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Die motorisierte Welt-Gesellschaft

Seit 1990 hat sich der Pkw-Bestand in Österreich fast verdoppelt: Ende 2010 waren 4,44 Millionen Pkw zugelassen. Die Autobauer reiben sich die Hände: Neu- und Gebrauchtwagenverkäufe erzielen Rekordwerte.

von Andrea Hlinka

12/05/2011, 07:42 AM

Ein Junge im Darth-Vader-Kostüm versucht verzweifelt, das Familienauto mit seinen mentalen Kräften zu bewegen. Vater und Mutter beobachten die Szene durch das Küchenfenster, Papa sperrt das Auto via Funktechnik auf, der Junge weicht überrascht und erschrocken zurück. Magisch! Neben der pädagogisch zweifelhaften Aktion - dem Buben wird eine lebenslange Therapie wegen Allmachtsgefühlen nicht erspart bleiben - hat diese Werbung nichts mit den ökonomischen oder ökologischen Daten des Autos zu tun. Muss sie auch nicht: Der kleine Darth Vader ist entzückend, das Auto sieht gut aus, die Familie macht selbst den Waltons Konkurrenz, der Kultstatus von Star Wars ist sowieso betoniert. Mit der Werbung ist Volkswagen ein Meisterstück gelungen - die Erstausstrahlung in der Pause der Superbowl haben 111 Millionen Menschen gesehen. Europas größter Autobauer mit Marken wie VW, Audi, Skoda und Seat befindet sich auf ungebrochenem Höhenflug (siehe Interview unten) . In den ersten vier Monaten des Jahres lieferte der Konzern 2,66 Millionen Fahrzeuge aus, fast 14 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.

Die Weltbevölkerung kauft fleißig Autos - allen voran die Chinesen - scheinbar unbeeindruckt von Klimadebatte, hohen Spritpreisen und Nachkrisenzeit. "Der Weltautomobilmarkt wird weiter wachsen. Der Motorisierungsboom findet jedoch nicht in Westeuropa oder Nordamerika statt, sondern in Asien und Lateinamerika", sagt Willi Diez, Direktor des Instituts für Automobilwirtschaft der deutschen Uni Nürtingen-Geislingen. Daher würden sich auch die europäischen Autobauer ganz klar auf diese Märkte konzentrieren, um ihre Marktanteile weiter auszubauen. "Alleine in China werden in diesem Jahr 18 Millionen Neuwagen verkauft werden", sagt Diez - weltweit mehr als 70 Millionen.

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Im ersten Quartal 2011 jubelten auch die österreichischen Autohändler frenetisch einen Anstieg der Neuzulassungen. "Die größten Erwartungen wurden übertroffen", sagt Lydia Ninz vom ARBÖ. Aber der Lack verliert an Glanz, wenn man näher hinschaut. Hinter den starken Zuwächsen stehen wieder wachsende Kurzzulassungen. "Das sind oft reine Geisterautos, die nur in der Statistik aufscheinen, nie österreichischen Boden gesehen haben, weil sie in ein anderes Land weiterverkauft wurden", führt Ninz aus. Manche Autos würden so in mehreren Ländern in der Statistik als Neuzulassungen aufscheinen. Der Sinn dahinter: Beschönigte Verkaufszahlen, mehr nicht.

Trotzdem: Der Markt wächst. Die Zahl der Neuzulassungen von Pkw nahm laut Statistik Austria im ersten Quartal 2011 um 15,7 Prozent auf 87.865 zu. Die Gründe dafür? "Nach der Krise sind die Arbeitsplätze sicherer, die Einkommen zum Teil wieder gestiegen und es gibt Nachholbedarf", sagt Diez. Jemand, der sich in den Krisenjahren keinen Neuwagen gönnen wollte, würde es jetzt tun. Ein weiteres Argument für eine Neuanschaffung ist eine Reduzierung der laufenden Kosten. "Manche kaufen sich ein neues Auto, weil das alte einfach zu viel Treibstoff verbraucht", sagt Diez. "Der Trend geht in Richtung kompaktere Pkw, auch Kompakt-SUV, die spritsparend sind und gute Abgaswerte haben", analysiert auch ARBÖ-Sprecherin Lydia Ninz. Der naturverbundene und umweltbewusste Österreicher ist da auch pragmatisch. Das scheint in Anbetracht der hohen Spritpreise eine für die Natur und das Geldbörsel gesunder Ansatz zu sein: Denn obwohl der Rohölpreis in den vergangenen Wochen spürbar gesunken ist, wurden die sinkenden Preise bisher nicht an den Endkunden an der Zapfsäule weitergegeben (siehe links unten) . Wieso sich dennoch eine überzeugte Menge prinzipiell gegen spritsparende Neuwagen sträubt und Gebrauchtwagen bevorzugt, ist in Österreich zum Teil mit der Normverbrauchsabgabe (NOVA) auf Neuwagen zu begründen. Im ersten Quartal 2011 wurden 193.710 gebrauchte Pkw in Österreich zugelassen.

Die Kaufkriterien

"Die Umweltverträglichkeit ist nicht das primäre Kaufkriterium", sagt Harald Wimmer vom Institut für Marketing und Management der WU Wien. Das Preis-Leistungs-Verhältnis, die Marke, schönes Design mit entsprechender Motorleistung, die Sicherheitssausstattung und der Komfort seien mindestens ebenso wichtig.

Motivforscherin Helene Karmasin unterscheidet zwischen denjenigen, die tatsächlich ein Auto brauchen und denjenigen, die mit ihrem Auto vor allem ein Statement setzen wollen: "Wenn man wirklich ein Auto braucht, wie etwa Pendler, dann geht die Entscheidung nach dem Preis, dem Verbrauch und nach der Funktion." Die "moderne Elite" hingegen würde Luxus ausdrücken wollen, ohne damit unbedingt zu protzen. Sie suchen Sportlichkeit, ohne verschwenderisch oder umweltbelastend zu sein. "Die moderne Elite versucht allzu Sündiges zu vermeiden, damit man nicht mit dem Finger auf sie zeigt", sagt Helene Karmasin. Kauft sich eine Familie ein Auto, zeigt im Übrigen die Frau auf das gewünschte Modell. "Frau und Kinder entscheiden maßgeblich mit", sagt Paolo Tumminelli, Gründer von Goodbrands, Institut of automotive culture. Daher würden Autobauer heute Frauen und die Familie in ihrer Werbung bewusst und direkt ansprechen - der Autokonzern VW hat das längst verstanden und im Darth-Vader-Fernsehspot perfekt inszeniert.

Das Auto ist heute erweitertes Familienmitglied, ein Ausdruck der Persönlichkeit und nur selten Mittel zum Zweck. Und das Gros hat offenbar eine so intensive emotionale Beziehung, dass es dem Auto sogar einen Namen gibt. Über 40 Prozent tun das.

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