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Zweirad

Ducati Streetfighter V4 S: Eine Diva mit besten Manieren

Aus dem Sportgerät zaubern die Italiener ein 208 PS starkes Naked Bike, das wir auf der Straße zum ersten Kurven-Swing ausführen durften.

04/28/2020, 03:00 AM

Eigentlich hätten wir die Ducati Streetfighter – und damit eine der wichtigsten Modellneuheiten des Jahrgangs 2020 – Ende März auf dem prestigeträchtigen Ascari Race Resort in Andalusien testen sollen. Die Corona-Krise führte jedoch dazu, dass die offizielle Pressevorstellung abgesagt werden musste.

Ein bisschen Glück im Unglück: Die ersten Demo-Bikes waren bereits bei den Händlern eingetroffen, und so haben wir eine taufrisch eingefahrene Streetfighter V4 S ausgefasst und dem ersten Check unterzogen.

Da sich die S-Modelle der Roten aus Bologna besonders großer Popularität erfreuen, testeten wir die 27.295 Euro teure, exklusivere Version. Sie unterscheidet sich vom 4000 Euro günstigeren Basismodell durch Schmiederäder von Marchesini und adaptivem Öhlins-Fahrwerk inklusive elektromechanisch angesteuertem Lenkungsdämpfer.

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Supersportliche Basis

Bekanntlich baut die Streetfighter V4 technisch auf der supersportlichen Panigale auf. Modifikationen gibt es neben der fehlenden Verkleidung und dem hohen Lenker dennoch eine ganze Reihe, denn die neue Streetfighter soll ja in erster Linie auf der Straße performen.

Zunächst mussten die Ingenieure aus Borgo Panigale das Handling optimieren – ohne dass das Hyper-Naked-Bike zur ausschlagenden Furie verkommt. Um das zu verhindern, werden normalerweise der Radstand verlängert und der Lenkkopfwinkel vergrößert, was jedoch – etwa in Serpentinen – Nachteile mit sich bringen kann.

Also wählte Ducati einen Mittelweg: Der Radstand wurde zwar um 15 Millimeter gestreckt, Lenkkopfwinkel und Nachlauf aber bei den Panigale-Werten belassen. Für flottere Richtungswechsel und eine optimierte Kontrolle sorgt der breite Lenker; final austariert wird der Mix aus Handling und Stabilität über die Aerodynamik-Winglets. Letztere sind, um Baubreite zu sparen, als „Doppeldecker“ ausgelegt und optimieren die Stabilität beim Anbremsen aus hohen Geschwindigkeiten sowie in Kurvenradien und reduzieren die Wheelie-Tendenz.

Exquisiter Rahmen

Das 4,2 Kilo leichte, „Front Frame“ genannte Monocoque-Rahmenelement, das vorn den massiven Lenkkopf einschließt und sich hinten am mittragenden Motor abstützt, kennen wir aus der Panigale. Längsflexibilität und Torsionssteifigkeit blieben unangetastet. Auch in der Streetfighter dreht der Desmosedici-Stradale-V4 mit 1.103 Kubikzentimetern Hubraum in astrale Höhen um die 15.000 Touren. Mit einer Nennleistung von 208 PS liegen gegenüber der Panigale zwar sechs PS weniger an, die Streetfighter drückt in den ersten drei Gangstufen aber energischer vorwärts: ab 4.000 Umdrehungen liegen schon über siebzig Prozent des maximalen Drehmoments von 123 Newtonmeter an. Ab 9.000 Touren sind es mehr als neunzig Prozent.

Dezente Anpassungen

Neben neuen Ride-by-Wire-Mappings findet sich das volle Programm an Assistenzsystemen: Kurven-ABS, Traktionskontrolle, Bremsdrift-, Wheelie- und Motorbremskontrolle, Launch Control und bidirektionaler Quickshifter.

Auch die Ergonomie zeigt sich angepasst: Während die Raster deutlich tiefer montiert wurden, thront der Pilot zehn Millimeter höher auf dem üppig aufgepolsterten Sitzkissen. Und auch der dicke Sattel für den Sozius lässt beim Passagier Hoffnung auf einen halbwegs erträglichen Ritt aufkeimen.

Respekteinflößend

Nach einer geballten Ladung Technik und Theorie jetzt zur Sache! Der respekteinflößende V4-Donner ist bekannt und in puncto Soundvolumen sicher nicht von der zurückhaltenden Sorte. Als aufdringlich würden wir die Lebenszeichen des V4 dennoch nicht bezeichnen.

Am meisten erstaunt, wie einfach, gestresst und unverkrampft sich die Streetfighter in der City bewegen lässt. Problemlos und ohne Gestotter des kultivierten und ab 2.500 Touren mit lobenswertem Rundlauf werkelnden V4 gondelt man durch 30er­Zonen, der Motor geht hier vorbildlich sanft ans Gas.

Im Sport-Modus reagiert das Triebwerk schon eine Spur direkter; ein Problem ergibt sich dadurch allerdings nicht. Die 155 PS des Street-Modus reichen im Alltag auf öffentlichen Straßen übrigens bei Weitem. Auch weil gegenüber dem Sport-Modus im unteren Drehzahlspektrum praktisch keine Unterschiede auszumachen sind.

Ergo: die Streetfighter V4 bietet in jeder Lebenslage Druck – und zwar im Überfluss. Via Gasgriff lässt sich fein justieren, wie lange man die Arme gezogen bekommen will. Die Leistungsabgabe bleibt dabei linear und berechenbar. Auch die Assistenzsysteme arbeiten allesamt erstklassig und intervenieren nie störend. Trotz kühler Temperaturen fasst man viel Vertrauen in alles, was sich unter dem Piloten abspielt.

In diesem Punkt spielt natürlich auch die Fahrwerks-Performance eine entscheidende Rolle: Das Feedback ist glasklar. Sicher ist die Streetfighter V4 in puncto Chassis eher auf der handlichen Seite des Spektrums, bietet aber dennoch einen guten Mix aus Handling und Stabilität.

Auch bei den Bremsen haben die Ducati-Ingenieure voll ins Schwarze getroffen. Das Ansprechen der Stylema-Brembos gibt sich durchaus human, also nicht übermäßig giftig, und das ist auch gut für ein Straßenmotorrad. Auf Wunsch sind die Verzögerungswerte aber brachial.

Alltagstauglich

Erstaunt sind wir am Ende der Testfahrt nicht nur über die unbeschwerte Alltagstauglichkeit, sondern auch darüber, dass sich keinerlei Ermüdungserscheinungen bemerkbar gemacht haben. Das spricht für die entspannte Ergonomie sowie das straff gepolsterte, gleichzeitig aber komfortable Sitzkissen.

Als einziger echter Kritikpunkt haben sich die Rückspiegel im Testprotokoll niedergeschlagen. Diese bieten zwar ausreichend große Spiegelflächen, zielen aber zu weit nach unten und bieten damit nur in geduckter Haltung gute Sicht nach hinten.

Breite Spreizung

Unser Fazit: Ein Hyper-Naked mit so viel Power und einem gleichzeitig dermaßen breiten Einsatzspektrum ist noch nie aus Bologna gerollt. Das sportliche Potenzial der Streetfighter V4 ist zweifellos gigantisch; überrascht hat uns eher, wie unangestrengt und kurzweilig sich dieses vermeintliche Biest am Pass und in der City fahren lässt.

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