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Technik

Elektromobilität bei VW: Der nächste Meilenstein

Wie VW Elektroautos zum Preis von Diesel-Pkw mit der Reichweite eines Benziner bauen will.

von Maria Brandl

10/08/2018, 05:00 AM

Die Weichen sind gestellt, die Basisentwicklung dafür ist getan, jetzt muss „nur“ mehr die richtige Hülle auf die Räder gestellt werden.
Bereits 2020, also in zwei Jahren, will VW als Marke rund 150.000 Elektro-Autos verkaufen, darunter 100.000 ID-Modelle, die auf dem neuen modularen E-Antriebs-Baukasten aufbauen. Insgesamt soll diese Bodengruppe in der ersten Welle die Basis für 10 Mio. E-Autos aller fünf Marken des VW-Konzerns inklusive der Modelle in China  bilden, so Frank Blome, bei der Weltpremiere des E-Antrieb-Baukastens, kurz MEB genannt, vor Kurzem in Dresden. Diese MEB-Bodengruppe soll der Schlüssel  für leistbare E-Autos sein, das „Elektroauto für alle“. Sie ist keine modifizierte Verbrenner-Plattform, sondern eine voll auf Elektro-Antrieb optimierte Bodengruppe, ähnlich wie dies bei der Konkurrenz beim Nissan Leaf der Fall war. VW kann hier auf seine große Erfahrung mit Baukastensystemen zurückgreifen.

Bei den ersten Modellen der „ID“-Familie, wie die E-Modelle mit der MEB-Bodengruppe bei VW heißen, handelt es sich um das Kompaktauto ID, der den bisherigen E-Golf ersetzen und ab Ende 2019 in Zwickau gebaut wird, den Bus Buzz sowie den SUV à la Studie Crozz. Bis Ende 2022 plant VW die Produktion von 27 Fahrzeugen für fünf Marken auf Basis dieses reinen E-Antrieb-Baukastens. Zu groß ist diese reine E-Antriebs-Bodengruppe für die Modellreihen unter dem Golf, dem Up und dem Polo, die beide vorläufig weiterhin nur elektrifizierte Versionen vom „normalen“ Modell mit Verbrennungsmotor bleiben werden.

 

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Die Entwicklung und Produktion der E-Auto-Familie „ID“ für den europäischen Bedarf erfolgt hauptsächlich in Deutschland.

Das VW-Werk Zwickau wird mit 1,2 Mrd. Euro zum ersten reinen E-Antriebs-Werk und zum größten Kompetenzzentrum für E-Mobilität in Europa ausgebaut. Am VW-Standort in Braunschweig wird die Batterie gefertigt, die Batteriezellen kauft VW wie alle anderen deutschen Autokonzerne von asiatischen Herstellern zu, etwa vom chinesischen CATL. Das VW-Kassel wiederum soll zum Leitwerk für kostengünstige E-Maschinen von hoher Qualität für den Konzern werden.

Insgesamt will VW sechs Mrd. Euro in die E-Mobilität investieren. Dazu gehören auch Investitionen in preisgünstige Ladesysteme für Zuhause, zudem ist VW einer der Partner von „Ionity“, das sich europaweit um Schnellladestationen entlang von Hauptverkehrsrouten kümmert.

Für VW ist der E-Antriebs-Baukasten MEB nach dem Käfer und dem Golf der dritte wichtige Meilenstein in der Konzerngeschichte.

Batterien Bei den bisherigen E-Version von VW-Modellen werden die Batterien dort eingebaut, wo am leichtesten für sie Platz zu schaffen ist. Bei der künftigen ID-Familie mit dem MEB-Baukasten ist dies anders. Die Batterie hat ihren fixen Platz, sie liegt wie eine Tafel Schokolade zwischen den beiden Achsen. Sie wird zudem skalierbar sein, heißt, der Kunde entscheidet, wie viel Reichweite er will, dementsprechend wird die Batterie angepasst, was den Autopreis stark beeinflusst.

Das erste E-Modell mit MEB-Baukasten, der ID, soll 60 kWh an Bord haben.  Er wird ab 1600 kg wiegen. Er ist nicht größer als der aktuelle Golf, wird innen aber mehr Platz bieten.
Gebaut werden die Batterien im Werk Braunschweig, künftig soll es bis zu einer halben Mio. pro Jahr sein. Laut Prognose des IHS Markit soll VW etwa 2025 rund ein Viertel des aktuellen Lithiumangebots auf dem Weltmarkt benötigen.

Oberster Batterieexperte bei VW ist seit heuer Frank Blome, der von Daimler geholt wurde und früher dort die Batterie- und Batteriezellenfertigung leitete. Letztere wurde 2015 eingestellt.
Hier die wichtigsten Eigenschaften:

  • Die Batterie wird temperiert (bisher etwa im Golf nicht).
  • Sie ist für verschiedene Zellen ausgelegt (vor allem Pouch und prismatische, selbst Consumer-Zellen wie bei Tesla wären möglich).
  • Die Ladeleistung ist auf bis zu 125 kW ausgelegt, selbst für induktives Laden ist vorgesorgt, beim Start der ersten ID-Modelle 2020 soll es aber nicht umgesetzt werden. Beim Wechselstrom setzt VW auf dreiphasiges Laden (anders als etwa Mercedes mit dem EQC).

 

In den nächsten Jahren rechnet VW mit steigender Energiedichte und einem Preisverfall bei den Batterien. 2025 könnte die Energiedichte etwa 350 Wh/kg oder 800 Wh/l  betragen, derzeit sind es 280 Wh/kg. Verbesserungen erwartet man sich vor allem durch neue Kathoden. Der Gehalt des umstrittenen Kobalts soll auf 10 % gesenkt werden (derzeit 20 %).

Große Hoffnungen setzt VW auf die Feststoffzellenbatterie, die um 2025 serienreif sein könnte. Sie kommt ohne flüssigen Elektrolyten aus und hat eine höhere Energiedichte (1000 Wh/l), lässt sich schneller laden und beseitigt die gefürchtete Brandgefahr aktueller Lithium-Zellen. VW arbeitet hier mit der US-Firma Quantum Scape zusammen, an der VW Anteile hält. Besonders engagiert verfolgt das Thema Toyota. In der Branche gibt es jedoch auch Bedenken, ob diese Zellen-Art für Autos geeignet ist, Bosch hat sich etwa nach anfänglicher Euphorie wieder zurückgezogen.

Bereits in zwei Jahren dagegen könnte Silizium als Anode in Serie gehen, derzeit scheuen die Anbieter jedoch  die Risiken der hohen Anfangskosten.

Ladesysteme VW will seinen Kunden künftig nicht nur die E-Modelle, sondern auch entsprechende Ladesysteme anbieten. Nachdem derzeit rund die Hälfte von E-Fahrern laut VW-Studie zu Hause und 20 % in der Firma laden, hat VW verschiedene Wallboxen für die heimische Garage entwickelt, die bis zu 11 kW Wechselstrom erlauben. Der Einstiegspreis liegt bei rund 300 € plus Montagekosten. Die nächstgrößere Version soll 500 bis 600 Euro kosten.

Als Nächstes sollen diese Wallboxen bis zu 22 kW Gleichstrom schaffen und auch bi-direktional arbeiten, also auch Strom ins Netz zurückspeisen können, wie dies Nissan etwa in Großbritannien anbietet. Verträge mit Stromkonzernen hat VW aber noch nicht.

Für unterwegs sind Schnellladesysteme mit bis 350 kW entlang von Hauptverkehrsrouten in Europa geplant. VW ist einer der Partner von Ionity, das auf eigene Kosten die nötigen Zuleitungen zu den Schnellladestationen errichtet und dann vermietet. In Österreich ist die erste bei der Autobahnraststation Mondsee eröffnet worden. Pro Ladevorgang werden derzeit 8 Euro verlangt, egal, wie lange das Laden dauert.

Die Schnellladestationen sind für den EU-Stecker CCS ausgelegt, für Frankreich und Österreich gibt es auch Chademo-Stecker (japanische Variante). Es soll ausschließlich Ökostrom geladen werden können, so der Ionity-Sprecher.

Bis 2020 soll es 400 solcher Schnellladestationen europaweit geben, derzeit sind es rund zehn. Laut Ionity soll dort das Laden schneller als bei Tesla-Ladestellen und sieben Mal schneller als heute gehen.

Künftig soll das Laden und Bezahlen ohne Karten der zuständigen Anbieter erfolgen. Der aktuelle Kartensalat ist dann Geschichte. Die Identifizierung und Abrechnung soll über RFID (wie bei der Supermarktkassa) oder via Smartphone-App und QR-Code funktionieren. Mit Blockchain-Technologie kann das Laden und Abrechnung dann überhaupt automatisch erfolgen, das E-Auto wird damit „zur fahrenden Kreditkarte“, so VW.

Ein weiteres Komfortangebot sieht VW in E-Modellen, die automatisch einparken und eine Ladestelle suchen können. „Das dauert keine fünf Jahre mehr“, so ein Techniker.

MEB-Baukasten Der neue E-Antriebsbaukasten soll nicht nur für 27 Modelle der fünf VW-Marken eingesetzt werden, sondern auch weltweit gebaut werden, neben Europa auch in China und in den USA. Er ist für die Modellreihen Golf, Tiguan, Passat und Bus vorgesehen, nicht aber für den Up und Polo (siehe Hauptartikel).

Mit dem MEB-Baukasten kehrt VW zum Heckantrieb zurück. Allradantrieb ist aber auch möglich dank eines zweiten E-Motors, der die Vorderachse antreibt. Während der Haupt-E-Motor an der Hinterachse ein permanent erregter Synchronmotor sein wird, soll vorne bei gewünschtem Allradantrieb ein Asynchronmotor eingesetzt werden, weil der weniger Energie verbraucht, wenn er beim Fahren gerade nicht benötigt wird.

Die Plattform ist komplett neu, nur die 12-V-Batterie wurde übernommen. Überrascht erfuhren die Journalisten, dass sie nicht weniger Bauteile umfasst als eine für Verbrenner (Diesel, Benziner). Sogar ein mächtiger Kühler ziert die Front. Laut Entwickler sei es deutlich aufwendiger, die 50 Grad Wärme von E-Motoren abzuführen als die 100 Grad eines Verbrennungsmotors.
Es sind fünf Radstände geplant.

ID-Modelle werden grundsätzlich voll vernetzt, also permanent mit dem VW-Rechner verbunden sein.

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