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Alfa Romeo © Bild: Andrusio Michael
Historie
31.07.2013

Autodelta: Die wilden Jahre von Alfa Romeo

Vor 50 Jahren wurde Autodelta, später Rennabteilung von Alfa Romeo, gegründet - ein Rückblick.

Es gibt Dinge, die mag man sich gar nicht in allen Details vorstellen. Beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans 1964 fuhren Roberto Bussinello und Bruno Deserti mit einem Alfa Romeo Giulia TZ 246 km/h schnell. Wie heldenhaft das war, wird uns klar, als uns Alfa ans Steuer der kleinen, stromlinienförmigen Flunder lässt. Der Motor röhrt ungeniert drauflos und fühlt sich merklich erst bei hohen Drehzahlen wohl. Das Auto ist leicht zu dirigieren und die Bremsen verzögern ohne unliebsamen Überraschungen. Trotzdem: Gurte gibt’s ebenso wenig wie elektronische Hilfen. Und 250 Sachen will man sich in der engen Aludose nicht wirklich vorstellen. Abgesehen davon, dass es in dem Ding mit der Plexiglasheckklappe abartig heiß wird.

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Alfa Romeo feiert heuer das 50-Jahr-Jubiläum von Autodelta. Und holte einige Rennfahrzeuge aus dem Museum, um sie auf der Teststrecke von Balocco auf die Piste zu lassen.
Im Jahr 1963 wurde Autodelta von Ing. Carlo Chiti, der von Ferrari kam, und Ludovico Chizzola als privater Rennstall gegründet – damals noch mit Sitz in Udine, ein Jahr später übersiedelte man nach Mailand. Anfangs setzte man auf Tourenwagen. In den 60er-Jahren eben der TZ und der TZ2 und später der GTA bzw. GTAm.

GTA

Das Rezept war denkbar einfach, man nahm den Bertone Sprint GT, sparte Gewicht ein (daher das A für alleggerita, also erleichtert), baute einen stärkeren Motor ein und verbesserte das Fahrwerk. Dass dieses Ding ausschließlich fürs Rennfahren gemacht war, wird uns am Steuer eines GTA 1300 Junior klar. Unter 5000 Touren ist der Motor praktisch nicht vorhanden, mit Erreichen der 5000er-Marke wird quasi ein Ein-/Aus-Schalter betätigt und dann schiebt der 170-PS-Vierzylinder an – begleitet von einem fast taub machenden Gekreische.


1966 gewann Alfa Romeo (man hatte Autodelta derweil in die Firma eingegliedert) mit dem GTA in der Gruppe 2 das Rennen in Sebring. Fahrer: Jochen Rindt. Der GTA war Ende der 60er-Jahre bei den Tourenwagen in seiner Klasse das Maß der Dinge. Die Italiener strebten aber nach Höherem und begannen mit der Entwicklung eines Autos, das in der prestigeträchtigeren Prototypen-Klasse starten sollte. Der 33/2 war ein Mittelmotor-Rennwagen mit V8. Anfangs gab es noch Kinderkrankheiten: Hatte der 33/2 mit gebrochenen Vorderradaufhängungen zu kämpfen, so brachen beim Nachfolgemodell 33/3 beim ersten Rennen die Kühler auseinander. Erst 1971 stellten sich Erfolge ein, De Adamich/Pescarolo siegten in Brands Hatch und der Sieg bei der Targa Florio sorgte für Euphorie in ganz Sizilien.

Formel 1

Das große Jahr war 1975. Autodelta holte mit dem 33 TT12 den Weltmeistertitel. Man schmiedete unterdes aber noch größere Pläne. Als Motorenlieferant für Bernie Ecclestones Brabham-Team engagierte sich Alfa in der Formel 1. Die Erfolge waren anfangs mäßig. Erst 1978 als Niki Lauda als Weltmeister von Ferrari zu Brabham wechselte, stellte sich der erste Sieg ein. Niki Lauda gewann mit dem sogenannten „Staubsauger-Brabham“ in Schweden, das Auto wurde aber danach als reglementwidrig verboten.


1979 ging Alfa nicht nur als Motorenlieferant für Brabham, sondern auch mit einem eigenen Team an den Start. So waren im September beim Grand Prix von Monza vier Autos mit Alfa-Motor am Start: Die Brabhams mit Lauda und Piquet und die Alfas mit Giacomelli und Brambilla. Die Alfa-F1 blieben aber erfolglos. Noch schlimmer: Patrick Depailler verunglückte 1980 in Hockenheim tödlich.


1986 kommt dann das Ende, auch für Carlo Chiti bei Alfa Romeo. Er stirbt 1994 im Alter von 70 Jahren.

Alfa Romeo TZ2

Wenn Alfa Romeo den 100er feiert, dann holt man ohne Hemmung jene Exemplare aus dem Museum, die den sportlichen Ruf der Marke geprägt haben. Und man lässt sie dort bewegen, wo einst die ersten Prototypen für die Renneinsätze vorbereitet wurden – am hauseigenen Testgelände in Balocco bei Mailand.

© Bild: Andrusio Michael

Wir picken uns aus der Sammlung an Kronjuwelen einen TZ 2 heraus. Der TZ 2 war seines Zeichens die Evolutionsstufe des Giulia TZ, mit stärkerem Motor, Fiberglaskarosserie über dem Stahlrohrrahmen und einer zum Niederknien schönen Form von Zagato – TZ steht für Tubolare Zagato. Ein Mechaniker von Alfa Romeo rüttelt den 1,6-l-Motor behutsam aus seinem Schlaf. Immer wieder droht der Vierzylinder abzusterben, bis irgendwann eine einigermaßen solide Leerlaufdrehzahl erreicht ist. Viele nannten den TZ 2 ob seiner Form Mini-GTO, in Anlehnung an den Ferrari 250 GTO. Wirklich erstaunlich war das Naheverhältnis ohnehin nicht, war doch Ing. Carlo Chiti von Ferrari zu Alfa gewechselt, wo er Chef der Rennabteilung Autodelta wurde, die den TZ 2 bei Rennen einsetzte. Anfangs mit mäßigem Erfolg.

Holpriger Start

Beim ersten Einsatz, den 24 Stunden von LeMans, sahen die drei Werksautos kein Ziel. Nach etwas mehr als einer Stunde versuchte Teodore Zeccoli das von ihm im Kiesbett geparkte Auto auszugraben – ohne Erfolg. Die anderen gingen durch technische Defekte k. o. (Sieger in diesem Rennen wurde das Duo Jochen Rindt und Maston Gregory). Ob dieser Schmach sollte es 1965 keine Einsätze mehr geben. 1966 wurde alles anders.

© Bild: Andrusio Michael

Ein 24-Stunden-Rennen in diesem Ding wirkt aus heutiger Sicht aberwitzig. Man zwängt sich in einen kleinen Schalensitz, Gurte gib’s keine. Das Lenkrad ist geringfügig größer als ein Dessertteller. Vor dem Fahrer ist groß und klar ablesbar der Drehzahlmesser eingebaut, einen Tacho gibt’s für den Beifahrer (so der das Tempo wirklich wissen will). Ein kurzer Dreh am links neben dem Lenkrad angebrachten Zündschlüssel und (der mittlerweile warmgefahrene) 1,6-l springt willig an. Ein Tritt aufs Gaspedal und der TZ 2 beschleunigt flott auf 100 km/h. Die Flunder hatte nur 630 kg, die von einem 170 PS starken Motor in Fahrt gebracht wurden. Akustisch klingen die 170 PS wie 700. Der Alfa wird bei höheren Drehzahlen laut, dass es schon in den Ohren schmerzt. Auch wenn die Piloten seinerzeit natürlich Helme trugen, der Lärm war schlicht infernalisch. Die Schaltung funktioniert tadellos, bei den Pedalen muss man sich darauf einstellen, dass das Gaspedal leicht nach innen gedreht ist (Brems- und Gaspedal vor der Kurve zu verwechseln, wäre suboptimal, auch wenn die Bremswirkung verglichen mit heutigen Autos ein Witz ist). Auch die Lenkung arbeitet exakt, Servolenkung oder ABS waren Fremdworte – ebenso CO2, was man merkt, wenn man lange neben dem laufenden Auto steht.

1966 gewann der TZ 2 in seiner Klasse die Targa Florio, Sebring, Monza, Nürburgring, Mugello und Enna. Die Rennsportkarriere wurde aber gestoppt, man konzentrierte sich auf den erfolgreichen GTA bei den Tourenwagen – mit dem auch Jochen Rindt noch einige Rennen bestritt.

© Bild: Andrusio Michael

Video von anno dazumal