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Verkehrsabgase reduzieren: Richtig durchlüften

Wie Spezialisten der Grazer TU weltweit für brauchbare Luft in Straßentunneln sorgen und Dürnstein zum Vorbild wurde.

von Maria Brandl

01/25/2012, 02:34 PM

Bei aller Sorge um unsere Luftqualität – "Wir vergessen oft, was wirklich in der Welt passiert", so Daimler-Stratege Manfred Schuckert Ende 2011 auf der A3PS-Tagung von Andreas Dorda, Innovationsministerium.

Während in den drei großen Märkten, USA, Europa, Japan etwa die Abgasnormen für Pkw wie Lkw in den vergangenen Jahrzehnten den Ausstoß an Schadstoffen enorm gesenkt haben und nun Feinarbeit gegen die letzten Prozent Schadstoffe angesagt ist, ringen Menschen anderswo oft buchstäblich um Luft.

Aufholbedarf

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Lag etwa die Feinstaubbelastung in Westeuropa im Jahresmittel laut Weltgesundheitsorganisation WHO bei weniger als 50 µg/m³ Luft (siehe Grafik), so betrug sie in der Stadt Ahwaz, Iran, laut WHO 372 und in Ulanbator, Mongolei, 279 µg/m³. Die größten Verursacher der Schadstoffe sind dort Heizen und Kochen, kleine Handwerksbetriebe sowie der Verkehr, so die WHO. Zumindest bei Letzterem bewegt sich was. Als Erstes meist in Tunnelanlagen. Ohne Belüftungssystem wäre allein die Kohlenmonoxid-Belastung so hoch, dass Fahrer einschlafen oder sogar sterben würden.

Prof. Peter Sturm von der TU Graz ist mit diesem Problem bestens vertraut. Er war mit seinem Team beim neuen Tauerntunnel ebenso im Einsatz wie er es in arabischen und südamerikanischen Ländern ist. Dort prallen mehrere negative Faktoren aufeinander: Fürchterliche Spritqualitäten, hohe Luftbelastung durch Wüstenstürme oder brennende Ölquellen und zugleich hohe Fahrzeugdichten. Prof. Sturm: "Der Emissionsstandard der Fahrzeuge dort ist oft schlechter als bei uns vor der Kat-Einführung." Man stelle sich die Untertunnelung der Wiener Südosttangente vor, mit mehr als 100.000 Fahrzeugen pro Tag – ohne Kat. "Das würde auch Österreich vor große Probleme stellen."

 

Aber selbst Staaten ohne moderne Abgasnormen für Fahrzeuge halten sich bei Straßentunnelanlagen laut Prof. Sturm an die Schadstoff-Limits der Weltstraßenvereinigung. Auch aus Produkthaftungsgründen.

Prof. Sturm und sein Team werden von international tätigen Tunnelplanungsfirmen kontaktiert oder von Regierungen direkt. Meist sind sie schon in die Planung der Lüftungsanlagen eingebunden, manchmal erst in die Abstimmung und Endabnahme. Wofür sie bis zu zwei Monate vor Ort sind. Manchmal lehnt er Aufträge aber auch ab, etwa in Mekka, "weil wir als Nicht-Muslims keine Zugangsberechtigung erhielten." Gehaftet hätte er aber. Mekka hatte während des Hadsch mit Millionen an Pilgern schon Feinstaub-Stundenspitzenwerte von mehr als 800 µg/m³.

Das große Geld bringen ihm die Tunnelaufträge nicht, aber sie seien "wissenschaftlich irrsinnig interessant", so Prof. Sturm. Immer wieder lernen die Grazer Techniker dazu.
Enorm verschieden sind auch die Arbeitsbedingungen. Während sich die Grazer Techniker in arabischen Ländern frei bewegen können, sind sie in Kolumbien mit Bodyguard unterwegs: Für Kidnapper sei man dort "Kapital".

China

Starkes Interesse zeige auch China am Wissen der Grazer, große Aufträge gab es aber noch nicht, die Chinesen bevorzugten den "Informationsaustausch". Die Japaner wiederum halten, erzählt Prof. Sturm, so große Stücke von Österreichs Tunnel-Expertise, dass sie sogar die heimischen Vorschriften übernommen haben. Anglo-amerikanische Staaten arbeiteten dagegen meist mit Großkonzernen ihrer Region.

Manchmal muss Prof. Sturm Politiker in ihrem Ehrgeiz bremsen. Viele Staaten wünschten sich oft das Beste vom Besten, aber "es ist unsere Verantwortung zu sagen, was Sinn macht." Hightech-Ausrüstung verlange auch entsprechend geschulte Mitarbeiter und entsprechende Wartung. Sei beides nicht gewährleistet, gebe es Alternativen, um das gewünschte Ziel, gute Entlüftung, zu erreichen: "Wo technisch nicht der höchste Standard möglich ist, macht man mehr Fluchtwege."

Kohlenmonoxid

Bei uns ist Kohlenmonoxid (CO) vor allem von defekten Gasthermen her als Atemgift bekannt. In Ländern ohne Kat-Pflicht ist Kohlenmonoxid in Tunneln sehr gefährlich. International sind Tunnel ab 200 ppm CO in der Luft sofort zu sperren, Schläfrigkeit entsteht ab 300 ppm CO, die letale Dosis ist ab 1500 ppm (60 min Exposionszeit) bzw. 3000 ppm (10 min Exposionszeit) zu erwarten. Österreichs Grenzwert: 100 ppm (15 min Mittelwert) und 120 ppm CO bei Spitzen (ppm = parts per million, millionster Teil).

Zur Person: Prof. Dr. Peter Sturm

Peter Sturm, 53, studierte Maschinenbau an der TU Graz, wo er seit 1996 unterrichtet. Seit seiner Doktorarbeit (1988) beschäftigten ihn Luftqualität und Schadstoffe, besonders in Tunnelanlagen: "Probleme dort haben eine ganz andere Konsequenz als im Freien." Seit 1993 gehört er zum Technischen Komitee der Weltstraßenvereinigung PIARC und organisiert seit Jahren Tunnelkongresse (www.tunnel-graz.at). Sturm und sein Team betreuen pro Jahr rund 10 bis 15 Aufträge im Ausland. Sturm ist verheiratet und hat zwei Kinder.

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