THEMENBILD: VERKEHR / UMWELT - AUSPUFF

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Streit um die Verbrenner: Warum das EU-weite Verbot gekippt wurde

Die Verbrenner-Debatte findet kein Ende: Warum die EU-Länder beim Ausstieg zögern und der Streit um die Mobilität in Europa Fahrt aufnimmt.

von Sandra Baierl

03/14/2023, 05:11 PM

Deutschland boykottierte vergangene Woche die letzte, finale Abstimmung um das Verbrennerverbot. Andere Länder finden das gut, auch Österreichs Kanzler Karl Nehammer. In der Debatte um ein Aus für neue Verbrenner-Fahrzeuge in der Europäischen Union hat sich Nehammer auf die Seite der deutschen Regierung gestellt. "Auch ich werde mich dagegen aussprechen, den Verbrennungsmotor zu verbannen, falls das Thema bei einem EU-Gipfel besprochen werde", sagte der konservative Regierungschef. "Welche Zukunftsvision ist das, wo man den Verbrennungsmotor ins Out stellt und sich dann nur mehr auf einen Antriebsmechanismus fokussiert?", fragte Nehammer mit Blick auf synthetische Treibstoffe.

Worum geht es bei dieser EU-weiten Debatte genau? Und warum wurde man im letzten Moment doch nicht einig? Der Innenpolitik-Redakteur und Klima-Journalist des KURIER, Bernhard Gaul, hat die wichtigsten Punkte zusammengefasst.

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Worum geht‘s beim Streit um ein Verbrenner-Aus?

Neuwagen mit Verbrenner-Motoren, das sind die üblichen Diesel- oder Benzinautos, sollen ab 2035 nicht mehr in der EU zugelassen werden dürfen. Das betrifft nicht die davor zugelassenen Pkw. Eigentlich hatten sich die EU-Institutionen bereits zum Verbot ab 2035 geeinigt, der Beschluss wäre nur mehr Formsache gewesen. Doch dann hat der deutsche Verkehrsminister überraschend sein Veto angekündigt, im Wissen, dass ihm einige andere Minister folgen werden. Daraufhin wurde die finale Abstimmung im Rat auf unbestimmte Zeit vertagt. Es gibt also keinen Beschluss zu einem Verbrenner-Verbot.

Wer steht hinter dem Verbrenner-Aus – und warum eigentlich?
Treibende Kraft ist der Green Deal der EU-Kommission unter der deutschen Präsidentin Ursula von der Leyen. Der Green Deal ist ein Aktionsplan der EU, der darauf abzielt, Europa bis 2050 klimaneutral zu machen, indem der CO2-Ausstoß sukzessive reduziert wird und die Wirtschaft auf erneuerbare Energien umgestellt wird. Auch das geplante Verbrenner-Aus für Neuwagen ab 2035 ist Teil des European Green Deal.

Der Auspuff eines VW Tiguan

Was will Deutschland?
Der deutsche Verkehrsminister Volker Wissing von der FDP hatte gesagt, Deutschland könne einem pauschalen Verbrenner-Aus zum derzeitigen Zeitpunkt nicht zustimmen. Die EU-Kommission müsse einen Vorschlag unterbreiten, wie klimaneutrale, synthetische Kraftstoffe, sogenannte E-Fuels, nach 2035 in Verbrennungsmotoren eingesetzt werden können. Wissing beruft sich hier auch auf eine Einigung im deutschen Ampel-Koalitionsvertrag („...setzen uns dafür ein, dass nachweisbar nur mit E-Fuels betankbare Fahrzeuge (auch nach 2035) neu zugelassen werden können“).

Wer in der EU ist gegen das Verbrenner-Aus?
Neben Deutschland wollten zuletzt auch Länder wie Italien, Polen und Bulgarien den Plänen nicht zustimmen, und seit vergangenem Freitag offenbar auch Österreich, nachdem Kanzler Karl Nehammer erklärte, er „unterstütze alle EU-Staaten, die das Vorhaben blockieren, den Verbrennungsmotor ins Aus zu stellen“. Das EU-Parlament hatte übrigens für das Verbrenner-Aus 2035 gestimmt, gegen die Stimmen der FPÖ- und ÖVP-Abgeordneten. Nur Othmar Karas war dafür, als auch die Mandatare von SPÖ, Grünen und Neos.

Wie sollen wir in Österreich und Europa künftig unterwegs sein?
Ob Europas Pkw irgendwann nach 2035 nur mehr elektrisch unterwegs sind, lässt sich heute nur schwer beantworten. Der Plan ist einerseits der Ausbau des öffentlichen Verkehrs und der Fahrrad-Infrastruktur. Andererseits hat sich vor allem die Autoindustrie zum Umstieg auf batterie-elektrische Pkw entschieden.

Warum werden E-Fuels als Alternative genannt?
E-Fuels sind künstlich produzierte (synthetische) Kraftstoffe, die aus Ökostrom (Wind, Wasser, PV) hergestellt werden. Für die Erzeugung wird mit Ökostrom Wasserstoff aus Wasser erzeugt, dieser wird dann zusammen mit Kohlenstoffdioxid (CO2) aus der Atmosphäre (oder aus Schornsteinen) in industriellen Prozessen chemisch verarbeitet, um tankbare, synthetische Kohlenwasserstoffe zu erzeugen. E-Fuels können wie Benzin oder Diesel in Autos verwendet werden. Es kommt zwar auch hier CO2 aus dem Auspuff, da dieses aber zuvor aus der Luft geholt wurde, gelten E-Fuels als klimaneutral.

Was ist das Problem bei der E-Fuel-Produktion?
Größtes Problem bleibt der extrem hohe Strombedarf, der noch dazu aus 100 Prozent Ökostrom sein muss, damit E-Fuels klimaneutral sind. Berechnungen der Energieagentur zeigen: Um die gleichen Mengen des derzeit benötigten Benzins oder Diesels herzustellen, würden E-Fuel-Fabriken etwa den gesamten Strom von Österreich brauchen, hat die Energieagentur (AEA) berechnet. Kurzum: In Österreich und Europa werden sich die für E-Fuels notwendigen Strommengen nicht produzieren lassen.

Wo sollen die geforderten Mengen E-Fuels sonst hergestellt werden?
Genannt werden hier immer Gegenden, wo deutlich mehr Wind- und Sonnenstrom verfügbar wäre: Nordafrika, Südamerika, Australien. Europa müsste also ein oder mehrere politisch stabile Länder finden, wo die gesamte E-Fuel-Produktion ausgelagert werden könnte. Dort müsste dann massiv in den Bau von Windkraft- und Sonnenstromfarmen investiert werden, als auch in die eigentlichen E-Fuel-Anlagen. Und dann bleibt noch die Frage, wie die flüssigen, klimaneutralen Treibstoffe zum europäischen Tankstellennetz transportiert werden.

Kritisiert wird, dass E-Fuels ineffizient sind und eine schlechte Energiebilanz haben. Was ist damit gemeint?
Durch die vorgelagerten Prozessschritte bei der Produktion von E-Fuels wird im Vergleich zu Elektroautos das 5-Fache an Energie benötigt. Der Strom aus einem Windkraftwerk oder einer PV-Anlage, der direkt (oder indirekt über Ladestationen) in E-Autos mit Batterie fließt, hat viel weniger Energieverluste als ein Verbrenner-Pkw mit E-Fuels. Bei E-Fuels sind die Verluste bei etwa 85 Prozent, bei Batterie-Elektroautos sind es hingegen nur 26 Prozent.

Wenn nicht für Pkw, für wen sollen dann E-Fuels produziert werden?
Sowohl die Schifffahrtsindustrie als auch die Flugzeugindustrie hoffen sehr auf E-Fuels. Beide Industrien haben bisher keine sinnvollen Alternativen für Verbrennungsmotoren bzw. Düsentriebwerke gefunden. Sowohl die Schifffahrt als auch Flugzeuge würden aber nur einen Bruchteil der E-Fuel-Mengen der Pkw benötigen.

Gab es bereits Projekte, wo Europas versucht hat, in anderen Staaten grüne Energie zu produzieren?
Ja, das „Desertec“-Projekt will grünen Wüstenstrom von Afrika nach Europa liefern. 2009 sprach der damalige Siemens-Chef Peter Löscher noch vom „Apollo-Projekt des 21. Jahrhunderts“. Das Projekt gilt heute bei Kritikern als gescheitert, auch wenn es weiter (zaghaft) fortgeführt wird. Strom nach Europa floss aber damit nie.

Sind E-Fuels und Biofuels das Gleiche?
Nein, anders als E-Fuels werden Biofuels aus pflanzlichen oder tierischen Rohstoffen hergestellt (Mais, Zuckerrohr, Raps). Diese werden chemisch verarbeitet, um Ethanol oder Biodiesel zu erzeugen. Diese können in herkömmlichen Diesel- oder Benzinmotoren Probleme verursachen (kann Dichtungen angreifen). Bei E-Fuels hat man dieses Problem kaum.

Warum können wir nicht mit normalem Benzin oder Diesel weiterfahren?
Die Klimaziele lassen das nicht zu. Bis 2040, so hat es der damalige Bundeskanzler Kurz verkündet, soll Österreich klimaneutral werden. 2022 wurden etwa 1,98 Milliarden Liter Benzin und rund 7,38 Milliarden Liter Diesel verkauft. Ein Liter Benzin verbrennt ungefähr zu 2,3 Kilogramm CO2, ein Liter Diesel zu 2,6 Kilogramm CO2.

Wie hoch ist der Anteil an batterie-elektrischen Pkw in Österreich, und wie sieht der Strommix aus?
Mit Ende Jänner 2023 gibt es in Österreich 112.675 rein elektrisch betriebene Pkw. Das sind 2,2 Prozent des gesamten Pkw-Bestands. Österreichs Strommix war 2021 nur mehr zu 21 Prozent fossil, Ziel ist, bis 2030 nur mehr Ökostrom zu erzeugen.

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