Ola Källenius, Daimler AG

Ola Källenius, Daimler AG

© Daimler AG/Werk/Daimler AG

Nachgefragt

Mercedes-Entwicklungschef im Gespräch: Computer-Chauffeur als Extra

Daimler-Vorstand Ola Källenius über Diesel, E-Mobilität und automatisiertes Fahren

von Maria Brandl

05/02/2018, 10:49 AM

In Genf sprach der Motor-KURIER mit Ola Källenius, seit 2017 als Daimler-Vorstand verantwortlich für Konzernforschung & Mercedes-Benz Cars Entwicklung, über aktuelle Trends und Herausforderungen.

Ola Källenius ...

... über die Zukunft des Diesel: Wir gehen mit einer neuen Dieselgeneration in die Offensive. Wir haben sie in der E-Klasse 2016 als Vierzylinder eingeführt, der große Bruder kam als Sechszylinder in der S-Klasse. Ihre Vorteile: Emissionsarm, im Verbrauch (Anm. gegenüber dem vergleichbaren Benziner) um 10 bis 15 % niedriger und gepaart mit E-Antrieb als Plug-in-Hybrid das Beste zweier Welten, emissionsfrei in der Stadt und auf der Langstrecke sehr performant. Deswegen liegt die Lösung der aktuellen Diskussion in einer besseren Technologie, daran arbeiten wir und das bringen wir mit dieser neuen Dieselgeneration auf die Straße.

Wenn es Richtung null Emission geht und auf dem Pfad sind wir längerfristig, müssen wir als Hersteller das Beste für den jeweiligen Bedarf bieten. Da spielt der Diesel für Europa nach wie vor eine wichtige Rolle. Bei Pkw hängt das auch vom Fahrprofil ab. Für reinen Stadtbetrieb ist der Smart EQ (Anm. E-Smart) wunderbar, für Langstreckenfahrer mit rund 50.000 km pro Jahr, vor allem auf der Autobahn, ist der Diesel das unschlagbare Aggregat. Für größere Pkw bis hin zu schweren Lkw ist auf absehbare Sicht der Dieselantrieb die logische Alternative. Die Emissionsreduktion wurde dramatisch verbessert, der Verbrauchsvorteil ist geblieben.

... darüber, ob synthetische Kraftstoffe als Beimischung das Dieselproblem entschärfen könnten, vorausgesetzt, sie sind rechtzeitig großseriell verfügbar: Wir beobachten das sehr aufmerksam, da gibt es verschiedene Start-ups. Technologisch gibt es da interessante Ideen und Lösungen, die Frage bleibt: Rechnet es sich? Für die Antwort ist es noch einen Tick zu früh. Aber ich lasse mich gerne überraschen, wenn dies vor 2025 passierte. Das wäre sehr positiv. Man kann sie aus dem Stand in die bestehende Infrastruktur einbringen und auch den Fahrzeugbestand damit betanken. Die Wirtschaftlichkeit wird entscheiden.

... ob es helfen würde, wenn die EU beim auf eine Gesamtbilanz umstiege, die auch die Energieherstellung inkludiert? Wenn man wollte, könnte man den -Vorteil auch schon in die aktuelle Rechnung vom Tank bis zum Auspuff miteinberechnen.

... über die E-Mobilität als ein Kernthema für die Autozukunft. Viele kritisieren, dass die Hersteller in der EU bei einer Schlüsseltechnologie, den Batteriezellen, komplett vom Import abhängig ist. Hat die EU hier noch eine Chance? Ein aktuelles EU-Forschungsprojekt deckte einen enormen Rückstand bei Technologie und Kosten auf: Einige große Lithium-Ionen-Zellenlieferanten bauen große Produktionen in Europa auf. Es entsteht also eine Zellenproduktion in Europa. Wer das macht, ist nicht direkt unser Anliegen. Wir schauen uns die besten Lieferanten weltweit an und können dabei feststellen, dass es sowohl technologisch wie preislich einen sehr regen Wettbewerb gibt. Als einziger europäischer Hersteller haben wir selber auch Erfahrung mit Zellenfertigung gemacht. Da stellten wir fest, dass wir technologisch absolut mit den Besten mithalten können. Aber man bräuchte enorme Produktionsmengen, um wirtschaftlich zu sein. Für uns als einzigen Kunden machte das keinen Sinn. Wir haben entschieden, beim Know-how dranzubleiben im Forschungsstadium, aber dann mit anderen Zellfabrikanten zusammenzuarbeiten. Wir haben aber nach wie vor eine Batterie- und Modulproduktion, die wir gerade drastisch ausbauen.

... über die Festkörperbatterie: Das ist eine sehr wichtige Technologie, die die Speicherfähigkeit erhöht. Das kann für höhere Reichweite, kompaktere Batterien oder günstigere Kosten genutzt werden.

Von einer großindustriellen Serie können wir wahrscheinlich 2025 oder später reden.

... darüber, wo der Durchbruch der Brennstoffzelle als Erstes kommen könnte: Die Brennstoffzelle bleibt ein interessanter Kandidat für emissionsfreie Mobilität. Wir haben 2017 die neueste Generation vorgestellt, die heuer in einer Kleinserie auf den Markt kommt. Wir haben sie deutlich leistungsfähiger und kostengünstiger gemacht. Die Platinbeschichtung konnte um 90 % reduziert werden. Es zeigt, das System kann großserienreif sein. Darauf aufbauend entwickeln wir die nächste Stufe. Die nächste kommerzielle Serienapplikation könnte in einem Bus erfolgen. Die Technologie kann man in verschiedenen Fahrzeugformaten einsetzen. Auch für schwerere Fahrzeuge ist sie mittelfristig eine Option.

 

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... über die Rolle von Daimler beim automatisierten Fahren: Für Level 4 und 5 (Anm. höchste Stufen) ist für uns die logische Anwendung ein Robotaxi. Mit ihm kann ich die höheren Kosten der ersten Technologie-Generation durch die Einsparung des Fahrers kompensieren. Bei Lkw geht es auch um Wirtschaftlichkeit. Dort sind es zwei Stufen. Die erste ist Platooning, wo zwei oder drei Lkw hintereinander fahren wie ein Zug. Wenn dieser zweite oder dritte Lkw autonom hinterher fährt, kann sich der Fahrer dort z.B. ausschlafen und dann wieder übernehmen. Das brächte optimierte Betriebszeiten für Lkw. Irgendwann könnte der Lkw autonom auf der Autobahn fahren z.B. bis zu einem Depot, wo ein Verteiler übernimmt. Aber es gibt auch interessante Szenarien für Busse oder Lieferwagen. Ich sehe ein sehr breites Anwendungsfeld, das gut zu der Produktpalette von Daimler passt.

... darüber, mit welchen Aufpreisen zu rechnen ist: In der ersten Generation sind es viele tausende Euro. Level 4 und 5 sehe ich daher in der ersten Generation nicht als Extra. Später, wenn die Mehrkosten fünf- oder sogar vierstellig sind, kann ich mir gut einen Computer-Chauffeur als Sonderausstattung etwa für die S-Klasse vorstellen.

Zur Person

Ola Källenius, geboren 1969 in Västervik, Schweden, absolvierte in Stockholm und in St. Gallen (Schweiz) die Masterstudiengänge „International Management“ und „Finance und Accounting“. 1993 trat er in die internationale Nachwuchsgruppe der damaligen Daimler-Benz AG ein. Nach diversen Management-Aufgaben in den USA, Deutschland und Großbritannien wurde er 2015 Daimler-Vorstandsmitglied und ist in der Funktion seit 2017 verantwortlich für Konzernforschung & Mercedes-Benz Cars Entwicklung. Sein Vorgänger war Prof. Thomas Weber, neun Mal Redner auf dem Motorensymposium in Wien.

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