© Werk/Daimler AG/Dirk Weyhenmeyer

Technik

Neue Messmethoden - Prüfer im Dreischichtbetrieb

Mercedes zeigte, wie die neuen Tests ablaufen - im Labor und auf der Straße.

von Maria Brandl

03/15/2019, 05:00 AM

Anlässlich der Veranstaltung „Tec Talk“ über die künftige Technologie- und Emissionsstrategie informierten Mercedes-Techniker nicht nur über Gesetze, Vorschriften und künftige Antriebstechnologien, sondern gewährten auch einen Blick in den Prüfalltag.

Im Raum Stuttgart hat Mercedes seine Prüfanlagen konzentriert, die für den neuen EU-Normzyklus WLTC nötig sind. WLTC steht für Worldwide Harmonized Light Vehicle Test Cycle, auf Deutsch weltweit harmonisierter Fahrzeugtestzyklus. Das Verfahren heißt WLTP.

Dieses sieht drei unterschiedliche Fahrzyklen vor, je nach Leistungsgewicht des Fahrzeugs. Die meisten in der EU zugelassenen Pkw entsprechen einem Leistungsgewicht von mehr als 46 PS pro Tonne. Für diese gilt der WLTC Klasse 3, der aus vier Abschnitten (Low, Medium, High, Extra High) besteht. Sie entsprechen dem üblichen Fahrbetrieb inner- und außerstädtisch sowie auf Schnellstraßen und Autobahnen (siehe Grafik).

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-Ablöse Der WLTP wurde schrittweise eingeführt. Per 1.9.2018 löste er endgültig das vorherige Prüfverfahren NEDC/NEFZ (Neuer Europäischer Fahr-Zyklus) ab. Allein durch das neue Messverfahren nahmen die Normverbräuche im Schnitt um rund 20 % zu. Downsizing-Motoren (kleine Motoren) sind davon stärker betroffen als großvolumige. Die Gründe hierfür liegen einerseits am höheren Tempo, mit dem der WLTC gegenüber dem früheren Zyklus NEFZ gefahren wird, der dynamischeren Fahrweise, anderseits aber auch an den schärferen Bestimmungen wie der Ermittlung von Fahrwiderständen.

-Rollenprüfstandstest Der WLTC ist auch ein Rollenprüfstandstest, damit die Vergleichbarkeit gegeben ist. Aber es wird ein Vielfaches an Daten ermittelt gegenüber der NEFZ-Prüfung, allein die Vorgaben, wie die Tests durchzuführen sind, füllen laut Mercedes mehr als 1000 Seiten. Die genaue Dokumentation ist oberstes Gebot. Die Tests werden gemeinsam mit Vertretern einer gemeinsamen Prüforganisation durchgeführt, wie z.B. dem TÜV. Zudem dürfen auch Vertreter fremder Staaten jederzeit kommen und in die Unterlagen Einsicht nehmen.
Gearbeitet wird im Dreischichtbetrieb, 2018 waren es bei Mercedes mehr als 20.000 Stunden. Dennoch waren im Jänner 2019 mit ca. 90 % noch immer nicht alle Modellvarianten zertifiziert. Deutsche Hersteller wie Mercedes sind mit ihrer Produktvielfalt viel stärker unter Druck als japanische Hersteller mit weniger Auswahl (siehe Grafik).

Das neue Normverfahren WLTP sieht vor, dass jedes Mal, wenn sich das Emissionsverhalten eines Modells ändert, etwa durch einen neuen Motor, ein neues Getriebe oder durch Änderungen am Abgasstrang, das Fahrzeug neu zertifiziert werden muss. Um den Testaufwand nicht völlig ausufern zu lassen, wird jedoch daran gearbeitet, sehr ähnliche Modelle zu „Familien“ zusammenzufassen, die nur einmal getestet werden müssen.

Am Lenkrad sitzen bei dem Abgastest auf dem Rollenprüfstand nach wie vor Menschen, die den Zyklus nach den Vorgaben abfahren. Für die Testfahrten mit Plug-in-Hybriden und batterieelektrischen Fahrzeugen wird aber versucht, die Gesetzesgeber davon zu überzeugen, auch Roboter zuzulassen, denn für diese Fahrzeuggattungen dauern die Fahrten mehrere Stunden. Roboter sind beim Messen bereits im Einsatz, sie wiegen etwa die Partikelmasse, die beim Auspuff herauskommt. Gezählt wird übrigens auch die Anzahl der Partikel, was laut Mercedes nach wie vor eine große Herausforderung, aber nun verpflichtend ist.

Bevor die Autos auf den Rollenprüfstand kommen, werden sie „konditioniert“, auf die vorgeschriebene Temperatur gebracht. Mercedes hat dafür mehr als 100 spezielle Stellplätze. Auch der Kraftstoff, der dem handelsüblichen Benzin und Diesel entspricht, wird von Testbehörden genauestens kontrolliert und zertifiziert.

-Datenbank Alle Testergebnisse sollen ab voraussichtlich Juni 2019 in einer EU-Datenbank für jedermann einsehbar sein.

-Straßentest Die Ergebnisse, die im WLTC auf dem Rollenprüfstand gemessen werden, müssen auch auf der Straße erreicht werden, im normalen Fahrbetrieb. Das dafür vorgeschriebene Verfahren heißt RDE, Real Driving Emissions, übersetzt „Straßentest zur Überprüfung von Schadstoffemissionen“. Dabei müssen genau vorgegebene Streckenlängen inner- und außerstädtisch und auf Autobahnen nach vorgebenen Punkten (Beschleunigung, Stehzeiten z.B. im Stau, Temperaturen) gefahren werden, was deutlich länger als der WLTC auf dem Rollenprüfstand dauert. Diese Tests lagert Mercedes an Dritte aus.

Unabhängig von der Fahrweise müssen dennoch die laut Abgasnorm Euro 6 vorgegebenen Schadstoffgrenzwerte eingehalten werden. Die RDE-Werte müssen also mit den Ergebnissen vom Rollenprüfstandstest übereinstimmen. Die Fahrt darf für die Zertifizierung nur einmal wiederholt werden, dann muss das Fahrzeug zurück ins Werk. Dies gilt für alle Neuzulassungen ab dem 1.9.2019.

Ab diesem Zeitpunkt müssen übrigens die Benziner auch eine Zusatzbestimmung erfüllen, sie dürfen den Grenzwert bei Verdunstungen von Kohlenwasserstoffen aus dem Kraftstoffsystem (z.B. Tank) nicht überschreiten. Vor allem für Plug-in-Hybride, die zwischendurch elektrisch fahren, ist dies eine Herausforderung, weil der Aktivkohlefilter, der diese Kohlenwasserstoffe einsammelt, dann nicht regelmäßig gespült wird. Plug-in-Hybride erhalten deshalb dafür einen Drucktank.

 

Gemessen werden muss mit tragbaren Messgeräten (PEMS), die z.B. auf die Anhängerkupplung geschraubt werden (siehe Foto) und pro Stück mehr als 100.000 € kosten. Es gibt nur eine Handvoll Anbieter dieser PEMS, wie etwa die Grazer AVL. Mit einer großen Erweiterung der Anbieter rechnet Mercedes nicht, da die Entwicklung extrem aufwendig sei.
Für die ersten Jahre gibt es eine Erleichterung dank der sogenannten Konformitätsfaktoren. Sie sollen die Messtoleranzen der PEMS sowie die unterschiedlichen Rahmenbedingungen (z.B. Wetter) während der RDE abbilden und gelten für Partikel und Stickoxide. Allerdings haben bereits einige Großstädte wie Madrid, Paris und Brüssel beim Europäischen Gerichtshof dagegen geklagt.

-In Fahrt Eine RDE-Probefahrt im Raum Stuttgart stellte dem GLC jedenfalls ein gutes Zeugnis aus: Trotz einer äußerst magenstrapazierenden Fahrweise des Lenkers blieb das Auto immer im „grünen“ Bereich.
 

WLTP: Nächste Stufe

-Neuerungen Heuer gilt endgültig  Abgasstufe Euro 6d Temp. Der Zweite Gesetzes-Band („WLTP 2nd Act“), der Ende November 2018 von der EU veröffentlicht wurde und verbindlich für neue Typen, die zu zertifizieren sind, seit 1.1.2019 gilt, brachte zusätzliche unerwartete Verschärfungen, auch zeitlich. Für Benziner kommt ein Grenzwert für Verdunstungen von Kohlenwasserstoffen aus dem Kraftstoffsystem (z.B. Tank), schärfer als in den USA.  Plug-in-Hybride brauchen dafür Drucktanks. Ab 1.9.2019 müssen alle Neuzulassungen die WLTP-Werte im Straßentest RDE bestätigen, abzüglich einer Toleranz, die jährlich sinkt. Ab 1.1.2020 gilt Euro 6d als Abgasnorm für neue Typen.

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