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Umwelt

CO2: „Die ganze EU-Politik muss umgestellt werden“

Anstatt über steigenden CO2-Ausstoß nur zu jammern, sollte, so Experten, CO2 als Rohstoff auch für Sprit und Autoteile genutzt werden. Gerade in der EU.

von Maria Brandl

12/10/2012, 09:18 AM

Als die EU das Kioto-Protokoll unterzeichnete und sich verpflichtete, bis spätestens Ende 2012 den Ausstoß an Treibhausgasen um 8 % gegenüber 1990 zu senken, waren die Politiker überzeugt, dies auch erreichen zu können. In Österreich waren die Politiker sogar so optimistisch, dass sie das Reduktionsziel auf 13 % erhöhten.

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Nun, Ende 2012, ist klar, dass sowohl die Ziele wie die Mittel, mit denen man sie erreichen wollte, unrealistisch sind:
Die Effizienzsteigerungen blieben hinter den Erwartungen zurück, auch weil zu wenig in sie investiert wurde.
Der Emissionshandel, der mehr als 40 % der CO2-Emissionen abdeckt und mit dem sich energieintensive Produktionsanlagen durch entsprechende Umweltinvestitionen im Ausland von drohenden CO2 -Strafsteuern freikaufen können, ist ein Rohrkrepierer. Kostete ein Zertifikat 2006 pro Tonne CO2 25 bis 30 € mit einem Ausblick auf 50 bis 100 €/t, so beträgt der aktuelle Preis 7 €/t. Damit rechnen sich viele Investitionen in mehr Energieeffizienz nicht.
Der große Traum, CO2 irgendwo im Meer zu versenken oder tief im Gebirge zu vergraben und damit „verschwinden“ zu lassen, scheitert bisher an enormen Kosten und immer größerem Widerstand der Bevölkerung.
„In der EU waren bis 2015 12 solcher Demonstrationsprojekte geplant, davon sind wir weit entfernt“, so Torsten Wöllert von der Brüsseler Generaldirektion Klima auf der Tagung des oö. Umweltclusters „ CO2 als Wertstoff“ vorige Woche in Linz. Obwohl die EU 1 Mrd. Euro dafür bereitstellte, reicht das Geld bei Weitem nicht. Zudem ist die Ablehnung gegen CO2-Endlager inzwischen ähnlich groß wie gegen Atommüll-Endlager. In Österreich sind sie verboten.
Dieser Widerstand „hat die EU bewogen, sich mit CO2 als Rohstoff zu befassen“, so Wöllert. Das habe mehrere Vorteile:
CO2 als Rohstoff ist gerade für die EU sehr interessant, hier gibt es nur geringe Kohlenstoff-Vorkommen.
CO2 als Rohstoff hilft nicht nur dem Klima, sondern schafft auch Arbeitsplätze.
Die Umwandlung von CO2 und der damit verbundene Energieverbrauch eignen sich sehr gut als Speicher überschüssiger Wind- und Solarenergie. Das könnte für die Erzeugung von „E-Gas“ genutzt werden.
Mit diesen weltweit neuen Aufgaben kann Europa wieder Wertschöpfung aus China zurückholen und damit auch Arbeitsplätze und Wissen, so Manfred Reiter von der oö. Firma Profaktor, spezialisiert auf angewandte Produktionsforschung.

Erste Erfolge

Grundsätzlich ist der Einsatz von CO2 als Rohstoff nichts Neues. Bereits seit mehr als 100 Jahren wird es für die Erzeugung von Aspirin, Limonade usw. verwendet. Neu ist die CO2-Gewinnung aus Abgasen, vor allem von Kraftwerken und Industrieanlagen, wo CO2 in höheren Konzentrationen (4–100 %) vorkommt. CO2 aus den Autoauspuffen abzuscheiden, macht dagegen keinen Sinn.
Die Nutzung von CO2 hat laut Experten einen Riesenvorteil: Während Vergraben (Endlager) enorm viel Geld kostet, aber keines einbringt, kann mit einer Verwertung möglichst profitabler Produkte Geld verdient und somit der Großteil der in beiden Fällen anfallenden enormen Kosten für die Abscheidung des CO2 aus den Rauchgasen amortisiert werden.
Anders als Deutschland, das bei der Verwertung von CO2 vor allem an Gas oder Wasserstoff als Speicher überschüssiger Windenergie denkt, forscht Österreichs Industrie mehr an der Entwicklung neuer Produkte.

Die Umkehr des Treibhauseffektes

Für Martin Lohrmann, bei VW in der Kraftstoff-Forschung tätig, ist die Rechnung klar: Für die Speicherung überflüssiger Windkraft gibt es keine bessere Möglichkeit als E-Gas, auch Biomethan, synthetisches oder Windgas genannt.

Hintergründe

Mit stationären Batterien ließen sich 0,04 TWh (Terrawattstunden) Windstrom speichern, was Deutschlands Strombedarf für eine Stunde deckt. Mit den Batterien von 45 Mio. Elektro-Autos (mit 10 kWh-Akkus) sind es 0,45 TWh, was für sechs Stunden Strom in Deutschland reicht. Mit E-Gas erreiche man aber 130 TWh, womit Deutschland zwei Monate mit Strom versorgt werden kann.
Anders als Österreich verfügt Deutschland kaum über Pumpspeicher als Puffer (mit 72 % Wirkungsgrad am effizientesten) für überschüssigen Windstrom, daher muss Deutschland andere Lösungen suchen.
E-Gas hat da einige Vorteile:
E-Gas ist CO2-neutral, da bei seiner Verbrennung etwa in Autos oder Kraftwerken nicht mehr CO2 frei gesetzt wird, als vorher für seine Herstellung eingesetzt wird. E-Gas wird aus Wasserstoff mit CO2 erzeugt („Methanisierung“). Es ist eine zusätzliche Variante von Biogas, das bisher und weiterhin vor allem aus Reststoffen aus der Landwirtschaft erzeugt wird.


Zwar wäre der Wirkungsgrad mit rund 70 % besser, würde Wasserstoff (via Elektrolyse aus Windstrom und Wasser) gleich direkt etwa in Brennstoffzellen­autos oder -Heizanlagen eingesetzt werden und nicht in E-Gas weiter umgewandelt (56 % Wirkungsgrad). Dieser Wirkungsgradverlust lässt sich aber laut Timm Kehler, Sprecher deutschen „Erdgas mobil“ mildern, indem die Abwärme aus dem Prozess für das Wachstum von Biomasse genützt wird.
Für Wasserstoff fehlt jedoch nach wie vor die Infrastruktur. Auch die für 2015 von großen Autoherstellern wie Daimler und Toyota angekündigten Hunderttausenden Brennstoffzellenautos wurden inzwischen deutlich nach unten korrigiert. Bis sich das ändert,
könnte E-Gas als Überbrückung dienen.
Mit dem riesigen Pipeline-Netz ist Gas nicht nur gegenüber Wasserstoff im Vorteil, sondern auch gegenüber Strom. Um die enormen Windstrommengen aus dem Norden Deutschlands zu den großen Abnehmern im Süden Deutschlands zu bringen, wären 3000 bis 4000 km neue Hochleistungs-Stromverbindungen nötig. Doch dagegen wehrt sich die Bevölkerung.
Kein Wunder, so Torsten Wöllert, EU-Kommission, auf der CO2-Tagung in Linz, dass neben Deutschland praktisch alle EU-Staaten mit viel Windkraft, Dänemark, Großbritannien, die Niederlande, intensiv an dieser in gewisser Hinsicht Win-win-Lösung arbeiten, nämlich Speicherung von überschüssiger Windenergie und gleichzeitig CO2-Reduktion durch Verwendung von CO2 als Rohstoff für die Energieversorgung.
Selbst die Betreiber von kalorischen Kraftwerken sind am E-Gas sehr interessiert, so Werner Steinecker von der oö. Energie AG und Mitveranstalter der CO2-Tagung, da auf diese Weise auch in Europa Kohle- und Gas-Kraftwerke möglich bleiben. CO2 muss dafür nicht vergraben werden, sondern wird Rohstoff.

Pilotprojekte

In Deutschland gibt es derzeit drei Pilotprojekte für E-Gas, so Timm Kehler. Eines davon errichtet Audi, diese Anlage soll im Mai 2013 in Betrieb gehen.
Laut Hermann Pengg, zuständig für erneuerbare Kraftstoffe bei der Audi AG und gebürtiger Österreicher, ist ein Kompaktauto mit E-Gas in der CO2-Gesamtbilanz (von der Herstellung bis zum Auspuff) deutlich besser als mit E-Antrieb (mit deutschem Strommix).
 

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