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Oldtimer

Rolls-Royce und die Geister der Alpenfahrt

100 Jahre nach dem Triumph von Rolls-Royce sind 47 Silver Ghost unterwegs auf den Originalpfaden.

von Michael Andrusio

06/27/2013, 07:53 AM

Herr Kennedy war „not amused“. Just an diesem Tag war das Pordoijoch, das eines der Höhepunkte der Tour hätte sein sollen, gesperrt. Und alles wegen eines Radrennens. Aber der Pordoi meinte es meist nicht gut mit den Startern der Alpenfahrt. Das war 1913 nicht anders, als die Teilnehmer bei Sonnenschein in Riva am Gardasee starteten und am Pordoi im Schnee standen.

1913 war jene Alpenfahrt, die von Rolls-Royce dominiert wurde und Anlass für die Briten war, ihre Autos fürderhin als die besten Welt zu bezeichnen. Dabei galt es zunächst die Schmach von 1912 zu tilgen: Damals war James Radley mit seinem Rolls-Royce-Auto beim Ansturm auf den Katschberg kläglich gescheitert, nachdem sein Auto zwar sechs Zylinder, aber eine zu lange Übersetzung hatte. Das konnte man nicht auf sich sitzen lassen. Man konstruierte ein neues Getriebe und 1913 kamen gleich vier Rolls-Royce zum Start nach Wien.

Bericht vom Start

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Ein Reporter von der Allgemeinen Automobil Zeitung berichtet: Kurz nach vier Uhr kommen, alle vier hintereinander, die Rolls-Royce angefahren und nehmen ihre Plätze ander Spitze der Kolonne ein, wohin sie ihre 7,41 Liter Zylinderinhalt verweisen. Heuer kennt das Publikum die Marke schon und begrüßt sie beifällig. Eine Reihe von Englishmen ist alsbald beschäftigt, allerlei an den Wagen nachzusehen und Gepäck, Mäntel, Kontrollore, Proviant,etc. passend zu verstauen.

Anno 2013 ist das Fahrzeug von James Radley wieder unterwegs auf den Spuren der Alpenfahrt. Und es gehört ... genau: John Kennedy. Sein Groll über die verpasste Pordoi-Befahrung hat sich mittlerweile gelegt und eine Ausweichroute ist auch rasch ausgemacht. Zudem ist er so freundlich, den Motor-KURIER in seinem historischen Ghost (also Geist) mitzunehmen. Anlässlich des Erfolges von 1913 machen zwei Rolls-Royce-Clubs eine Tour durch die Alpen mit Start und Ziel in Wien.

Manche, wie Mister Kennedy, nehmen es mit der Strecke sehr ernst. Er kennt jede Kehre der Originalstrecke, hat er doch bereits Anfang der 90er-Jahre Wochen in der österreichischen Nationalbibliothek verbracht, um zum Thema Alpenfahrt zu recherchieren. Andere nehmen es eher locker, wie der Ex-Rennfahrer aus Texas, der schaut, „irgendwie durch die Berge durchzutreffen“. Es ist ein ziemlich illustrer und gut aufgelegter Haufen, der hier unterwegs ist.

Die Fahrt im Rolls-Royce ist vergnüglich, der Sechszylinder läuft so leise, dass man die Vögel zwitschern hört und die Maschine bringt das Auto nicht schnell, aber stetig die Berge hinauf. Etwas heikler die Fahrt bergab. Gebremst wird vor allem mit der Handbremse, die beim Radley-Auto außen angebracht ist. Eine Fußbremse ist auch vorhanden, wirkt aber aufs Getriebe und wird von den Piloten nicht so gern verwendet. In den engen Kehren kurbelt Mister Kennedy fleißig, um die Fuhre ums Eck zu kriegen.

Heikelster Punkt sind die Reifen. Manche verwenden Produkte, die der Originalbauart entsprechen, die gehen aber schnell kaputt. Nick, einer der Organisatoren der Tour, erzählt uns, dass auf der Fahrt von Wien bis Riva ungefähr 24 Reifen geplatzt sind. Das ist unerfreulich und auch teuer. So ein Reifen kostet bis zu 500 Pfund.

Guntramsdorf

Anno 1913 kam es auf die Zuverlässigkeit der Autos an. Für ein Nicht-Anspringen innerhalb einer bestimmten Zeit gab es Strafpunkte. Es wäre ein totaler Triumph für das Rolls-Royce-Team geworden, wäre nicht Hives in Guntramsdorf von einem Minerva abgeschossen worden. Er traf einen Telegrafenmast, konnte sein Auto aber noch so weit wieder herstellen, dass er es bis ins Ziel schaffte. Von den 46 Gestarteten sahen mehr als 30 Autos das Ziel. C.C. Friese auf Rolls-Royce erhielt den Preis seiner k.u.k Hoheit des Herrn Erzherzogs Leopold Salvator, James Radley wurde mit dem Preis der Stadt Triest ausgezeichnet.

Die Alpenfahrer 2013 kommen am 29.06. wieder nach Wien und haben ihr Ziel beim Kursalon Hübner.

So fährt es sich im Rolls-Royce von 1913

Die Alpenfahrt 1913

Die Alpenfahrt 1913 bzw. "Internationale Konkurrenz für Tourenautomobile in sieben Non-stop Etappen und einem Rasttag über insgesamt 2668 Kilometer" wurde am 22. Juni in der Laxenburgerstraße in Wien gestartet (in der Ausschreibung hieß es übrigens auch: "Die Veranstaltung findet bei jeder Witterung statt, ob schön, ob Regen"). 46 Autos waren gemeldet und die Startaufstellung erfolgte nach dem Hubraum: Beginnend mit den Rolls-Royce-Autos mit 7,41 Liter Hubraum bis zum Austro-Daimler am Ende des Feldes mit 2,21 Liter (gelenkt von Prinz Elias von Parma).


Ein Reporter von der Allgemeinen Automobil Zeitung berichtet:Für tout Vienne, soweit es automobilistisch angehaucht ist, ist mit der Alpenfahrt eine Festwoche angebrochen, deren erste Festlichkeit der Start weit draußen am Ende der Laxenburgerstraße, bei der Süd-Auto, ist...Das Treiben wird immer lebhafter und bunter, die Straße ist auf mehr als einen halben Kilometer von Wagen und Menschen dicht besetzt. Ein bürgerlicher Gastwirt, eine Tabaktrafik, eine Würstelbude haben ihre Tore geöffnet und finden fleißigen Zuspruch. Herren, denen Armbinden in allerlei Farben und mit allerlei Aufschriften Gewicht und Geltung verleihen, schreiten würdevoll einher oder bahnen sich geschäftig ihren Weg. Kurz nach 4 Uhr kommen, alle vier hintereinander, die Rolls-Royce angefahren und nehmen ihre Plätze an der Spitze der Kolonne ein, wohin sie ihre 7,41 Liter Zylinderinhalt verweisen. Heuer kennt das Publikum die Marke schon und begrüßt die beifällig. Eine Reihe von Englishmen ist alsbald beschäftigt, allerlei an den Wagen nachzusehen und Gepäck, Mäntel, Kontrollore, Proviant, etc. passend zu verstauen...Zu den letzten Vorbereitungen der Alpenfahrer gehört es auch, ein Glas Feingespritzten zu sich zu nehmen, das man ihnen vor dem Start kredenzte; viele warteten indes nicht so lange, sondern gossen sich das erfrischende Getränk schon füher hinter die Binde.

Von Wien nach Salzburg

Die erste Etappe führte die Alpenfahrer von Wien über den Semmering, Mürzzuschlag, Mürzsteg, Niederalpl, Mariazell, Puchenstuben, Scheibbs, Enns und Wels nach Salzburg. Von Salzburg fuhr man weiter nach Innsbruck, wobei es unter anderem den Katschberg zu überwinden galt. Der Reporter berichet: In St. Michael am Fuße des Katschberges trägt das erste Haus eine Aufschrift, die wie eine Verhöhnung des gesamten Automobilismus klingt. "Autovorspann zum Katschberg" heißt die Aufschrift. So ist es freilich noch gar nicht so lange her, da beorderten wir selbst vier kräftige Pferde als Vorspann für unseren Sechzigpferder, und seither werden wohl noch einige stecken geblieben sein.


Von Innsbruck ging es nach Riva am Gardasee (Prinz Elias von Parma gab übrigens während dieser Etappe auf, weil er der Ansicht war, dass für so einen kleinen, schwachen Wagen die Etappenlängen zu reichlich bemessen sind).
Am Gardasee hatten die Teilnehmer noch schönes Wetter, das sollte sich aber während der Fahrt nach Toblach ändern:Die heutige Etappe, die über die vier großen Alpenpässe, Broccone, Rolle, Pordoijoch und Falzarego führte, stellte ganz enorme Anforderungen an die Wagen und Teilnehmer. Dies nicht nur wegen der Schwierigkeiten der Strecke, sondern auch wegen des ganz unglaublich schlechten Wetters. Es regnete und schneite. Der Sturm bließ über die Höhen und der dichte Nebel ließ oft auf zwanzig Meter die Straße nicht erkennen. Die meisten Konkurrenten haben nur leichte amerikanische Dächer, in die der Sturm den Regen peitschte. In Toblach trafen die Konkurrenten müde und durchfroren ein. Mancher war bis auf die Haut durchnäßt. Besonders die Damen, deren übrigens diesmal nur wenige mittun, waren sehr erschöpft.

Eine Überraschung gab es auf dem Broccone-Pass, wo Einheimische schon vorsorglich einen Riesenbottich Wasser hingeschleppt hatten, nachdem im Jahr zuvor ebendort ein Mors-Wagen in Flammen aufgegangen war.

Kälte in den Bergen

Es blieb kalt während der Alpenfahrt 1913: In dem 1200 m hohen Toblach war es morgens sehr kalt. Man konnte nicht erwarten, dass die Maschinen, die eine ganze Nacht lang in strömendem Regen gestanden, gut angehen würden. Der erste, den das Schicksal traf, daß sein Motor nicht innerhalb einer Minute anging, war der englische Amateur Radley; er brauchte vier Minuten.


In Triest gab es den wohlverdienten Ruhetag, dann führte die Alpenfahrt von Triest über Klagenfurt wieder zurück nach Wien, wo man am 29. Juni ankam. Kurz vor dem Ziel, in Guntramsdorf, hätte der Rolls-Royce-Werksfahrer Hives sein Auto noch fast um einen Telegrafenmasten gewickelt, nachdem ihn ein Minerva touchiert hatte. Der Brite hatte Glück und machte sein Vehikel noch so weit fahrtüchtig, dass er sich mit einem Gang nach Wien schleppen konnte.

Der mitfahrende Reporter schildert die letzten Kilometer: Dann noch eine kurze Fahrt über die Straßen Wiens, über den Schwarzenbergplatz und den Ring und nun hält unser wackerer grauer Wagen beim letzten Etappenziel. Lorbeerkranz, Bergüßungen, Händedrücke, Gratulationen. Aus ist's! Doch möchte ich mit den Worten unseres Kontrollors schließen: "Schön war es, aber gerade genug."


Von den in Wien Gestarteten kamen 34 wieder ins Ziel (drei davon außer Konkurrenz). Auf die Autos wartete nun noch die Konditionsprüfung im Arsenal. Nach der Prüfung blieben neun Fahrzeuge ohne Strafpunkte. Mit der silbernen Wagenplakette wurden C.C. Friese (Rolls-Royce), Hives (Rolls-Royce), Radley (Rolls-Royce), deJong (Minerva-Knight), Franz Quidenus (Minerva-Knight), Dr.Rudolf Stöß (Horch), Georg Paulmann (Horch), Robert Dollfus (Delaunay-Belleville), Otto Hieronimus (Laurin&Klement), Walter Delmar (Benz), Sirutschek (Raaba), August Horch (Audi), Hermann Lange (Audi), Alexander Graumüller (Audi) und Louis Obruba (Audi) ausgezeichnet. Der Teampreis wurde dem Audi-Team zuerkannt. Die anderen Preise (Preis des Kriegsministeriums, Preis der Stadt Wien, etc.) wurden durch Losentscheid vergeben.

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