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Torque Vectoring: Die Zauberformel

Vor 16 Jahren im Rallyesport zum ersten Mal erfolgreich eingesetzt, erobert diese Momentenverteilung inzwischen sogar Kompaktautos. Zwei führende Zulieferer, ZF und Bosch, über Vor- und Nachteile der derzeit vorherrschenden Systeme für die Kunden.

von Maria Brandl

05/31/2012, 11:23 AM

Die Kraft dank Allradantrieb bloß variabel zwischen Vorder- und Hinterachse zu verteilen, war gestern. Immer öfter wird das Antriebsmoment zusätzlich auch individuell zwischen den Rädern verteilt. Die Zauberformel dafür lautet "Torque Vectoring" oder Antriebsmomentenverteilung.

Was 1996 als Technologiesprung im Rallye-Überflieger Mitsubishi Lancer Evo IV begann, kam etliche Jahre später, auch in Oberklasselimousinen wie dem Honda Legend und ein paar Jahre später in den Kampfsportlern BMW X6 und X5 M sowie dem Audi A8. Es handelte sich dabei um mechanische, so genannte aktive Systeme (siehe Grafik unten und Zusatzartikel). Die aufwendigste Version hat nach Eigendefinition der BMW X6 mit zwei Planetengetrieben. Dem Kunden wurden damit bessere Rundenzeiten auf dem Nürburgring und überdurchschnittliche Kurvendynamik versprochen.

Der Aufpreis betrug mehrere Tausend Euro, die Nachfrage war überschaubar. Das senkte auch das Interesse am Mitmachen selbst bei so potenten Marken wie Volvo und Porsche.

Volvo Projektleiter Lars Lagström meinte 2008 zum Motor-KURIER, Torque Vectoring sei sehr komplex und bringe nur in Sportautos entsprechende Vorteile. Porsche begründete die Zurückhaltung gegenüber dem System bei der Präsentation des Panamera 2009 mit dem Gewichtsnachteil: Eine Quersperre bringe fast den gleichen Dynamik-Vorteil, wiege aber um 20 kg weniger.

Der große Umschwung kam mit Torque Vectoring "light", einem passiven System, das ohne zusätzliche Mechanik auskommt und grob gesprochen eine Zusatzfunktion von ESP, dem Stabilitätsprogramm (siehe Grafik links unten) ist.

Durchbruch

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Die Premiere dieser Variante fand in der inzwischen legendären, mit Innovationen wie der elektrohydraulischen Bremse SBC voll gestopften E-Klasse von Mercedes vor 10 Jahren statt. Inzwischen ist "passives" Torque Vectoring via ESP aber in allen deutschen Nobelmarken vertreten und neuerdings sogar in Kompaktautos wie der Mercedes B-Klasse oder dem Ford Focus.

Die Lösung via Bremseingriffe bringt zwar nur rund 30 % dessen, was ein aufwendiges mechanische Torque-Vectoring-System kann, aber es ist deutlich billiger und leichter.

Im Grunde braucht es dafür laut Bosch nur einen zusätzlichen Sensor sowie ein ESP der 8. oder 9. Generation in einer Ausführung mit höherer Laufleistung ("Plus" oder "Premium"), da ESP mit Torque Vectoring viel öfter gefordert wird als die üblichen zehn Mal pro Jahr bei einem vorsichtigen Autofahrer.

Es ist vor allem als Hilfe gegen das Untersteuern geeignet und daher, so Bosch, besonders für Fronttriebler attraktiv.

Kundenvorteil

Der Kunde hat den Vorteil, dass sich damit der Lenkeinschlag um 6 bis 22 % verringern (bei aktivem Torque Vectoring sind es 12 bis 30 %) und dass Torque Vectoring sich "weicher" auslegen lässt als ESP, also die Eingriffe der Elektronik dem Fahrer komfortabler erscheinen. Gleichzeitig hat der Lenker das Gefühl höherer Agilität.

Dem Argument, dass "passives" Torque Vectoring nicht über eine ganze Bergstrecke zur Verfügung stehe, da die Bremsen heiß werden, könne man inzwischen durch entsprechende Software-Auslegung entgegensteuern, so Bosch. Die Funktion werde bei Bedarf sachte zurückgenommen, keinesfalls müsse der Lenker einen abrupten Ausfall von Torque Vectoring während einer Bergfahrt befürchten.

Nebeneinander

Das aufwendigere "aktive" Torque Vectoring werde aber auch künftig neben dem "passiven" weiterbestehen, sind sich Experten einig. Vor allem in schweren und leistungsstarken Limousinen und Sport Utility Vehicles.

Laut ZF, einem der erfahrensten Zulieferer auf dem Gebiet, bietet das aktive Torque Vectoring in schweren Autos den großen Vorteil, dass man damit die Agilität erhöhen kann, ohne dass man wie bisher dafür das Fahrwerk noch straffer auslegen muss. Vielen Kunden klagen schon heute über die ihrer Meinung unbequemen straffen Fahrwerke. Mit aktiven mechanischen Systemen steht die Torque Vectoring Funktion auch bergab parat.

Ausblick

Sowohl Bosch wie ZF sehen großes Potenzial für die beiden Torque-Vectoring-Ansätze. Eine dritte Variante, eine Zusatzfunktion elektrischer Allradantriebe, ist in Entwicklung (siehe Zusatzartikel).

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