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Wasserstoff: Die Brennstoffzelle im Fokus der Antriebsentwickler

Wo der lokal abgasfreie Antrieb mit Brennstoffzellen und Wasserstoff im Tank dem batterieelektrischen Antrieb überlegen ist. Wo sein größter Aufholbedarf liegt. Welche Chancen Europa derzeit noch hat.

von Maria Brandl

10/11/2019, 03:00 AM

Die Frage, ob Wasserstoff für die künftige Mobilität notwendig, sinnvoll und auch leistbar ist, spaltet nicht nur Wirtshaustischrunden. Politisch hat Europa vorerst die Ampel für den batterieelektrischen Antrieb auf Grün gestellt. Mehrere große Autohersteller, vor allem in Europa, darunter VW als größter weltweit, lehnen Wasserstoff für Pkw schlichtweg ab. Fakt ist, dass beide Antriebe lokal schadstofffrei sind und mit E-Motor kombiniert sind. Der Unterschied: Mit Wasserstoff wird der Strom für den E-Motor an Bord in der Brennstoffzelle erzeugt, bei der batterieelektrischen Variante wird er im Akku gespeichert.

Die aktuellen Vorreiter (Toyota, Hyundai, Honda) beim Brennstoffzellenantrieb kommen aus Asien. Dort wartet man nicht auf „grünen“ Wasserstoff, sondern nutzt auch Wasserstoff, der als Abfallprodukt in der Industrie entsteht. So lassen sich bereits Praxiserfahrungen mit diesem Antrieb sammeln.

Wasserstoff in Kombination mit Brennstoffzellen gilt dort vor allem für Langstrecken- und große Fahrzeuge (Busse, Lkw) sowie Schiffe als deutlich besser für die Zukunft geeignet als der batterieelektrische Antrieb.

Alexander Trattner, Leiter des österreichweit einzigen Wasserstoffforschungszentrums „HyCentA“ in Graz, zeigte in seinem Vortrag auf der Tagung der TU Graz („Der Arbeitsprozess des Verbrennungsmotors“) die wesentlichen Gründe dafür.

Ein 40-t-Lkw mit 1000 km Reichweite erlaubt mit batterieelektrischem Antrieb 12 t Nutzlast, während 18 t auf die nötigen Speicherbatterien und den E-Antrieb sowie 10 t auf das Karosseriegewicht entfallen. Mit Wasserstoff und Brennstoffzellen bleibt das Karosseriegewicht gleich, E-Antrieb und Energiespeicher machen aber nur 4 t aus, 26 t bleiben für die Nutzlast. Um mit batterieelektrischem Antrieb gleich viel Nutzlast wie mit Wasserstoff zu erreichen, sind somit zwei Lkw nötig.

Vorteile

Bei Bussen bietet der Brennstoffzellenantrieb mit Wasserstoff den Vorteil annähernd gleicher Reichweiten wie bisher mit Dieselantrieben, sie sind in 10 bis 20 Minuten vollgetankt, fahren abgasfrei und haben zudem den Vorteil, dass die Abwärme der Brennstoffzelle zum Heizen des Fahrgastraumes verwendet werden kann, während bei batterieelektrischem Antrieb im Winter der Energiebedarf fürs Heizen gleich hoch wie für den Fahrbetrieb selbst ist. Auch kann Wasserstoff von Verkehrsbetrieben in ihren Zentralgaragen bevorratet werden, während dies mit Strom eher schwierig ist.

Für Pkw sieht Trattner den Brennstoffzellenantrieb in der Massenproduktion (mindestens 500.000 Stück) ab einer Reichweite von 300 km gegenüber batterieelektrischem Antrieb preislich im Vorteil (siehe Tabelle), dies ergab eine Studie des US-Energiedepartments (ähnlich unserem Umweltbundesamt).

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Nachteile

Noch aber werden Brennstoffzellen nur in Kleinserien erzeugt und sind sehr teuer. Der aufwendige Wasserstofftank erhöht den Kostennachteil. Hyundai erwartet jedoch, dass zwischen 2025 und 2030 der Brennstoffzellenantrieb nicht mehr als ein Dieselantrieb kosten wird. Auch besteht, so Trattner, derzeit bei der Brennstoffzelle ein Industrialisierungsrückstand von rund 10 Jahren gegenüber den Batterien.

Deutlich schlechter gegenüber dem batterieelektrischen Antrieb ist der Wirkungsgrad des Brennstoffzellenantriebs. Allerdings, so Trattner, eignet sich Wasserstoff als Speicher von überschüssigem Ökostrom, vor allem Windstrom. Zudem sinke im Winter der Gesamtwirkungsgrad von batterieelektrischen Autos stark. Fahrzeuge mit Brennstoffzellen könnten da im Bestfall dank ihrer Abwärme, die zum Heizen genutzt werden kann, beim Wirkungsgrad gleichziehen.

Bereits stark verbessert bei modernen Brennstoffzellenautos wurden Schwächen wie Langlebigkeit sowie Platzbedarf oder mangelnde Kältefestigkeit. Brennstoffzellenfahrzeuge sind seit Jahren auch bis minus 40 Grad startfähig. Die Größe des Brennstoffzellenantriebs konnte auf das Format eines Verbrennungsmotors gesenkt werden, wie Mercedes beim GLC zeigt.

Auch bei der Sicherheit schneiden moderne Brennstoffzellenfahrzeuge gleich gut ab wie die besten Mitbewerber mit Verbrennungsmotor: Der Hyundai Nexo erreichte beim Euro NCAP-Crashtest die Höchstnote mit fünf Sternen. Kommt es zu einem Feuer, so ist dieses nur mit speziellen Sensoren sichtbar. Die Feuerwehr behilft sich mit dem „Besentest“: Dabei schiebt sie einen Besen vor sich her. Beginnt er zu rauchen, weiß die Feuerwehr, wo der Brand beginnt.

Ausblick

Intensiv geforscht wird an unbefeuchteten Zellen sowie an einer neuen Membran für die Brennstoffzelle, die die teure Platinbeschichtung überflüssig macht oder zumindest stark senkt. Große Hoffnungen beruhen auch auf einer direkten Wasserstofferzeugung durch Sonnenlicht und Wasser mit Halbleitermaterialien. Wertvolle Praxiserfahrungen sollen Vergleichstests etwa von öffentlichen Bussen mit Wasserstoff- sowie mit batterieelektrischem Antrieb wie ab 2020 in Graz („move 2zero“) bringen. Mögliche Berührungsängste abbauen sollen Tests mit Skidoos der Firma BRP im oberösterreichischen Hinterstoder, wo neben der Skipiste auch eine Wasserstofftankstelle geplant ist.

Trattner sieht für Europas Industrie beim Brennstoffzellenantrieb große Chancen, es gebe hier noch kein Wissensmonopol für Asien wie bei den Lithium-Batterien. In Österreich sind mehrere Firmen wie etwa Fronius vorne mit dabei. Derzeit sind 40 Brennstoffzellenfahrzeuge in Österreich unterwegs, die an fünf öffentlichen Tankstellen Wasserstoff tanken können.

Das außeruniversitäre Institut ist Österreichs einziges Forschungszentrum nur für Wasserstoffwirtschaft mit 28 Forschern. Es wurde 2005 in Graz gegründet. Es beschäftigt sich mit Wasserstoff-Anwendungen in der Mobilität und in der Industrie. So war es an der ersten genehmigten Indoor-Wasserstoffbetankungsanlage (z.B. für Gabelstapler) beteiligt, die später Ikea und BMW als Vorbild diente. Mit von der Partie ist das HyCentA-Team zudem bei der Zillertalbahn, die auf Brennstoffzellenantrieb umrüstet. Bei HyCentA steht Europas modernster Prüfstand für Brennstoffzellen (mit bis zu 160 kW).

Leiter von Hycenta ist seit 2018 Alexander Trattner, 47. Er ist einer der Autoren des Fachbuchs „Wasserstoff in der Fahrzeugtechnik“, das inzwischen in der 4. Auflage im Springer Verlag erschienen ist. Zu Trattners berühmten Vorgängern in Graz zählen Karl Kordesch, der bereits in den 1970er-Jahren in den USA mit Brennstoffzellenfahrzeugen unterwegs war, und Manfred Klell, Mitbegründer des Hycenta.

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