Der Motor-KURIER im Audi Jack
Der Motor-KURIER im Audi Jack

© /WERK/Audi/Bach

Fahrbericht

Unterwegs mit dem selbstfahrenden Auto von Audi

Steuerwechsel auf Knopfdruck: Mit Erprobungsfahrzeug "Jack" über die deutsche Autobahn.

von Maria Brandl

08/05/2016, 10:07 AM

Noch sieben Minuten. Dann kann "Jack" übernehmen, wird mir im Cockpit des Audi A7 mitgeteilt.

Jack, so nennt Audi den Prototypen, mit dem der selbstfahrende Betrieb auf der Autobahn in Deutschland getestet und erprobt wird. Noch sind wir viele Jahre von der Endstufe, dem voll autonom fahrenden Auto, das ohne Pedale und Lenkerüberwachung auskommen wird, entfernt, betont auch Projektleiter Mirko Reuter von Audi. Die US-Einteilung (SAE) sieht eine sechsteilige Skala auf dem Weg dorthin vor. 0 steht für Autos ohne Fahrassistenz, 5 für das voll autonom fahrende Auto. Derzeitige Fahrzeuge mit Autopiloten, auch der Tesla, werden der Stufe 2 zugeordnet. Heißt: Der Lenker muss jederzeit eingreifen können, wenn das System überfordert ist und ihn dazu aufruft. Der nächste Audi A8 (Start: 2017), der als Extra über einen Staupiloten verfügen soll, wo das Auto ohne Zutun des Lenkers durch den Stau zirkelt, wird der Stufe 3 entsprechen.

Der aktuelle umgebaute Audi A7 ist wie ein Fahrschulauto konfiguriert: Mit Fahrpedalen auch auf der Beifahrerseite, zudem gibt’s für den Beifahrer einen roten "Notknopf" sowie diverse Zusatztasten für den schnellen Eingriff. Er hätte für die Probefahrten mit dem Prototypen auch eine Fahrschullehrerausbildung machen müssen, erklärt der Audi-Techniker auf dem Beifahrersitz.

ein ActiveCampaign Widget Platzhalter.

Wir würden hier gerne ein ActiveCampaign Widget zeigen. Leider haben Sie uns hierfür keine Zustimmung gegeben. Wenn Sie diesen anzeigen wollen, stimmen sie bitte ActiveCampaign zu.

Doch nun ist es so weit: Auf dem Lenkrad leuchten zwei Schalter grün, sobald ich sie kurz drücke, übernimmt die Elektronik, "Jack", das Fahren. Der Übergang erfolgt sehr harmonisch, weniger spürbar als etwa das Wiederstarten des Motors bei den meisten Start-Stopp-Systemen. Das Tempolimit ist auf 130 km /h gestellt, das ist die Richtgeschwindigkeit auf der deutschen Autobahn. Die Tour wurde ins Navigationssystem eingegeben.

Mühelos schwimmt Jack im Verkehr mit, lenkt sehr "natürlich", gar nicht ruckartig, überholt, sobald er eine entsprechende Lücke auf der linken Spur entdeckt. Vorher wird brav geblinkt. Die Lücken, die Jack fürs Überholen benötigt, entsprechen einem üblichen Verkehrsverhalten, sind also nicht deutlich größer als im heutigen Verkehr gewohnt. Jack fährt nicht nur regelkonform, sondern reagiert auch auf andere Verkehrsteilnehmer.

Vertrauensbildung

Überraschend schnell gelingt die "Vertrauensbildung" zwischen Lenkerin und Jack. Wie bei einem erfahrenen Chauffeur. Die komplette Übernahme des Fahrens durch die Technik wirkt hier stimmiger als der oft nervende Angewöhnungsprozess des Lenkers an einzelne Fahrassistenten, wie auch die spätere Vergleichsfahrt mit einem Audi Q7 beweist.

Angespannt dagegen scheint der Beifahrer, der höchst konzentriert auf den Verkehr und eventuell nötige Eingriffe achtet. So einer wäre nötig, so Mirko Reuter, wenn etwa während eines Überholvorganges von Jack auf der rechten Spur ein Auto mit 250 km/h daherkäme. Auf der deutschen Autobahn ein realistisches Szenario.

Während unserer Fahrt passiert nichts dergleichen. Bei der Autobahnabfahrt erscheint auf dem Bildschirm die Information, dass in zwei Meilen die Lenkerin wieder das Fahren übernehmen muss. Wenig später kommt eine akustische Warnung samt orangem Lichtstreifen in der unteren Frontscheibe, gefolgt von immer lauterer akustischer Warnung und schließlich rotem Lichtstreifen. Würde der Lenker noch immer nicht reagieren, soll künftig das Auto in der Spur oder auf einem Pannenstreifen automatisch angehalten werden, natürlich mit aktivierter Alarmblinkanlage. Die Autorin jedoch lenkt Jack zum vorgegebenen Parkplatz. Alle, nun auch der Beifahrer, steigen entspannt aus dem Auto.

Das Übernehmen der Fahraufgabe durch die Elektronik wird als Nächstes in Form eines Staupiloten kommen. Zahlreiche Untersuchungen, so Mirko Reuter, hätten gezeigt, dass das Interesse von Kunden dafür besonders groß ist und damit auch die Bereitschaft, für dieses Extra zu bezahlen.

Dies könnte auch bedeuten, dass automatisiertes Fahren für Pkw früher kommen wird als für Lkw, obwohl die Frächterbranche sehr daran interessiert ist, die Lkw-Lenker von der Fahraufgabe etwa auf der Autobahn zu entbinden und für andere Aufgaben (z.B. Schreibaufgaben) einzusetzen. Das entscheidende Hindernis dafür ortet Reuter dort jedoch in der extremen Preissensibilität dieser Branche.

Was es noch braucht

Bei einem Auto mit automatisierten Fahrfunktionen muss der Lenker nicht nur seinen Sitz einstellen, auch die Kamera des Autos muss auf seine Größe angepasst werden, ihm sozusagen "zu Gesicht stehen". Künftig wird zudem eine Kamera im Auto kontrollieren, ob der Lenker tatsächlich hinterm Steuer sitzt und bei Bedarf die Fahraufgabe wieder übernehmen kann, um bei Produkthaftungsklagen zu helfen.

Außen ist der Zusatzaufwand am Auto im Vergleich zu bereits erhältlichen Limousinen mit Fahrassistenten relativ bescheiden: Zu den bereits verbauten Radar- und Videosensoren kommen noch Laserscanner als "dritte Dimension", so Mirko Reuter, Audi-Projektleiter. Bei Ausfall eines Systems stehen so noch immer zwei verschiedene Sensorensysteme zur Verfügung. Die Laserscanner kosten inzwischen nicht einmal mehr ein Zehntel gegenüber früher (2007: 75.000 €).

Die größere Herausforderung ist die Datenverarbeitung in der nötigen Geschwindigkeit. Dies erfordert extrem leistungsfähige Prozessoren, die auf dem engen Raum eines Autos untergebracht, aber auch entsprechend gekühlt werden müssen. Der Audi A7 alias "Jack" kann seine Rechner noch im Kofferraum unterbringen.

Das zentrale Fahrerassistenzsteuergerät im Jack, kurz "zFAS", hat übrigens einiges aus Österreich: Plattform-Software-Zulieferant ist die Wiener Firma TTTech, die Anschlusskontakte für das Steuergerät, aber auch ein Teil der Radarsensoren (Gehäuse) kommen vom Delphi-Werk in Mattighofen.

DARPA-Challenge

TTTech war schon beim selbstfahrenden VW Touareg, der 2005 die DARPA-Challenge des Pentagons in den USA gewann, dabei. 2007 ging ein selbstfahrender VW Passat beim DARPA-Rennen an den Start. DARPA zeigte erstmals, dass autonomes Fahren technisch möglich ist und gab der Branche weltweit einen enormen Schub, so Mirko Reuter. Innerhalb des VW-Konzerns ist die Entwicklung des Autonomen Fahrens nun bei Audi konzentriert.

Während beim Militär, aber auch im Agrar- und Bergwerksverkehr längst autonom fahrende Fahrzeuge eingesetzt werden, sind im zivilen Bereich noch einige Hürden zu nehmen. Darunter die rechtlichen Voraussetzungen ("Wiener Konvention"). Am längsten dauern wird es wohl, bis im öffentlichen Stadtverkehr Autos ohne Lenker unterwegs sind.

Audi wird ab 2018 auf einer Stadtstraße in Ingolstadt erste Tests dazu machen.

Kommentare

Kurier.tvMotor.atKurier.atFreizeit.atFilm.atImmmopartnersuchepartnersucheSpieleCreated by Icons Producer from the Noun Project profilkat