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Technik

TU-Professor Geringer im Gespräch: „Wir brauchen eine Gesamtökobilanz“

Prof. Bernhard Geringer über die Trends beim 40. Internationalen Wiener Motorensymposium.

von Maria Brandl

05/15/2019, 04:00 PM

Diese Woche findet in der Wiener Hofburg das 40. Internationale Wiener Motorensymposium statt, das von Prof. Hans Peter Lenz gegründet wurde (siehe Zusatzartikel). Mehr als 1000 Experten aus aller Welt werden wieder über aktuelle Entwicklungen im Bereich der Straßenmobilität und ihren Antrieben berichten und darüber diskutieren. Schwerpunkt ist der Energiewandel. „Die primäre Energieform bestimmt den künftigen Antrieb und nicht umgekehrt“, ist Prof. Bernhard Geringer überzeugt, der zusammen mit Prof. Hans Peter Lenz das Jubiläums-Symposium organisierte.

Im Gespräch mit dem Motor-KURIER gibt Prof. Geringer Einblick in den tiefen Wandel, in dem die Antriebstechnik steckt und der sich auch auf das Int. Wiener Motorensymposium auswirkt.

KURIER: Wie tragen Sie dem Umbruch der Antriebstechnik beim Motorensymposium Rechnung?

Prof. Geringer: Unsere Schwerpunkte reichen von klassischen Verbrennungsmotoren und Hybridantrieben, über neue Kraftstoffe bis zur Elektromobilität mit Batterien und Brennstoffzellen sowie zum autonomen Fahren. Wir müssen hinkommen zur Energiewende, auch beim Verkehr. Es geht um Defossilisierung, also weg von fossilen Energieträgern. Das ist etwas anderes als Dekarbonisierung. Denn synthetische Kraftstoffe, die mit recyceltem  und Ökostrom hergestellt werden, so genannte E-Fuels, enthalten zwar Kohlenstoff, aber er wird vorher der Luft entnommen wodurch es in Summe zu keinem CO2-Anstieg kommt.

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Wir müssen der Politik vor Augen führen, dass es mit Batterie-elektrischer Mobilität allein nicht gehen wird, wenn man auch Flugzeuge, Schiffe, Fern-Lkw mitberücksichtigt. Das ist reines Wunschdenken. Derzeit werden weltweit 70 bis 80 Prozent des Energieverbrauchs durch fossile Energien gedeckt. Im Verkehr sind es mehr als 90 Prozent. Dies komplett durch Ökostrom zu ersetzen, wird schwer.

Synthetische Kraftstoffe und Wasserstoff sind wichtige Alternativen und zudem sehr gut geeignete chemische Speicher für überschüssigen Ökostrom. Sie sind heute noch teuer und brauchen eine lange Vorlaufzeit, aber ohne sie werden wir nicht auskommen. Einige Länder wie die Schweiz forcieren bereits Wasserstoff als Alternative. Deutschland dagegen bremst.
Europäische Verkehrsminister konzentrieren sich heute auf den Batterie-elektrischen Antrieb, weil damit lokal null entsteht. Woher der Strom für die Ladung und Herstellung der Batterien kommt, interessiert sie nicht. Wir brauchen eine Gesamtökobilanz für jeden Antrieb von der Energiegewinnung, der Fahrzeugherstellung über den Betrieb  bis zum Recycling des Fahrzeugs, die besten werden sich dann durchsetzen. Derzeit zeigt die EU dafür aber wenig Interesse.  CO2 ist jedoch ein globales Klimagas, nur den Ausstoß vom Auspuff zu betrachten, halte ich für falsch.

Der klassische Verbrennungsmotor wurde schon oft totgesagt. Gibt es auf dem Motorensymposium einen Höhepunkt rund um den Verbrennungsmotor, auf den Sie sich freuen?
Ein Höhepunkt ist sicher der Vortrag über die neuen 6-Zylinder-Boxermotoren im neuen Porsche 911. Diese begeistern Motorenleute. Der 911er ist ein Synonym für Spitzenentwicklung bei Benzinmotoren. Aber es werden mehrere Neuentwicklungen präsentiert. Besonders von Interesse sind neue und extrem saubere Dieselmotoren für Pkw und Lkw.
Der Verbrennungsmotor ist sicher nicht im Sterben oder tot. Schon gar nicht weltweit, das zeigen auch die Vorträge am Symposium aus den USA. Ich glaube auch nicht, dass wir derzeit die letzte Generation von Verbrennungsmotoren erleben oder dass autonomes Fahren nur mit Elektroantrieb möglich ist. Aber die Vielfalt an neuen reinen Verbrennungsmotorantrieben wird sinken und die Hybridisierung, die Kombination von Verbrennungsmotor mit Elektroantrieb, wird zunehmen.
Wobei die Variante mit 48 Volt, die derzeit primär ein europäisches Thema ist, große Bedeutung erlangen wird, da es sich um eine kostengünstige Hybridisierung handelt. Ein 48-Volt-System braucht nur wenig zusätzliche Teile und senkt den Verbrauch um bis zu 15 Prozent.

Selbst renommierte Autosalons sind von immer mehr Absagen großer Autohersteller betroffen. Spüren Sie diesen Trend auch beim Int. Wiener Motorensymposium?
Ähnlich wie bei Ausstellungen geben sich Fahrzeughersteller auch bei Fachvorträgen zurückhaltender. Wir hatten zwar auch heuer wieder mehr Anträge und Vorträge, als wir akzeptieren konnten, aber sie kommen vermehrt von großen Engineering Unternehmen und Automobil-Zulieferern wie etwa Bosch, Continental, Delphi oder Magna und weniger von Fahrzeugherstellern. Dieser Trend trifft auch andere internationale Symposien. Ein Grund für die Zurückhaltung der Fahrzeughersteller sind auch kartellrechtliche Bedenken gegenüber solchen Treffen. 

Internationale Autobosse schätzten Wien immer als neutralen Boden.
Wir versuchen, Ihnen auch heuer wieder eine interessante Plattform mit dem Motorensymposium zu bieten. Die Vorträge konzentrieren sich nicht allein auf Neuentwicklungen, sondern auch auf strategische Ausrichtungen. Generell ist zu beobachten, dass Konzernvorstände immer stärker nur mehr für einzelne Vorträge einfliegen, aber nicht mehr zwei Tage wie früher bleiben.

Wie sieht die Zukunft des Internationalen Wiener Motorensymposiums aus? Planen Sie Kooperationen mit anderen Symposien?
Wir stimmen uns schon bisher mit Veranstaltern anderer Symposien bei den Schwerpunkten ab. Wir wollen auf jeden Fall ein neutraler Veranstalter bleiben und nicht im Namen einer großen Institution oder eines Konzerns auftreten, obwohl wir sehr viele Anfragen dazu bekommen.
 

Zur Person

Univ.-Prof. Dr. Bernhard Geringer, absolvierte sein Maschinenbaustudium an der TU Wien, das er 1983 mit der Promotion am damaligen Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Kfz- Bau unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Hans Peter Lenz abschloss. 1988 bis 1992 war er in der Motorenentwicklung der Daimler-Benz AG in Stuttgart tätig, 1992 bis 2002 wechselte er zur Serienentwicklung von Motoren- und Gesamtfahrzeugsystemen bei Steyr-Daimler-Puch/Magna Steyr in Graz und Wien. 2002 wurde Geringer als Universitätsprofessor für Fahrzeugantrieb und Kfz-Technik an die TU Wien berufen. Seitdem leitet er das Institut für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik und folgte damit Hans Peter Lenz. 2010 bis 2012 war er Dekan der Fakultät Maschinenbau. Geringer ist verheirat, hat zwei Söhne und ist begeisterter Radfahrer sowie Musical-Fan.

Univ.-Prof. Dr. Hans Peter Lenz wurde 1934 in Bonn  geboren. Er studierte Maschinenbau an der TH Aachen und promovierte an der ETH Zürich. Bevor er an die Technische Universität Wien berufen wurde, wo er von 1974 bis 2002 als Vorstand das Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Kraftfahrzeugbau leitete, war er bei Deutz und Daimler Benz beschäftigt. Seine Spezialgebiete waren Gemischbildung und der Fahrzeugkatalysator  (3-Wege-Kat für Benziner).

 

Er ist Vater des Internationalen Wiener Motorensymposiums und gründete 1985 den  Österreichischen Verein für Kfz-Technik (ÖVK). Er war auch Ideengeber für den damaligen österreichischen Bundeskanzler Bruno Kreisky, statt des chancenlosen „Austro-Porsche“ Ende der 1970er-Jahre ein Steueranreizprogramm zu starten, um ausländischen Autoherstellern den Kauf von Autokomponenten made in Austria schmackhaft zu machen. Eine Erfolgsgeschichte. Im Herbst 2017 wurde Prof. Lenz Ehrenvorsitzender des ÖVK und übergab den Vorsitz an Univ.-Prof. Bernhard Geringer.
Prof. Lenz ist verheiratet und Vater zweier Töchter und eines Sohns.

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