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Aus Freude am Gefahrenwerden

Aktuell unterstützen Assistenzsysteme den Menschen beim Fahren. Ab wann wird der Mensch gelenkt?

von Andrea Hlinka

02/06/2022, 04:00 AM

Seit Jahren sieht Mario Herger in den Straßen von San Francisco, was in Österreich noch in der Zukunft spielt. Robo-Taxis, erkennbar an ihrem Gupf auf dem Dach, schlängeln sich durch die kurvigen Straßen. Am Dienstag wurden nun die Robo-Taxis des Anbieters Cruise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Sie fahren: ohne Sicherheitsfahrer. Cruise, an dem General Motors die Mehrheit hält, darf zwischen 23 Uhr und 5 Uhr Früh Menschen transportieren, in der ersten Phase vor allem Firmenangehörige und Freunde.

Cruise ist die Speerspitze einer Armada, denn in Kalifornien dürfen mehr als 60 Anbieter autonome Fahrzeuge zu Testzwecken durch die Straßen schicken. „Europa“, sagt der Unternehmer und Autor Maria Herger, der seit 2001 im Silicon Valley lebt und arbeitet, „ist sechs, sieben Jahre hinterher. Wenn eine Gesellschaft das Motto ,Freude am Fahren‘ hat, will sie nicht gefahren werden.“

Fortschrittsoptimismus

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Der Fortschrittsoptimismus aus San Francisco überzeugt nicht überall. In weiten Teilen der Welt ist und war das Auto immer mehr nur ein als Mittel zum Zweck. „Das Auto manifestiert neben seinen problematischen Aspekten auch eine Erfolgsgeschichte, sonst hätte es sich in industrialisierten Gesellschaften nicht durchgesetzt: Fahren bedeutet dort Individualität und Freiheit, Emanzipation“, sagt Medientheoretiker Christof Windgätter, der kürzlich am Wiener IFK einen Vortrag zur „Anthropologie des Automobils“ gehalten hat. Der Mensch, der einst die Maschine verstehen und beherrschen musste und sich nun von Assistenzsystemen unterstützen lässt, sie überwachen muss, wird in Zukunft vielleicht alle Fahrkompetenzen an das Fahrzeug übergeben. Windgätter benennt drei Phasen: Aktion, Interaktion und Delegation. In der dritten Phase, so die Visionen der Branche, werden wir Fahrzeuge buchen, einsteigen, uns fahren lassen und wieder aussteigen.

Wer fährt mit?

Das kann man mögen oder nicht. Die Fakten sind: „Autonomes Fahren hat das Potenzial, den Verkehr sicherer zu machen. Immerhin sind 90 Prozent der Unfälle auf menschliches Versagen zurückzuführen“, erklärt Klaus Robatsch, Leiter der Verkehrssicherheitsforschung vom Kuratorium für Verkehrssicherheit. Zudem wirkt autonomes Fahren integrativ. Menschen, die nicht fahren können oder wollen, sind nicht mehr ausgeschlossen. Der Preis dafür: Der Mensch wird Insasse. Und Datenträger. Windgätter sagt: „Frachtgut.“ Nicht nur die Umgebung wird vom Fahrzeug überwacht, auch die Menschen darin, ihr Verhalten wird digital verwertet und die Daten verkauft.

Die Arbeiten an den besten Technologien und Konzepten sind weltweit in vollem Gange. An der Spitze stehen Technologieunternehmen aus den USA, wie etwa Waymo, das zum Alphabet-Imperium (Google) zählt. Die etablierten Autobauer müssen auf Kooperationen setzen. VW zum Beispiel entwickelt das erste autonome Fahrzeug des Konzerns, den ID. BUZZ AD, mit dem Kooperationspartner Argo AI. Ab 2025 sollen in Hamburg im Verbund mit dem Mobilitätsdienstleister MOIA die ersten fahrerlosen Ridepooling-Busse fahren. Seit dem vierten Quartal 2021 werden die Straßenzüge dafür vermessen.

Wie lange es noch dauern wird, bis autonome Fahrzeuge die Straßen beherrschen, ist unklar. „Die Automatisierung wird voranschreiten. Doch es sind viele Fragen offen“, sagt Klaus Robatsch, darunter infrastrukturelle und rechtliche. In den USA hätte man einige dieser Phasen übersprungen.

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