Auto mit Real Driving Emissions-Messung (AVL-Prototyp). In der Serien wird aber kein Chemielabor am Auspuff hängen
Auto mit Real Driving Emissions-Messung (AVL-Prototyp). In der Serien wird aber kein Chemielabor am Auspuff hängen

© /Luis Laggers

Abgas-Tests

Verbrauchs und Abgas-Tests: Was die EU plant

Bisher war die EU nur bei den Verbrauchszielen für Fahrzeuge weltweit führend. Nun fürchten Autohersteller auch auf der Abgasseite scharfe Vorgaben und strenge Kontrollen.

von Maria Brandl

09/24/2015, 11:31 AM

Im Lkw gibt es das längst", rückt Günter Fraidl, AVL, die Aufregung über den geplanten neuen Testzyklus RDE zurecht. Dieser soll dem tatsächlichen Schadstoffausstoß während der Fahrt viel näher kommen als der bisherige.

Wie beim Lkw vor ca. 12 Jahren hat die EU auch beim Pkw festgestellt, dass die Luftgüte dank immer schärferer Emissionsnormen viel besser sein sollte, als sie tatsächlich ist. Bei den Lkw hat der zusätzliche transiente Test die Lkw auch real entsprechend sauber gemacht. Das will die EU auch bei Pkw erreichen. Die VW-Diesel-Manipulationen in den USA werden den Druck auf die Autohersteller verschärfen. In den USA wurde genau die Kontrolle der dauerhaften Einhaltung der vorgeschriebenen Abgaswerte VW zum Verhängnis. In der EU sind die Gesetze diesbezüglich lascher.

Der große Unterschied

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Aber nicht nur die Abgasgesetze zwischen USA und EU sind grundverschieden, auch das Abgasmessen von Lkw und Pkw stellt ganz andere Anforderungen. Lkw fahren über weite Strecken sehr gleichmäßig. Das lässt sich bei den zwei Abgastests recht gut abbilden:

1 Lkw mit 280 kW nützt im Schnitt bei Tempo 80 ca. 100 bis 120 kW, der Normzyklus wird mit 143 kW gefahren, der zusätzliche transiente Zyklus mit 53 kW.

1 Pkw mit 280 kW braucht für eine gleichmäßige Fahrt 10 bis 14 kW. Der aktuelle europäische Normzyklus NEFZ benötigt 6 kW, der geplante künftige Weltzyklus WLTP 9 kW.

Heißt: Selbst bei Pkw mit 60 kW wird im aktuellen Normzyklus nur ein Bruchteil der Leistung abgerufen. Wenn der Pkw aber die volle Leistung etwa für rasantes Beschleunigen abfordert, entstehen bei vielen Pkw deutlich höhere Schadstoffemissionen als beim Normzyklus, wie diverse Tests von Umwelt- und Autofahrerverbänden seit Jahren regelmäßig zeigen. Das Problem trifft nicht nur hoch motorisierte schwere Limousinen und große SUV. Deshalb wird seit Jahren an einer neuen Testmethode sowohl für Verbrauch (WLTP) als auch für Schadstoffe (RDE) gearbeitet. Bei Diesel-Pkw steht die Reduktion der Stickoxidwerte im Fokus, bei Benzinern jene der Partikel.

Fahrereinfluss Ein Problem ist die Abbildung des Fahrereinflusses im RDE-Test. Er hat extremen Einfluss auf Verbrauch und Abgasausstoß. Anders als die USA zeichnet sich Europa durch unterschiedlichste Fahrstile aus.

Sorge der Hersteller Die ersten Vorschläge der EU ließen die Autohersteller rotsehen. Sie befürchteten ein Aus gerade für solche Autos, mit denen sie am meisten Geld verdienen: Hochleistungs-Limousinen und -SUV.

Aber nicht nur sie wären in Gefahr: Auch Modelle mit extremen Downsizing-Motoren (z. B. stark aufgeladene 1,2-l-Dreizylinder für kompakte SUV anstatt früherer 2-l-Vierzylinder) kommen in Bedrängnis. Grundsätzlich alle, "die für 2020 zur Erreichung der EU-Vorgabe von 95 g/km CO2 (siehe Zusatzartikel) Technologien geplant haben, um Teillastverluste zu senken", so Fraidl. Der WLTP führe nämlich zu einer Lastverschiebung nach oben. Viel Anpassungsbedarf gibt es auch für Hybridantriebe, die derzeit dank des E-Antriebs besonders gut auf den EU-Normzyklus und somit geringe CO2-Werte zu optimieren sind. Laut Fraidl werden die neuen Zyklen teilweise größere Motoren und größere Kats bedingen.

Es gebe aber auch Autos, die sowohl vom WLTP wie vom RDE profitieren, jene nämlich, die nicht auf das EU-Ziel von 2020 (95 g/km CO2) optimiert sind.

Änderungen für Kunden

Benziner wie Diesel werden teurer. Der Normverbrauch wird sich bei vielen um ein paar Prozent erhöhen (und so die NoVA).

Alle Benziner werden spätestens mit der zweiten Stufe von RDE einen Rußfilter brauchen.

Diesel-Pkw sollen wie Lkw generell einen SCR-Kat (Harnstoffentstickung) gegen Stickoxide erhalten. Den Partikelfilter haben sie ja schon. Jene Pkw, die bereits SCR nutzen, werden öfter Harnstoff nachfüllen müssen als heute. Einen technischen Grund, dass Diesel durch RDE "gekillt" werden, sieht Fraidl nicht. Immerhin würden Diesel auch die global schärfsten Abgasnormen, jene in Kalifornien, erfüllen.

Chiptuning fällt laut Fraidl "im RDE-Zyklus nicht auf, wenn es gut gemacht ist." RDE bezieht auch nicht die deutsche Autobahn mit ein, sondern orientiert sich an üblichen Tempolimits.

Ein Kritikpunkt ad "Schönrechnen" bleibt: Bei Plug-in-Hybridautos wird weiterhin nur der Kraftstoffverbrauch für die CO2-Menge berücksichtigt, nicht aber der Strom aus den Batterien. Auch der neue WLTP wird mit vollen Batterien gefahren. Heimischen Plug-in-Hybrid-Fans bleibt somit die geringe NoVA erhalten.

Europa versus USA

Weltweiter Trendsetter bei Spritspa- ren (CO2-Reduktion). Für 2020/21 gilt das CO2-Ziel von 95 g/km (3,9 l/ 100 km) als Flottenverbrauchsmittel für Neufahrzeuge. Mit dem Normzyklus NEFZ ist es ohne große Mehrkosten schaffbar, werden die neuen Ab- gas- und Verbrauchstests mitberücksichtigt (RDE und WLTP), wird es teuer. Die Abgasnorm Euro1 startete 1992, derzeit gilt Euro6. 2017 folgt die nächste Verschärfung. Weit mehr zu schaffen als die Abgasgesetze und das CO2-Limit machen den EU- Autoherstellern die Anforderungen der Luftgüte (Immissions-Richtlinie). Von daher kommt der größte Druck, Abgase auch real im Straßenverkehr zu messen (Real Driving Emissions RDE), nicht nur am Rollenprüfstand wie beim NEFZ. Letzterer soll verschärft werden durch den WLTC, der höhere Verbräuche zeigen wird. Die USA übernehmen den WLTC nicht. Der US-Staat Kalifornien gilt ohnehin als führend bei Abgaslimits. Sie sind sehr benzinerfreundlich. Kalifornien ist seit Langem auch Impulsgeber für abgasfreie Autos.

Technologie muss für Kunden leistbar bleiben

Die geplanten neuen Fahrzyklen mit realitätsnäheren Ergebnissen sind nicht erst seit dem VW-Bekenntnis ein großes Thema in der Autoindustrie. Der Motor-KURIER befragte dazu auf der IAA in Frankfurt Topmanager.

Masahisa Nagata, Executive Vice President R & D, TME Brüssel über...... die Entwicklung des WLTP:Die Führung lag bei den europäischen Verhandlern, aber Japan hat auch mitgemacht. Durch die neuen Messmethoden sehen wir noch Schwierigkeiten in der Reproduzierbarkeit des Tests, das muss verbessert werden.

Der bisherige Normzyklus war vielleicht nicht ganz wirklichkeitsnah, aber er war überall reproduzierbar wie etwa ein Bluttest bei Menschen. Außerdem wird der Test mit einem Höchsttempo von 120 km/h gemessen, in Japan beträgt das zulässige Höchsttempo aber nur 100 km/h. Der weltweit einheitliche Verbrauchstest WLTP sollte vor allem in Europa realitätsnähere Verbräuche ergeben. Der aktuelle europäische Test wird mit niedriger Last gefahren. In Japan ist das anders.

... das zweite neue Messverfahren, RDE (Real Driving Emissions), das für mehr Transparenz über den tatsächlichen Schadstoffausstoß sorgen soll: Wir müssen nicht nur den Kraftstoffverbrauch, sondern auch den Schadstoffausstoß senken. Benzinmotoren werden einen Partikelfilter bekommen, um ihr Rußproblem zu beseitigen.

... die Prognose, dass vor allem Motoren mit extremem Downsizing Probleme mit RDE bekommen und deutlich reduziert werden:Diese Motoren werden nicht verschwinden, wir werden nicht wieder von 1,2 l auf 2 l Hubraum zurückgehen. Downsizing bringt ja auch große Vorteile punkto Gewicht und Platzbedarf.

... die Auswirkung auf Hybridautos durch WLTP und RDE:

Auch die Hybridantriebe werden besser werden.

... den möglichen Trend zu einfacheren Motoren, weil die Autohersteller mehr in die Abgasreinigung investieren müssen: "Ich sehe keinen Trend zu einfacheren Motoren. Die Kunden wollen Power."

Karl-Thomas Neumann, Opel-Chef über ...... realitätsnähere Tests: Wir alle wollen das. Aber wir haben schon sehr viel Geld in Technologien investiert, um 2020 das EU-Ziel von 95 g/km CO2 zu erreichen und zwar nach der aktuellen EU-Norm. 2020 ist praktisch jetzt, wir testen diese Technologien bereits. Eine Verschärfung dieser Vorgabe etwa durch WLTP, der den Normverbrauch erhöht, können wir uns nicht leisten. Zudem ändern sich ständig die Regulierungen. Die Technologie muss für den Kunden auch leistbar bleiben.

Grundsätzlich gilt, je stärker der Motor aufgeladen ist, desto mehr hängt der reale Verbrauch vom Kundenverhalten ab. Wenn beim RDE-Test ein sehr aggressiver Fahrstil zugrunde liegt, wird es für uns Hersteller sehr hart. Aber das Ganze ist auch eine politische Diskussion. An deren Spitze stehen die Angriffe auf den Dieselmotor, die ich zumindest in Europa für völlig falsch halte.

Rolf Bulander, Leiter Mobility Solutions, Bosch, über ...... Folgen des WLTP: Ich glaube nicht, dass er zu einer Verkleinerung der Motorenvielfalt führen wird. Wenn man das Verbrennungsverfahren im Motor versteht, kann man die Rohemissionen gering halten und muss nicht so viel in die Abgasnachbehandlung investieren. Anders sieht’s beim RDE-Verfahren aus. Klar ist da nur, dass die erste Stufe ab 2017 gelten soll, die Rahmenbedingungen dagegen sind noch nicht klar. Wichtig ist auch, dass die Wiederholbarkeit des Tests gesichert ist.

... die Auswirkungen von RDE auf den Diesel-Pkw: Ich hoffe, dass nicht kurzfristige politische Entscheidungen den Blick auf die beste Lösung verstellen. Wir als Firma unterstützen jede Technologie, die Emissionen senkt. Wir wollen aber keine technologiebezogene Beschränkung. Wenn man objektiv betrachtet, mit welchem Konzept man sofort die besten CO2-Werte erzielt, dann ist das der Diesel. Mit dem Partikelfilter ist das Rußproblem gelöst, die Partikelemissionen werden damit um 99 % gesenkt, jetzt muss Ähnliches bei Stickoxiden gelingen und mit SCR (katalytische Harnstoffentstickung) ist eine Reduktion von 95 % möglich. Für die Einhaltung der Luftgüte (Immissionen-Richtlinie) muss etwa in Deutschland der Ausstoß an Stickoxiden beim Diesel um 65 % reduziert werden. Der andere Weg wäre, Diesel mit einem 48-Volt-System und einem Stickoxid-Speicherkat zu kombinieren (mehr demnächst im Motor-KURIER).

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