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Fahrbericht

Bentley Bentayga: Luxus-Chalet auf Rädern

Wie es einem ergeht, wenn man mit einem Bentayga in der schnöden Realität ankommt

von Horst Bauer

01/13/2018, 04:10 PM

Wie umgehen mit einem Auto, das unterm Strich so viel kostet wie ein gar nicht mal so kleiner Neubau?

Diese Frage stellt sich, wenn man mit einem Bentley Bentayga in der Benzin-Variante – also mit W-12-Zylinder, 608 PS und Fahrwerten eines Sportwagens trotz maximal fast 3,3 Tonnen Lebendgewicht – über die Straßen des Alltags rollt. Fernab von Küstenpromenaden zu Millionärsvillen oder Bergstraßen hinauf zu Luxus-Chalets.

Der schwärmerische Zugang ist es, sich einfach von der gediegenen Club-Atmosphäre des Passagierabteils gefangen nehmen zu lassen, die enorme Drehmomentwelle des 6-Liter-Zwölfzylinders abzureiten (immerhin stehen satte 900 Nm zwischen 1350 und 4500 Touren durchgehend zu Diensten) und sich an die erstaunten bis verwunderten – in Österreich aber kaum je bewundernden – Blicke vom Straßenrand zu gewöhnen. Und sich weiter nicht zu fragen, wie hoch die Rechnung an der Tankstelle werden wird. Oder wie lange es wohl noch dauert, bis man den Zapfhahn ansetzen muss (realistischer Schnitt: 14,2 l für 100 km).

Der pragmatische Zugang versucht, in dem hoch aufragenden Fünfmeter-Koloss einfach ein Auto zu sehen, bei dem es letztlich auch nur um den – zugegeben luxuriösen – Transport von A nach B geht. Dazu bedarf es natürlich einer gewissen Abgeklärtheit, zu der man leichter findet, wenn man den Bentayga bereits in seiner Prototypen-Phase im Wüsteneinsatz erfahren durfte und ihn im fertigen Serientrimm auch schon über eine abgesperrte Rennstrecke hetzen konnte.

Der Umstand, dass er in beiden Fällen bewiesen hat, welch exorbitante Ingenieur sleistung in ihm steckt, um den Spagat zwischen beiden Extremen derart souverän hinzubekommen, lässt die Frage zurück, wie er die unglamourösen Mühen der Ebene meistert. Deren Beantwortung sollte die Ausfahrt mit einem Bentayga W12 mit britischem Nummernschild auf heimischen Straßen ermöglichen. Bei der es dennoch nicht leicht war, sich von so mancher luxuriös-teuren Ausstattungs-Verschrobenheit nicht vom Wesentlichen ablenken zu lassen.

Etwa durch den im Kofferraum geparkten „Event-Seat“, der im aufgeklappten Zustand bei offener Heckklappe über den Stoßfänger hinausgeschoben werden kann. Um dort unbefleckten Hosenbeines sitzen zu können – bei welchem Freiluft-Event auch immer. Dass dafür über 3800 Euro zusätzlich fällig werden, relativiert sich angesichts der rund 10.000 Euro für das Audiosystem von Naim.

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Durch enge Gassen

Im Fahrbetrieb selbst bleibt aber ohnehin kaum Zeit, über die einzelnen Posten der Aufpreisliste zu kontemplieren, die sich im vorliegenden Fall auf den Gegenwert eines Range Rover Sport SE summieren. Zu eng werden dem knapp 2 Meter breiten Chalet auf Rädern etwa Wiener Vorstadt-Gassen. Dort muss es der Bentayga-Fahrer den Kollegen in ihren profanen Klein-Lkw gleichtun und immer wieder einmal die Außenspiegel einklappen, um zwischen den schlampig geparkten Autos durchzukommen. Von der schweißtreibenden Einfahrt in eine enge Garagen-Spindel gar nicht zu reden.

Auf der nassen Autobahn kommt – bei schweigender Naim-Anlage – sogar der Hauch eines Zweifels auf, ob die Abroll-Geräusche der Winterreifen nicht vielleicht doch im vergleichsweise armen Verwandten aus Wolfsburg, dem aktuellen VW Passat, weniger deutlich zu hören sind.

Aber die herrschaftlich reisende Fond-Besatzung wird von derlei ketzerischen Überlegungen ohnehin nicht angekränkelt, wenn sie ihr individuelles Videoprogramm Kopfhörer-bewehrt genießt.

 

Im verschneiten heimischen Tann – weit abseits nobler Ski-Destinationen – wurde die Gefahr, mit dem luxuriösen Briten doch etwas deplatziert zu wirken, durch ein wundersames Zusammentreffen minimiert. Entstieg doch, gerade als der Bentayga in die Lichtung des verschneiten Waldweges einbog, ein wie frisch dem Heimatfilm entstiegen wirkender Kärntner Jägersmann gerade seinem Jagdwagen.

Und das war unerwarteterweise immerhin ein Porsche Macan S.

Das ebnete das soziale Gefälle der Begegnung zwar doch etwas ein. Aber letztlich repräsentiert der kleine Gelände-Porsche auch nur den Gegenwert der für den Bentayga fälligen NoVA.

Da sind die gut 45 Tausender noch gar nicht mitgerechnet, die für die Mehrwertsteuer fällig geworden wären – hätte den Schlechtweg-Bentley nicht seine britische Nummerntafel vor den Fährnissen der heimischen Zulassungs-Steuern bewahrt.

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