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Saab: Todeskampf einer Automarke

Seit Jahren kämpft der schwedische Autobauer ums Überleben. Seit April steht die Produktion still. An eine Weiterführung der Marke glaubt heute kaum noch jemand.

12/05/2011, 07:42 AM

Auf der IAA vergangene Woche präsentierten 1012 Aussteller aus 32 Ländern ihre Produkte. 89 Auto-Weltpremieren wurden gefeiert. Nur Saab war nicht da.

Der schwedische Autobauer musste die Produktion im April weitgehend einstellen, seit Juni geht gar nichts mehr. Nach 15.194 verkauften Autos 2011 sieht es für eine Zukunft schlecht aus. Die Mitarbeiter, Kunden, Zulieferer und Händler sind seit Monaten mit Sein oder Nichtsein ihrer Automarke konfrontiert. Saab hat im ersten Halbjahr 224 Millionen Euro Verlust eingefahren. Entscheidungen ziehen sich, es gibt keine klare Linie. Ein schwedisches Gericht erlaubte Saab, gegen die Entscheidung einer niedrigeren Instanz in Berufung zu gehen, die den Antrag auf Gläubigerschutz abgelehnt hatte. Das Gericht hat nun entschieden, den früheren Beschluss zu kippen und Saab Schutz vor seinen Gläubigern und damit Überlebenschancen zu gewähren. Saab hat nun drei Monate Zeit für eine umfassende Restrukturierung, eine Verlängerung der Frist ist möglich. Die neue Entscheidung ermöglicht es auch, dass der schwedische Staat für die Löhne der Arbeiter aufkommt.

Und jetzt?

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Die schwedischen Medien sehen indes kaum noch Überlebenschancen für ihre Traditionsmarke. Die Zeitung Dagens Nyheter : "Saab hat weder Geld, eine laufende Produktion noch neue Modelle oder einen Geschäftsplan." Der vor Gericht vorgelegte Plan mit schwarzen Zahlen 2013 bei etwa 100.000 verkauften Autos sei "völlig unrealistisch".

Die Göteborgs-Posten schrieb: "Alles andere als eine Ablehnung des Antrags auf Gläubigerschutz wäre unlogisch und eine große Überraschung." Saab-Chef Victor Muller habe "keine Finanziers zur Hand". Muller hatte den Antrag mit der Hoffnung begründet, dass von zwei chinesischen Unternehmen zugesagte 245 Mio. Euro den Weg für eine Sanierung öffnen würden. Auch die Wirtschafts-Tageszeitung Dagens Industri ist pessimistisch: "Wir erleben höchstwahrscheinlich den Todeskampf von Saab, auch wenn Muller noch eine zusätzliche Gnadenfrist bekommen sollte." Alle bisherigen Geschäftspläne und Visionen des Niederländers seien "meistens Luft" gewesen sowie eine "Mischung aus Überschätzung der Anziehungskraft von Saab als kleinem Markennamen und Unterschätzung der Kosten".

Die Versäumnisse

Dabei kann Saab auf viel positive Geschichte zurückblicken. Die Firma ging aus der Pkw-Sparte des gleichnamigen Flugzeug- und Rüstungskonzerns hervor. Die Skandinavier mit Stammwerk in Trollhättan haben sich seit 1947 einen Namen durch ungewöhnliche aerodynamische Formen und später durch aufwendige Sicherheitstechnik gemacht. Saab war die solide Schweden-Marke für den lässigen Intellektuellen und Freiberufler, skurril, mit bizarren Hinterteilen, umchromt, zugespitzt, abgekantet. Aber immer emotionalisierend.

Totengräber GM

Bis 1990 General Motors ( GM) übernahm, zuerst 50 Prozent, im Jahr 2000 dann komplett. Und den Autos die Seele nahm. Unter der Herrschaft des größten Autokonzerns der Welt setzte Saab fast ausschließlich auf Benzin schluckende Oberklasse-Modelle. GM plünderte das Image, verheiratete Saab mit Opel, pumpte die Wagen in den US-Markt. Die Manager von GM dachten emotionslos amerikanisch. Management by verbrannter Erde. Und verscheuchte die Stammkunden der Studienräte und Apotheker. Bei Absatzzahlen um die 100.000 fuhr man fast jährlich Verluste ein.

Ende 2008 wurde Saab abgestoßen. Der kleine niederländische Sportwagenhersteller Spyker Cars (jetzt: Swedish Automobile) kaufte, und kündigte den Einstieg von Investoren erst aus Russland, dann aus China an. Es folgte chronischer Kapitalmangel. Österreich-Geschäftsführer Stefan Mladek: "Saab ist seit dem 23. Februar 2010 eigenständig. Der Businessplan hat immer vorgesehen, dass es einige Zeit bedarf, bis die hohen Kosten für den Neustart und die Entwicklung neuer Technologien und Produkte amortisiert werden."

Der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer meint, der neue Eigner habe sich maßlos überschätzt. Saab spiele in einer Liga mit den großen Oberklasse-Herstellern BMW, Audi, Daimler oder auch Volvo. Diese hätten aber weitaus größere Stückzahlen, erklärte Dudenhöffer. Daher sei das Geschäft bei Saab "wirtschaftlich nicht darstellbar". Mladek entgegnet: "Saab ist ein kleiner, unabhängiger Hersteller, der nicht mit den großen Konzernen vergleichbar ist. Saab wird niemals ein Auto bauen, das jedem gefällt und für jeden gemacht ist. Die Marke steht für Individualität."

Für Autoexperte Stefan Bratzel von der FH in Bergisch Gladbach ist "Saab ein Beispiel dafür, dass man sich nicht den Spielregeln einer wettbewerbsintensiven globalen Branche entziehen kann. Hierzu gehören eine gewisse strategische Mindestgröße und eine gute Produkt- und Marktpositionierung". Zudem sei Saab für die anstehenden technologischen Herausforderungen "völlig unterfinanziert". Zum Start ins Elektro-Zeitalter sind Milliarden-Investitionen notwendig.

Anders sieht das Christoph Stürmer vom Beratungsunternehmen IHS Global Insight. Saab habe eine weltweite Bekanntheit, das könnte ein Überleben ermöglichen. Aber: "Es muss völlig neu aufgestellt werden und ein Geschäftsmodell für 200.000 Autos pro Jahr entwickeln." Vorstellbar für einen neuen Investor sei es, Saab als "Öko-Marke" zu positionieren.

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