pardon, Butler) zur Verfügung, um dem Fahrer bei den schnöden Verrichtungen, die ihm der gemeine Alltagsverkehr abverlangt – etwa dem Abstand- oder Spurhalten – unter die Arme zu greifen.

Sie halten sich jedoch diskret im Hintergrund, auch was deren Aktivierungs-Schalter im Cockpit angeht. Und Fingerabdrücke auf dem zentralen Monitor sind ohnehin Tabu – es wird darauf nicht herumgetatscht, die Befehle an den Bordcomputer erteilt man via Dreh-/Drücksteller auf der Mittelkonsole, auch "Spirit of Ecstasy Rotary Controller" genannt.

Wer auf den Geschmack gekommen ist und etwa seinen Lotto-Jackpot doch in einer Mobilie anlegen möchte, dem sei gesagt: Die erste Jahresproduktion des Dawn von 800 Stück ist leider bereits verkauft. Der nächste Rolls-Royce-Händler ist in München (bei BMW-Wien wird nur repariert). Und auf den hinteren Sitzen ist zwar tatsächlich sehr viel Platz für zwei Erwachsene – bei offenem Verdeck zieht es dort aber jenseits des Promenaden-Tempos genau so erbärmlich wie in jedem Golf Cabrio.

Die Kundschaft ist jünger geworden

Die Einführung des Dawn macht sichtbar, wie sich die Kundenstruktur der noblen Briten geändert hat. Rolls-Royce-Chef Torsten Müller-Ötvös zum Motor-KURIER: "Als ich vor sieben Jahren hier begonnen habe, lag das durchschnittliche Alter unserer Kunden bei 55 Jahren. Heute ist es bei 45." Rund 80 % sind erfolgreiche Unternehmer, die ihre international tätigen Firmen selbst aufgebaut haben, rund 20 % wohlhabende Prominente."

Diese jüngere Klientel wollte auch ein sportlicheres Cabrio mit vollwertigen vier Sitzen haben, das man mit dem Dawn nun geliefert hat. Dafür wird der Nachfolger des für 2018 geplanten Phantom (dessen Produktion heuer ausläuft) kein Coupé- bzw. Cabrio-Derivat mehr bekommen. Danach steht dann das erste SUV der Marke an, in dessen Entwicklung das Geld gesteckt wird, dass man sonst für Phantom-Derivate ausgegeben hätte.

Dass die Kundschaft dafür fehlen könnte, sorgt Müller-Ötvös übrigens kaum. So konnte der Rückgang in China durch Zuwächse auf anderen Märkten (derzeit boomt etwa Süd-Korea) kompensiert werden. Und, gibt sich der Rolls-Royce-Chef zuversichtlich: "Das Segment der Superreichen wächst weltweit um drei Prozent pro Jahr."

Video: Rolls-Royce Dawn

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